Der Glaubenskrieg
Gegenseitige Vorwürfe, Hetze in den sozialen Medien und viel Desinformation: Wie die Impfpflicht das Gesundheitspersonal in zwei Lager spaltet.
von Markus Rufin
Italien fährt künftig eine harte Linie gegen Impfverweigerer. Angefangen wird mit dem Gesundheitspersonal. All jene Personen, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen, werden entweder an einem Arbeitsplatz versetzt, an dem sie keine anderen Personen anstecken können oder ohne Gehalt suspendiert.
Das entsprechende Dekret wurde bereits veröffentlicht, derzeit laufen die Vorbereitungen auf die Durchführung. Denn zunächst muss geklärt werden, wer sich noch nicht für die Impfung gemeldet hat. Auch in Südtirol laufen die Vorbereitungen darauf auf Hochtouren.
Die Impfpflicht hat beim Personal des Gesundheitssektors, dazu zählen beispielsweise auch Physiotherapeuten, Logopäden, Psychologen und Verwaltungsmitarbeiter, für viel Zündstoff gesorgt und wird es wohl auch weiterhin tun. Denn die Impfpflicht spaltet das Gesundheitspersonal.
„Die Impfpflicht setzt das gesamte Gesundheitspersonal unter Druck“, sagt beispielsweise eine Krankenschwester aus dem Westen des Landes, die aufgrund der Brisanz des Themas lieber anonym bleiben möchte.
Die TAGESZEITUNG hat sich gleich bei mehreren direkt betroffenen Personen umgehört und nachgefragt, was sie von der Impfpflicht halten. Auch dabei kam klar zum Ausdruck, dass es mittlerweile gleich mehrere Lager gibt.
Das bestätigt unter anderem die Pflegedirektorin im Sanitätsbetrieb, Marianne Siller: „Die Reaktionen auf das Dekret sind recht unterschiedlich. Der Großteil der Pfleger im Krankenhaus ist geimpft und fühlt sich in seiner Entscheidung gestärkt. Andere sind hin- und hergerissen. Das hängt auch mit der Berichterstattung über eventuelle Risiken der Impfungen zusammen, die von den Sozialen Medien akzentuiert wird. Ein recht geringer Anteil ist dagegen und manifestiert den Widerstand recht offen.“
Eine Spaltung sei bereits eingetreten. Welche Auswirkungen diese Spaltung hat, kann Siller nicht abschätzen, da sie auch nicht weiß, wie viele Personen sich nicht impfen lassen werden: „Die Frage ist jetzt, wie viele Leute es sind, ob sie in bestimmten Diensten konzentriert sind, denn das würde zu organisatorischen Folgen führen. Im Gesetzesdekret als solches steht, dass nicht geimpfte Menschen, dem Ansteckungsrisiko völlig enthoben werden müssen. Das heißt, nicht geimpfte müssen ins Homeoffice, und zwar ohne Bezahlung.“
Erst im Laufe der nächsten zehn Tage werde man sehen, wie viele Menschen sich nicht impfen lassen werde und ob der Zwang und die damit einhergehende Spaltung überhaupt ein Problem darstellt. „Da sind aber auch einige dabei, die auf andere Impfstoffe gewartet haben, im Wartestand waren oder sich aus anderen Gründen noch nicht entschieden haben“, erinnert Siller.
Auch bei den Psychologen ist die Lage ähnlich. Wie viele Personen, sich noch nicht geimpft haben, beziehungsweise sich nicht impfen lassen wollen, könne man nur schwer abschätzen, meint Sabine Cagol, Präsidentin der Psychologenkammer. Bisher habe sie zwar keine kritischen Stimmen gehört, allerdings gelte es zu bedenken, dass das Dekret recht frisch ist.
Cagol hält die Impfpflicht für einen Schritt in die richtige Richtung: „Wir haben eine Vorbildfunktion, auch wenn eine Pflicht schwierig ist. In dem Moment, wo man mit Menschen zu tun hat, denen es nicht gut geht, ist es wichtig, sich zu impfen.“
Für Psychologen ist die Arbeit im Homeoffice aber auch eher umsetzbar als für das Krankenhauspersonal oder für Pfleger in den Seniorenwohnheimen. Dementsprechend sind es vor allem jene Berufsgruppen, die sich gegen die Impfpflicht wehren.
Der Landesverband für Sozialberufe wirft beispielsweise einige Fragen auf, die aufzeigen sollen, dass eine Pflicht nicht durchführbar ist. Die wohl brennendste aller Fragen: „Können wir es uns leisten, aufgrund einer Impfpflicht einen Pflegenotstand zu riskieren?“
Denn hört man sich beim betroffenen Personal um, dann erkennt man zwar, dass es viel Zustimmung gibt, allerdings üben viele Personen auch Kritik.
