Kartographie eines Lebenswerks
Das Museion ehrt den Künstler Hans Knapp anlässlich des Erscheinens seiner neuen Publikation ordnen mit einer Ausstellung in der Museion Passage
Unser materielles und spirituelles Universum ordnen, indem emotionale Befindlichkeiten in symbolischen Bildern explizit gemacht werden – dieses Bestreben prägt das Lebenswerk des Künstlers Hans Knapp (Brixen, 1945), das jetzt in seinem neuen Künstlerbuch ordnen in verdichteter Form vorliegt. Zu diesem Anlass ehrt das Museion den Künstler mit einer Ausstellung und mit der Präsentation seines Buches in der Passage. Gezeigt werden eine großformatige Arbeit von Knapp aus der Sammlung Museion und einige im Buch abgedruckte Originalzeichnungen.
Die Ausstellung
Ordnen gibt einen Überblick über Knapps Arbeiten aus den vergangenen fünf Jahrzehnten und damit über sein gesamtes Werk. Das Buch gibt Aufschluss über die Arbeitsweise des Künstlers, der unzählige kleinformatige Zeichnungen vorgelegt hat. In der Publikation ordnet der Künstler das umfangreiche Material nach Werkblöcken und Themenkreisen. Dabei wird deutlich, mit welcher Intensität er seinen bildhaften Intuitionen folgt.
Zur Präsentation in der Museion Passage gehören eine Auswahl von in diesem Buch publizierten Originalzeichnungen sowie ein großformatiges Werk aus der Sammlung Museion, das dem Tholos-Projekt zuzuordnen ist und das ebenfalls im Künstlerbuch vorgestellt wird. Ausgangspunkt des Tholos-Projekts, das Knapp viele Jahre lang beschäftigt hat, war die Skizze eines tiefen Brunnens, aus dem mit der Zeit so etwas wie ein antikes Heiligtum geworden ist, das Knapp in die Erde versenkt imaginiert. Die Lightbox mit dem Titel Morgen zeigt den Blick aus einer klaustrophobischen Tiefe in die Höhe und letztlich in den Himmel. Man kann diese Vision mit existenziellen Situationen oder Perspektiven in Verbindung bringen. Die Papierarbeiten zu Themen wie Kreuz und Turm der Denkfabrik aus dem Atelier des Künstlers zeigen exemplarisch, wie Knapp seine Themen mit kleinformatigen Zeichnungsfolgen entwickelt.
Das neue Konzept für die Museion Passage.
Die Ausstellung ist Teil des neuen Nutzungskonzepts für die Museion Passage, die seit dem vergangenen November ein neues experimentelles Format beherbergt: Mit der Präsentation von Arbeiten aus der Sammlung will der Raum im Erdgeschoss des Museion in einen Dialog mit Kulturevents in der Region treten. In diesem Sinn steht Knapps Werk in Dialog mit der großen Installation „102 Signs for a Museum Fence” von Matt Mullican, die derzeit in der Passage ausgestellt ist. Knapps Zeichnungen bilden eine Parallele zu Mullicans Arbeit. Wie der US-amerikanische Künstler sein Universum mit einer im Prinzip unendlichen Reihe von Piktogrammen ordnet, kehrt Knapp systematisch und minutiös zu einigen Themen zurück, die er mit seinen Zeichnungen untersucht und verarbeitet. Somit interessieren sich beide Künstler für eine Kartierung der Welt.
ordnen: das Künstlerbuch von Hans Knapp
Hans Knapp hat immer intensiv mit dem Zeichenstift gearbeitet. Daraus ist ein Lebenswerk aus unzähligen gezeichneten Miniaturen entstanden, ein eigenwilliger Kosmos eines sich ständig erweiternden Zeichenraums. Der fast 900 Seiten umfassende Bildband ordnen ist als Künstlerbuch konzipiert, als eine Art Instrument und Kartographie, um direkt und unmittelbar in die eigensinnigen Umgebungen seiner Zeichenwelt einzutauchen. Wie im Zoommodus entfaltet und fokussiert das Buch das grafische Werk aus annähernd 200 Bildtafeln und Tausenden Miniaturen sowie weiteren Projektdokumentationen. Fast alle der zahlreichen kommentierenden Bildtitel im Buch hat der Künstler erst jetzt im Rückblick ‚entdeckt‘.
Das umfassende Zeichenwerk geht in einer gleichermaßen spontanen wie systematischen Arbeitsweise den Spuren der Architekturen, Prozesse, Absurditäten und Verletzlichkeiten der menschlichen Verhältnisse nach. Wie Archetypen durchziehen bestimmte Themen und Figuren den persönlichen Kosmos des Künstlers – von der unterirdischen Tholos mit integrierten Alphörnern bis zur Möbiusschleife als Laufband für Sisyphos’ Schwester. Das Buch enthält zudem zwei längere Textbeiträge, die seine (selbst)kritischen Gedankenskizzen über das menschliche Tun zwischen Fragen des Wollens und Prozessen des Beurteilens zusammenfassen. Hans Knapp: „Was nicht möglich ist: Mir einen Überblick zu verschaffen über alles, was ich wünschen könnte, über alles, was ich tun könnte im Leben, – und dann auswählen, was davon ich realisieren will, welches mein wirkliches Leben sein soll. Es wird sich – in fast allem – auch mir selbst erst nach und nach zeigen, was für einer ich bin.“
Das Künstlerbuch ordnen wurde von Hans Knapp in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Marion Piffer Damiani und den Grafikdesignern Andrea Muheim und Lioba Wackernell konzipiert und herausgegeben.Es ist im Ritter Verlag, Klagenfurt erschienen und im bookshop von Kunst Meran und Museion – auch in einer Sonderausgabe – erhältlich.
Hans Knapp, geboren 1945 in Brixen, Südtirol. Studienjahre in Innsbruck, München, Wien und Padua. Zwanzig Jahre Unterrichtstätigkeit, seit 1992 freischaffender Künstler. Neben der künstlerischen Arbeit längere Phasen der Auseinandersetzung mit Themen aus Kunstphilosophie und Ethik.
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