„Die andern sind schuld“
34. Bolzano Filmfestival Bozen: Mike Ramsauers „Siegfried.Steger.Attentäter“ ist etwas Besonderes. Zu sehen bei „Local Artists“ des BFFB
von Renate Mumelter
Mich interessieren Steger und die Bombenjahre nicht mehr. An Mike Ramsauers Film „Siegfried. Steger. Attentäter“ interessiert mich, was dieses Porträt über Fanatismus erzählt, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Millionen Worte wurden über die Bombenjahre schon gesprochen, tausende von Seiten geschrieben, x Meinungen wurden kundgetan und ebensoviele Theorien entwickelt. Für sind Attentäter Helden, für andere keineswegs. Der Film lässt zu, dass sich Steger selbst darstellt.
Online-Material
Steger war in den 1960ern einer der Pusterer Buam. Heute lebt er in Telfs. Nach Italien einreisen darf er nicht, weil er zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt ist. Gnadengesuch will er keines stellen.
2016 inszenierte Alexander Kratzer für die VBB das interaktive Stück „Bombenjahre“ auf der Bühne und außerhalb der Bühne. Zeitzeugen, Positionen und Publikum wurden zusammengebracht. Daraus ergaben sich Gespräche.
Damals waren alle live dabei, nur Steger nicht. Er war über Video zugeschaltet, eine frühe Vorwegnahme von Zoom-Meetings, Webinaren und online-Talks.
Die VBB hatten Mike Ramsauer mit der Technik betraut, deshalb stimmten Bild, Bildeinstellung und Ton. Ramsauer war bei jeder Vorstellung in Telfs.
Das gesammelte Material ließ den Filmemacher nicht mehr los. Aus den Mitschnitten schuf er „Siegfried.Steger.Attentäter“. Der Film beschränkt sich aufs Wesentliche. Wenige eingeblendete Zeilen stecken den historischen Rahmen ab. Die Reduzierung macht diesen Film interessant. Er liefert eine psychologische Studie, die gelesen werden will.
Der Film
Siegfried Steger sitzt in seiner getäfelten Stube mit obligatorischem Tiroler Adler, schaut in den Bildschirm und antwortet auf Publikumsfragen. Einmal misst er den Blutdruck, einmal nimmt er einen Schluck Wasser, am Ende steht er auf und geht.
„I kimm zurecht mit meinem Gewissen“ betont er immer wieder gebetsmühlenartig. Er sieht sich „als Widerstandskämpfer gegen Italien“ und wischt über den Tisch. Manchmal wischt er sich über die Augen. Jede Schuld schiebt er auf Italien: „Die haben damit angefangen“. Die Toten schiebt er als bedauerliche Kollateralschäden beiseite. Laut und ausfällig wird er, wenn es um den Historiker Steininger geht, weil „der Tolm der blöde“ die Fakten anders wertet. Mit dem damaligen Chef der politischen Polizei DIGOS schlägt er einen kollegialen Ton an. Je nach Stimmungslage wechselt er in den Gesprächen vom Sie zum Du.
Ebenso spannend wie das Psychogramm sind die Fragen aus dem Publikum, sachlich, kritisch manchmal auch Besorgnis erregend hymnisch.
„Siegfried. Steger. Attentäter“ wertet nicht, lässt aber ahnen, wie Fanatismus funktioniert, auch heute, wenn wieder allüberall die andern schuld sind.
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Kommentare (2)
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robby
Für eine „Oma gegen Rechts“ eh nicht absolut schlecht. Bloß linkslastig.