Überlebt die Sozialgenossenschaft „Spirit“ ?
Die Sozialgenossenschaft „Spirit“ kümmert sich seit drei Jahren um die Eingliederung von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, vorwiegend aus Afrika. Dafür betreiben sie ein afrikanisches Restaurant in der Petrarca-Straße in Meran und ein Gartenbau-Projekt auf Labers. Doch das Projekt steckt in Schwierigkeiten und braucht dringend finanzielle Unterstützung. Ein Gespräch mit dem Präsidenten Michael Bockhorni und der Geschäftsführerin Julia Kuppelwieser.
Tageszeitung: Frau Kuppelwieser, Herr Bockhorni, fangen wir mit dem Anfang an. Was hat Sie bewogen, sich für die Sozialgenossenschaft Spirit zu engagieren?
Michael Bockhorni: Weil ich es eine tolle Idee finde, soziales und unternehmerisches Engagement zu vereinen und weil es verstärkt Initiativen der Begegnung und des Austausches zwischen den Kulturen sowie Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft braucht.
Spirit wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in die Südtiroler Gesellschaft einzugliedern. Welche Bilanz ziehen Sie nach vier Jahren?
Michael Bockhorni: Als Gründungsmitglied und Präsident seit 6 Monaten erfahre ich ein großes Echo und Interesse aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten und Sprachgruppen. Es geht um die Entwicklung eines vielfältigen Angebots aber auch um große Herausforderungen im Bereich der Personalführung und der Wirtschaftlichkeit.
Um es konkret zu machen: Wie vielen Menschen konnte Spirit einen Arbeitsplatz verschaffen?
Julia Kuppelwieser: Seit Beginn der Tätigkeit, konnten 14 Personen im Restaurant aufgenommen werden, von denen fanden 11 eine weitere Anstellung. Im Garten wurden bisher 8 Personen aufgenommen, davon fanden 5 eine weitere Anstellung.
Spirit betreibt ein afrikanisches Restaurant in der Petrarca-Straße und ein Gartenbau-Projekt auf Labers. Wie viele Flüchtlinge beschäftigen Sie und was genau machen sie?
Julia Kuppelwieser: Im Gartenbau-Projekt werden 8 Personen für ein Bildungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Koordinationsstelle Berufliche Weiterbildung für acht Monate beschäftigt und zusätzlich dazu eine Person mit Fluchtgeschichte angestellt. Im Restaurant werden jeweils 2 Personen für ein Ausbildungspraktikum aufgenommen und 2-3 weitere Personen angestellt.
Wie erfolgreich ist das Restaurant?
Julia Kuppelwieser: Das Restaurant war vor der Covid 19-Pandemie wieder auf einem guten Weg. Durch verschiedenste Angebote wie ein Ethno-Brunch oder Gemeinschaftsteller, sowie einen neuen Koch, konnten wir viele Gäste anlocken. Dann kam die Pandemie und dessen Auswirkungen auf die Gastronomie sind uns allen bekannt.
Was haben diese Menschen in ihren Herkunftsländern erlernt, und welche Berufe streben sie hier hauptsächlich an?
Julia Kuppelwieser: Die Berufe in den Herkunftsländern sind sehr verschieden. Jedoch gibt es sehr viele, die bereits Erfahrungen in dem Bereich sammeln konnten, in dem sie später auch bei uns mitarbeiten. Vor allem im Bereich Landwirtschaft ist dies ersichtlich. Im ersten Jahr hatten 7 der 8 Personen, die dabei waren, schon in ihrer Heimat in der Landwirtschaft gearbeitet. Hier möchten sie oftmals in der Landwirtschaft oder der Gastronomie tätig sein. Es gibt jedoch auch viele Personen, die im Handwerk tätig waren und sich wünschen, dies auch hier in Südtirol machen zu können.
Außer der Arbeitssuche ist die Wohnungssuche meist das Hauptproblem dieser Menschen. Hilft Spirit auch dabei und wie schwierig ist es, Hausbesitzer zu finden, die bereit sind an sie zu vermieten?
Julia Kuppelwieser: Wir haben sie in den letzten Jahren schon des Öfteren auch bei der Wohnungssuche unterstützt. Wir bleiben auch nach der Zeit bei uns mit den Personen in Kontakt und auch dort erreichen uns immer mal wieder Anfragen zur Wohnungssuche. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern, die wiederum über ein weitläufiges Netzwerk verfügen, haben wir bisher (glücklicherweise) meist eine Unterkunft/Wohnung finden können.
