Die Sanierungs-Offensive
Das Land und zahlreiche Partner wollen die Nutzung des 110-Prozent-Superbonus massiv ankurbeln – inklusive einer neuen Finanzierungsmöglichkeit.
von Heinrich Schwarz
Es ist eine Chance, die man so wohl nicht mehr bekommen wird: Der Staat gewährt seit bald einem Jahr einen Steuerabzug in Höhe von 110 Prozent für energetische Sanierungen. Man kann also praktisch kostenlos Arbeiten an seiner Immobilie für mehr Energieeffizienz durchführen lassen.
Der sogenannte Superbonus gilt unter anderem für Fassaden, Fenster, Solarpanelen, Photovoltaik, Heizanlagen und elektrische Ladestationen, sofern die Energieklasse des Gebäudes um mindestens zwei Stufen erhöht wird oder man die maximale Energieeffizienz erreicht.
Weil das Ganze aber sehr kompliziert und mit Risiken behaftet ist, zögern sehr viele Immobilienbesitzer. Das will das Land nun ändern. Um die Wirtschaft mithilfe des Superbonus anzukurbeln und die Energieeffizienz in Südtirol zu steigern, startet eine riesige Offensive in Zusammenarbeit mit über 20 Partnern. Der 110-Prozent-Steuerbonus soll massiv genutzt werden.
Schon im Vorjahr und in den letzten Monaten fanden im NOI Techpark in Bozen Gespräche mit Branchenvertretern, Landesgesellschaften, Banken, Wirtschaftsverbänden, Steuerservicezentren, Berufskammern, Gemeinden und anderen statt. Man kam zum Schluss, dass die Bürger stärker aufgeklärt und unterstützt werden müssen. Dass die Betriebe Unterstützung brauchen, um effizienter vorgehen zu können. Und dass es beim bürokratischen Verfahren ein gemeinsames Vorgehen braucht.
Das Ergebnis der Gespräche ist nun eine Kooperationsvereinbarung, für die die Landesregierung am Dienstag grünes Licht gegeben hat und die jetzt unterzeichnet werden kann. Ziel ist eine korrekte und koordinierte Vorgehensweise rund um den Superbonus, damit Südtirol bestmöglich davon profitiert. Profitieren sollen vor allem auch die lokalen Klein- und Mittelbetriebe, die sich gegen große Generalunternehmen behaupten müssen.
So heißt es in der Vereinbarung etwa: „Durch die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen kann das Immobilienvermögen zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung der lokalen Wirtschaft werden und nicht nur finanzielle, sondern auch soziale und ökologische Vorteile durch Gebäudewiedergewinnung, Reduzierung von Schadstoffemissionen und
Ankurbelung von Bauwirtschaft und freiberuflicher Tätigkeit schaffen, was sich wiederum positiv auf Beschäftigung und Wertschöpfung auswirkt.“
Die Vereinbarung listet die Verpflichtungen der unterzeichnenden Partner auf. Einige Beispiele der Aufgaben: Das Land ist für die Aufklärungsarbeit für Bürger zuständig und plant dafür eine Informationskampagne. Die Klimahaus-Agentur bietet ein Servicepaket für den Superbonus an und checkt die Erfüllung der Voraussetzungen. Die Wirtschaftsverbände erstellen Listen ihrer Mitglieder, die im Rahmen des Superbonus für einen „Rabatt auf dem Rechnungsbetrag“ bereitstehen. Die Eurac bringt ihre Forschungsergebnisse zur energetischen Sanierung mit ein.
Mit an Bord sind unter anderem auch der Verband der Kondominiumsverwalter, die Steuerbeistandszentren, die Kammer der Steuerberater, die Kammer der Arbeitsrechtsberater, die Architektenkammer, die Ingenieurkammer, das Kollegium der Geometer, der Gemeindenverband, die Garantiegenossenschaften, der Verband der Hauseigentümer und das Wohnbauinstitut.
Eine ganz besondere Rolle kommt aber der Kapitalanlage-Gesellschaft Euregio Plus zu, einer Inhouse-Gesellschaft des Landes. Sie hat den „Green Economy Alternative Investment Fund“ eingerichtet, der einen Markt für die Steuerguthaben im Rahmen des Superbonus schaffen soll. Über den Fonds kann die Euregio Plus Steuerguthaben von Immobilieneigentümern und Unternehmen kaufen und dann weiterverkaufen.
Soll heißen: Anstatt das Steuerguthaben auf fünf Jahre selbst zu verrechnen, kann es an Euregio Plus verkauft werden. Der Immobilienbesitzer (oder das Bauunternehmen, das einen Rabatt auf der Rechnung gewährt) erhält das Geld somit sofort. Der Fonds von Euregio Plus soll von institutionellen Anlegern, aber auch vom Land finanziert werden. Die Steuerguthaben werden von Euregio Plus schließlich an große Unternehmen verkauft, die ein hohes Steueraufkommen haben und das Guthaben damit verrechnen können. In der Kooperationsvereinbarung heißt es dazu, dass Euregio Plus Gespräche mit potenziellen nachfolgenden Käufern der Steuerguthaben führt, „damit die breite Nutzung der Steuerguthaben ermöglicht wird“.
Durch diese Kaufs- und Verkaufskette sollen alle Beteiligten einen Vorteil haben.
Zum Fonds der Euregio Plus gehört auch eine digitale Plattform, um Dokumente in Zusammenhang mit dem Superbonus zu archivieren und verwalten. Dies soll ein einheitliches, kontrolliertes, transparentes und effizientes Verfahren ermöglichen und das Risiko für die beteiligten Akteure minimieren.
In den nächsten Wochen ist mit allen weiteren Details für die praktische Umsetzung zu rechnen. Die Zeit für die Inanspruchnahme des Superbonus drängt nicht mehr so sehr: Der 110-Prozent-Steuerbonus wurde vom Staat bis zum 30. Juni 2022 verlängert bzw. bis zum 31. Dezember 2022, falls zuvor schon ein Großteil der Arbeiten durchgeführt ist.
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