„Dabei handelt es sich nicht nur um militante Impfgegner“, sagt ein anonymer Krankenpfleger. „Vielfach sind es Personen, die aufgrund der verschiedenen Medienberichte verunsichert sind.“ Der anonyme Pfleger, der sich bei der TAGESZEITUNG gemeldet hat, zählt sich selbst zu diesen Personen. Die Impfung habe er noch nicht gemacht, weil er sich nicht sicher gewesen sei, ob der Impfstoff auch erprobt ist. Mittlerweile würde er sich zwar impfen lassen. Die Impfpflicht sei aber ein „Unding“.
Ähnlich sieht es Irene Thanei. Sie arbeitet seit 16 Jahren als Krankenpflegerin im Sanitätsbetrieb und hat am Samstag auf Facebook einen Post verfasst, der mittlerweile über 1.200 Mal geteilt wurde. In diesem Post wendet sie sich an die Spitze des Sanitätsbetriebes. Sie sei keine „Coronaleugnerin“, könne der Impfung aber auch nicht bedenkenlos zustimmen, da sie gleichzeitig auf den normalen Stationen Patienten betreue, die mit den Nebenwirkungen der Impfung zu kämpfen haben.
„Wir sind nicht die Schuldigen der Pandemie, sondern wir sind die, die an vorderster Front gekämpft haben und uns stets an die vorgegebenen Maßnahmen und Verordnungen gehalten haben. Wir sind die, die nun all die Versäumnisse, die unser Land bereits seit Jahren hätte aufholen müssen, ausbaden dürfen und damit nicht genug, droht uns nun auch noch der Verlust des Arbeitsplatzes“, schriebt Thanei auf Facebook.
Mit dieser Meinung steht sie nicht allein dar. Eine weitere Pflegerin, die lieber anonym bleiben möchte, sagt sogar, sie verstehe die „Welt nicht mehr“. Sie selbst habe die Impfung zwar bereits gemacht, verstehe aber all jene, die sich nun gegen die Pflicht wehren: „Noch im letzten Jahr wurden wir beklatscht und nun setzt man uns alle unter Druck. Das ist einfach nicht fair.“
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Kommentare (37)
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andreas
In Pflegeberufen gibt es Rechte und Pflichten, die Pflichten hebt auch der Heldenstatus vor einem Jahr nicht auf.
Auch verstehe ich nicht die kontinuierliche Kritik an der Kapazität der Sanität, da diese die letzten 50 Jahren durchaus ausgereicht hat und kein Gesundheitssystem der Welt für eine Pandemie über Jahrzehnte ausreichend Material und Personal bereitstellen kann.
Auch ist der Grund für die schlechte Organistation oft weniger bei der Politik, sondern eher bei den hoch bezahlten Diven von Primaren zu suchen.
Dass die Sanität z.B. unverhältnismäßig oft unnütz in Anspruch genommen wurde, sieht man doch bei der Ersten Hilfe, wo jetzt keiner mehr mit einem verstauchten Daumen meint, er wird gleich sterben, wenn nicht in einer halben Stunde ein Primar zur Verfügung steht. .
Die Impfung ist wie sie ist und unter 60jährige, werden nicht mehr mit AstraZeneca, welches primär Folgeschäden verusacht hat, geimpft.
Sich bei der Beurteilung auf irgendwelche suspekte Medien zu berufen und als Grund für die Impfung die Gewinne der Pharmaindustrie zu nennen, ist etwas eigenartg.
jennylein
Hoffe für dich, dass du die nächste Zeit keine ernsthafte Erkrankung bekommst, denn dann benötigst du Ärzte und Pfleger. Wenn die dann fehlen, weil sie suspendiert wurden oder gekündigt haben, dann helfen dir deine Argumentationen herzlich wenig.
andreas
Auf die Drohungen der Betroffenen Beruf zu wechseln, sollte der Staat grundsätzlich nicht eingehen.
Wenn sie kündigen, ist es wie es ist. Es gibt immer eine Lösung.
gorgo
So kompromisslos sollte man wirklich nicht sein. Für Altersheime sind durchaus Möglichkeiten denkbar. Testen und 2 Wochen Arbeitsquarantäne zB. Können dann Abends im Zimmerchen ihren Namen tanzen.
Ohne Zuschlag natürlich und die Isolationszeit bis zum sicheren Testergebnis unbezahlt.