Populistische und flüchtlingsfeindliche Stimmungen sind in der Pandemie ein bisschen leiser geworden, aber keineswegs verschwunden. Hat Spirit diese feindselige Stimmung zu spüren bekommen?
Julia Kuppelwieser: Natürlich gab es anfangs auch kritische Stimmen und Stimmungen. Diese legten sich jedoch bald und mittlerweile hört man nur mehr selten davon.
Ohne außerordentliche Hilfe steht diese außergewöhnliche zivilgesellschaftliche Initiative jetzt vor dem Aus. Was ist falsch gelaufen?
Michael Bockhorni: Das sehr ambitionierte Ziel, die Stammmannschaft aus Menschen mit Fluchtgeschichte zu bilden. Eine starke und sehr engagierte Gründungspersönlichkeit. Es gab viel Personalfluktuation im Verwaltungsrat und beim angestellten Personal. Zuwenig Controlling im wirtschaftlichen Bereich. Die Coronakrise mit geringen staatlichen Unterstützungsleistungen.
Spirit ist mit den Löhnen in Verzug und hat Schulden aufgebaut. Wie hoch sind diese und wie viel Geld braucht es, um das Überleben zu sichern?
Julia Kuppelwieser: Wir benötigen knapp 100.000 Euro, um alle Altschulden zu decken und weiter arbeiten zu können. Für die Zukunft haben wir einerseits sehr genaue Kalkulationen erstellt und gemeinsam mit dem Raiffeisenverband und Experten die einzelnen Bereiche durchgerechnet, sodass es zukünftig zu keinen solchen Engpässen mehr kommen wird. Was die Schulden betrifft, haben wir verschiedene Schritte gesetzt wie z.B. Benefizdinner, eine online Spendenkassa und einen Aufruf an die Mitglieder ihre Kapitalbeiträge zu erhöhen bzw. zu spenden. Weiters werden uns auch die öffentlichen Corona Hilfen eine Entlastung bringen. Es fehlen uns noch in etwa 40.000 Euro.
Was passiert mit den Menschen, wenn Spirit nicht gerettet werden kann?
Julia Kuppelwieser: Falls Spirit nicht gerettet werden kann, werden Menschen aus Südtirol und aus anderen Ländern arbeitslos und das Angebot bei der Arbeitsintegration und der Begegnung von Menschen wird nicht mehr möglich sein.
Mit Rückschlägen zu kämpfen haben diese Menschen gelernt. Wie erleben sie die Krise von Spirit?
Julia Kuppelwieser: Jede Krise ist eine Herausforderung und immer auch eine Chance zu lernen und zu wachsen. Diese Herausforderungen nehmen manche an und arbeiten stärker und intensiver zusammen, andere ziehen sich aus unterschiedlichen Gründen zurück.
Ein Sozialunternehmen wie Spirit funktioniert meist nur über den Weg der Selbstausbeutung der Mitglieder. Die jedoch ist nicht endlos strapazierbar. Fürchten Sie, dass die Genossenschaftsmitglieder nach dieser Krise den Glauben an die Machbarkeit von Spirit verlieren könnten?
Michael Bockhorni: Selbstausbeutung kann nur kurzfristig beim Start oder zur Überwindung einer Krisensituation helfen, langfristig ist sie immer ein Grund zum Scheitern. Die Machbarkeit von Sozialunternehmen liegt in der Balance zwischen sozialem und wirtschaftlichem Auftrag, braucht dementsprechende Kompetenz und Erfahrung im Management und eine wertschätzende Gesprächsbasis/kultur zwischen diesen beiden Welten.
Was gilt es anders zu machen, wenn Spirit mit Hilfe von Spenden aus dieser Krise herauskommt? Weniger Herz und mehr ökonomischen Realitätssinn?
Michael Bockhorni: Ja, jeder Bereich plus der Overhead (Geschäftsführung) muss durchkalkuliert sein und es braucht ein regelmäßiges Controlling mehrmals im Jahr. Von Seiten der öffentlichen Hand braucht es aber auch eine (teilweise) finanzielle Abgeltung des gesellschaftlichen Auftrages, welcher ja einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat, berechenbar im sogenannten social return on Investment. Weiters sind auch die Entwicklungskosten der sozialen Innovation genauso wie im Bereich Technik zu fördern.
Welche Zukunft wünschen Sie sich für das Projekt „Spirit“ ?
Michael Bockhorni: Dass unsere drei Bereiche Gastronomie – Landwirtschaft – Beratung und Bildung aufblühen können und wir sie der Südtiroler Gesellschaft schmackhaft machen können.
