Am Limit
Gut ein Jahr nach dem Beginn der Corona-Krise sind die finanziellen Reserven vieler Südtiroler zunehmend aufgebraucht – und es wenden sich auch mehr junge Klienten an die Schuldnerberatung.
von Lisi Lang
Die anhaltende Corona-Pandemie ist für viele Südtiroler zunehmend auch eine finanzielle Herausforderung. Seit mittlerweile einem Jahr bestimmt das Coronavirus unseren Alltag, viele Branchen arbeiten seitdem nicht mehr wie vor dem Pandemie und das wirkt sich wiederum auf die Südtiroler aus, die in diesen Branchen tätig sind. „Personen, die vorher schon in Schwierigkeiten waren oder in prekären Situationen, schaffen es jetzt schwieriger aus dieser Situation herauszukommen und wieder etwas Stabilität zu finden“, erklärt Stefan Plaikner, Leiter der Caritas Schuldnerberatung. Es häufen sich immer mehr Schulden an, weiß der Schuldnerberater. „Viele haben zwar Raten ausgesetzt oder gestundet, aber jetzt fangen die Gläubiger wieder an, an die Tür zu klopfen – und die finanziellen Probleme der Menschen haben sich einfach noch nicht aufgelöst“, so Plaikner. Zudem sei momentan einfach auch noch keine absehbare Lösung dieser Situation in Aussicht.
Wegen der anhaltenden Ausnahmesituation sind auch zunehmend die finanziellen Reserven vieler Familien aufgebraucht und kurze Überbrückungshilfen, die sich viele von Freunden oder Verwandten geliehen haben, reichen oft nicht mehr aus, um finanzielle Engpässe zu überstehen. „Bei immer mehr Personen laufen diese Reserven aus und dann wissen sie einfach nicht mehr wie weitermachen“, weiß der Schuldnerberater.
Die Unterstützungen der öffentlichen Hand, wie die finanzielle Soforthilfe oder Mietbeiträge, würden zwar gut greifen und so weit als möglich auch relativ unbürokratisch bei den Menschen ankommen, sagt Plaikner, aber diese Beiträge würden nur die Existenzsicherung decken. „Wir merken aber schon, dass je nach Lebensstandard – und der Lebensstandard ist in Südtirol einfach relativ hoch – jetzt Schwierigkeiten aufkommen: Viele hatten einfach eine oder zwei Raten abzubezahlen für ein Haus oder ein Auto und bislang eigentlich auch nie Zahlungsschwierigkeiten aufgrund ihres Einkommens – jetzt aber reicht dieses Einkommen nicht mehr und die Covid-Soforthilfen können das klarerweise auch nicht abdecken. Und wenn dann auch die Reserven auslaufen, wird es schwierig“, erläutert der Leiter der Schuldnerberatung.
Die Anfragen bei der Schuldnerberatung sind wegen Corona angestiegen – allein im Vorjahr wurden 100 Klienten und Familien mehr betreut als noch im Jahr zuvor. „Wir merken, dass auch jetzt wieder mehr Anfragen kommen“, sagt Plaikner, „wir hören einfach immer öfter, dass Leute anrufen und sagen, dass sie es bisher irgendwie geschafft haben und Reserven hatten, jetzt aber nicht mehr weiterwissen.“
Personen mit befristetet Verträgen oder Saisonskräfte sind laut Plaikner nach wie vor gefährdeter und haben größere Probleme. „Die Menschen haben einfach immer mehr Schwierigkeiten finanzielle Löcher abzudecken“, erklärt der Schuldnerberater.
In den letzten Monaten haben aber auch immer häufiger junge Klienten zwischen 20 und 30 Jahren bei der Schuldnerberatung Rat gesucht. „In Vergangenheit hatten wir kaum Anfragen von jungen Leuten, was einerseits heißen kann, dass sie keine Schulden hatten oder dass einiges vom Familienkreis aufgefangen wurde“, erklärt der Schuldnerberater. Die Corona-Krise hat das nun aber offenbar verändert. „Grundsätzlich stehen junge Menschen vor den gleichen Problemen wie andere Erwachsene, haben mit einem Arbeitsverlust oder Einkommensreduzierungen zu kämpfen und deswegen nicht mehr die Möglichkeit, Zahlungsverpflichtungen nachzukommen“, erklärt Plaikner. „Wir sprechen von jungen Menschen, die vielleicht eine Rate fürs Auto abbezahlen müssen und sich informieren, was passiert wenn sie diese nicht mehr bezahlen können. Durch diese Krisensituation sind viele aber auch zum ersten Mal mit der Möglichkeit finanzieller Schwierigkeiten konfrontiert worden.“
Bei jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren seien diese finanziellen Sorgen zwar nicht immer existenzgefährdend, weiß Plaikner, weil viele noch zu Hause leben, „aber bei jungen Menschen ab 30 Jahren können die Situationen dann schon kritischer und komplexer werden, wenn es vielleicht um ein Eigenheim, eine Miete oder Kinder geht“.
Die Caritas hat deswegen einen neuen Dienst ins Leben gerufen. Künftig ist die Schuldnerberatung auch über den WhatsApp-„SchuldenService“ erreichbar. So will man vor allem junge Menschen ansprechen und innerhalb von kurzer Zeit Fragen beantworten und Tipps geben. „Es ist ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Menschen, die sich gerade in finanziellen Schwierigkeiten befinden oder auch nur eine kurze Frage haben und dafür nicht extra zu uns in die Beratung kommen wollen oder können“, erklärt Werner Niederbrunner von der Schuldnerberatung. „Es handelt sich um eine sehr diskrete Möglichkeit, wo man allgemeine Fragen stellen kann, beispielsweise was passiert, wenn offenen Rechnungen oder Abgaben nicht bezahlt werden oder wo es Hilfe gibt“, erklärt Werner Niederbrunner.
Der „SchuldenService“ ist unter Tel. 335/1760546 über WhatsApp von Montag bis Donnerstag von 14.00 bis 16.30 aktiv. In dieser Zeit antworten die Schuldnerberater auf alle eingehenden Anliegen. „Natürlich kann man seine Frage auch außerhalb dieser Zeiten abschicken. Die Antwort erfolgt dann, wenn die Berater wieder online sind“, erklärt Niederbrunner. Wichtig sei aber auf jeden Fall sich rechtzeitig Hilfe zu holen.
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