Überhaupt sind solche Modelle anzudenken, die brasilianische Variante klopft ja schon an die Tür.
robby
@andreas, einheimische Haushaltshilfen sind fast nicht zu finden. Da sehe ich viel Potential für Impfverweigerer aus der Sanität. Anstatt Helden sind sie dann halt Hausperlen.
nochasupergscheiter
Versäumnisse seit Jahren? Frage mich was die gute Frau meint?
Es geht ja um die Impfung und corona…
Fakt ist das was Gänsbacher immer sagt..
Im Verhältnis zu dem was uns die sanität kostet funktioniert sie eher schlecht als recht…
Bei den Wartezeiten waren wir ja mit die schlechtesten..
Was sicher auf ein totales Versagen der mittleren und oberen Führungskräfte zurückzuführen ist..
Im Privatbetrieb springt der Chef im Dreieck wenn geld liegen gelassen wird, beim Land und sanität ist dem Chef wichtig wenn überall alles ruhig ist und seine Prämien passen…
besserwisser
der herr prof. gänsbacher ist seit 2013 in rente. hat eine topkarriere hingelegt und hat in südtirol nie gearbeitet. die pandemie bietet ihm, dem weltgereisten kosmopoliten, die bühne auch lokal wichtig und bedeutsam zu werden.
die ständige öffentliche kritik bringt uns auch nicht weiter,es wäre wohl gescheiter wenn sie ihn, wenn er schon so gut ist wiede die medien ihn machen, dann sollte er die landesregierung intern beraten und nach aussen weniger und dafür positiver reden!
das ständig hintennach ich hätte es anders gemacht, ich hätte es besser gewusst, das kann ich auch machen…….
kritiker
Manche reden anlässlich der Impfpflicht von Diktatur und haben keine Ahnung, was Diktatur ist. Auf jeden Fall ist die Impfpflicht durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt, somit demokratische legitimiert, da es mit Mehrheit vom Parlament verabschiedet wurde und explizit diese Möglichkeit beinhaltet.
Viele Leute sind massiv verwöhnt und jammern über alles was ihnen nicht in ihren Kram passt. Ausserdem werden die Sanitätsmitarbeiter mit dem m RNA Impfstoff geimpft , der fast null Probleme bereitet.
besserwisser
@kritiker: sehr richtig kommentiert. wem es nicht gefällt der kann ja nach nord korea oder so….
luis2
Ich bin kein Impfgener und auch nicht Befürworter, ich denke gerade in diesem Bereich ist noch vieles offen.
Befasst man sich mit diesem Thema intensive, so kommt man zu keinem Schluss. Liest man eine Seite durch auf der nächsten Blatt ist alles wieder anders.
Tatsache ist der Mensch im dieser Zeit möchte alles beherrschen, für alle Situationen an Mittel zur Verfügung haben so oder so.
Die Menschheit hat viele Pandemien, Seuchen, Naturgewalten und Kriege überlebt, wir werde auch Corona überstehen.
besserwisser
es gibt keine impfplicht. es gibt ein impfangebot. was die regierung jetzt macht ist die regelung der zulassungsbestimmungen für einen beruft. und wenn die voraussetzungen nicht passen dann muss man eben einen anderen beruf suchen. so einfach ist das.
den rest wird die privatwirtschaft erledigen. die ersten fluggesellschaften fangen schon damit an. impfpass oder negatives testergebnis, sonst steigst du nicht in den flieger.
du kannst natürlich protestieren (das ist demokratie), aber du wirst trotzdem auf dem boden bleiben.
ausserdem: wie wird jetzt berichtet dass die sanitätsimpfgegner jetzt plötzlich zu hauf trotzdem impfen gehen? ist die angst um den job wohl stärker als das rückgrat und die überzeugung?
pantone
Ich denke, dass viele Leute im Krankenhaus und im Altersheim mit Covid 19 angesteckt wurden. Bis zum Jahresende gab es keine Impfung, ohne dieser waren viele Pfleger und Pfegerinnen nicht imstande, ihre Patienten mit angemessener Kleidung zu schützen. Speziell in den Altenheimen waren ja frühzeitig bereits keine Besuche von Familienangehörigen zugelassen, sodaß die einzigen Kontakte durch das Pflegepersonal erfolgte. Und es sind viele Menschen gestorben. Jetzt sind viele Insassen bereits geimpft, trotzdem wäre es gut, wenn auch das Pflegepersonal ebenso geimpft wäre um nicht geimpfte Insassen und Neuankömmlinge zu schützen. Das selbe gilt für das Personal der Krankenhäuser. Man sollte nicht Bedenken vor einem Besuch im Krankenhaus haben müssen und so nicht dringende Behandlungen aufschieben.