Interview: Heinrich Schwazer
Zu den Personen
Julia Kuppelwieser, in Südtirol geboren und aufgewachsen, studierte Kommunikations- und Kulturwissenschaften in Brixen, erlangte ihren Master in Aufnahme und Inklusion von Flüchtlingen und Migranten in Rom. Vorherige Arbeitserfahrungen bei Caritas im Flüchtlingszentrum Haus Noah, sowie dem Sprar Projekt Vinschgau. Seit 2018 ist sie Mitarbeiterin in der Sozialgenossenschaft Spirit in Meran
Michael Bockhorni, 1958 in Wien geboren, lebt seit 2009 in Südtirol. Master in social sciences (Studiengang für Soziale Arbeit in Wien bzw. St. Pölten), Supervisor und Coach. Arbeitserfahrungen in der Wirtschaft, im Umwelt- und Sozialbereich (inkl. Lehre und Forschung). Langjährige Arbeit in der Arbeitsmarktintegration, im Aufbau von Projekten, pädagogischen Konzepten und interkultureller Arbeit. Aktuell Geschäftsführer der Sozialgenossenschaft väter aktiv. Gründungsmitglied der Sozialgenossenschaft Spirit und seit November 2020 deren Präsident.
Ein Hilferuf
Sie verzeihen, dass wir mit der Tür ins Haus fallen: Es geht ums Überleben einer, wie wir überzeugt sind, guten Sache, und dies hier ist ein Hilferuf.
Als Sozialgenossenschaft „Spirit“ kümmern wir uns seit drei Jahren um die Eingliederung von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, vorwiegend aus Afrika. Dafür betreiben wir ein afrikanisches Restaurant in der Petrarca-Straße und ein Gartenbau-Projekt auf Labers., beides in Meran. Land und Gemeinde, insbesondere die Berufsschule Savoy/Kaiserhof und der Sonderbetrieb Laimburg unterstützen uns dabei.
Die herrschende Pandemie und, ehrlich eingestanden, auch eigene Schwächen in der Betriebsführung haben nun zu einer Situation geführt, in der das Projekt insgesamt sowie die Existenz der Mitarbeitenden ernstlich in Gefahr stehen. Wir ehrenamtlich und selbstverständlich unentgeltlich Verantwortlichen sind weiterhin fest überzeugt von der Zielsetzung und auch Machbarkeit unseres Sozialunternehmens. Wir haben dafür sämtliche Hilfen der öffentlichen Hand ausgeschöpft, und wir sind diesen dankbar dafür. Auch die Belastbarkeit unserer Genossenschaftsmitglieder war stets handfest und grenzte an Selbstausbeutung. Trotzdem, wir sehen uns jetzt vor die dramatische Erkenntnis gestellt: Entweder es kommt außerordentliche Hilfe von irgendwo her oder „Spirit“ stirbt. Wir sind mit Löhnen in Verzug und haben Schulden. Uns droht das Insolvenzverfahren mit allen schmerzlich Folgen.
Deshalb, und weil wir wirklich nichts unversucht lassen wollen zur Rettung unseres Kindes, haben wir uns ein Herz gefasst und wenden uns an Sie, und noch einige wie Sie, mit der Bitte, um Ihre großzügige Hilfe! Halten Sie uns ruhig für anmaßend, wir sind das in der Überzeugung, dass Sie bestimmt etwas Wertvolles tun, wenn Sie „Spirit“ überleben helfen und dem Projekt eine Zukunft geben. Damit sich lang ansässige und neu zugezogene SüdtirolerInnen begegnen und kennen lernen können, dabei Vorurteile abbauen und voneinander lernen können, wie z.B. bei den Koch- oder Trommelworkshops für Schulen und Jugendgruppen oder den Musik- bzw. Erzählabenden aus anderen Kulturen. Damit Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte, mit Beeinträchtigung oder anderen Benachteiligungen eine Chance haben, sich durch eigene Arbeit zu erhalten.
Infos und Spenden unter: https://www.gofundme.com/f/sozialgenossenschaft-spirit
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Kommentare (2)
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bernhart
wenn etwas nach 3 JAHREN NOCH NICHT FUNKTIONIERT, bitte schliessen ausser Spesen nichts gewesen und die Geschaftsführung zur Rechenschaft ziehen.
Spenden für was???
Jeder Bürger muss selbst schauen wie er über die Runden kommt, die ganzen öffendlichen Beiträge sind Steuergelder und von Arbeiter bezahlt worden..
Ich frage mich wieso haben alle Sozialgenossenschaften Probleme obwohl so viele Freiwillige mitarbeiten?? ohne ein Gehalt.