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Ästhetischer Mindestanspruch

Die neue Musterbauordnung muss von den Gemeinden bis 1. Juli übernommen und angepasst werden. Beim heikelsten Punkt, der architektonischen Gestaltung von Gebäuden, können sie eigene Kriterien einführen.

Von Thomas Vikoler

Derzeit hat jede Südtiroler Gemeinde ihre eigene Bauordnung. Es zirkulierten im Laufe der Jahrzehnte zwar Musterbauordnungen durch die Ratsstuben, sie waren aber nicht verbindlich. Die Musterbauordnung zum neuen Gesetz für Raum und Landschaft, welche die Landesregierung am Dienstag beschlossen hat, ist dagegen für die Gemeinden bindend, jedenfalls größtenteils.

„In Südtirol soll in Zukunft auf gleicher Grundlage geplant und gebaut werden, das bringt wesentliche Erleichterung für die Planer und Bauherren“, sagt Maria Hochgruber Kuenzer, die zuständige Landesrätin.

Die Musterbauordnung, die vier detailreiche Anhänge enthält, wurde vom Land in Zusammenarbeit mit dem Gemeindenverband ausgearbeitet. Die 116 Gemeinden sind nun verpflichtet, sie bis 1. Juli zu übernehmen bzw. anzupassen. Am 1. Juli jährt sich das Inkrafttreten des 2018 vom Landtag beschlossene Gesetz für Raum und Landschaft zum ersten Mal, mit diesem Termin müssen auch die (umkämpften) neuen sechsköpfigen Baukommissionen starten. Sie sind übergemeindlich organisiert (drei bis fünf Gemeinden mit Ausnahme von Bozen und Meran, die jeweils eine eigene Kommission haben) und heißt nun Gemeindekommission für Raum und Landschaft (GKRL). Den Vorsitz führt wie bisher der Bürgermeister der betreffenden Gemeinde, die Gutachten der Kommission sind – wie bisher – nicht bindend.

Dazu gibt es eine neue Kommission, die sich ausschließlich mit landschaftsrechtlichen Fragen befasst, die dreiköpfige Gemeindekommission für Landschaft (GKL).

Ein Bauprojekt soll laut Musterbauordnung entweder von der einen oder der anderen, keinesfalls aber von beidenKommissionen begutachtet werden. Die jeweiligen Zuständigkeiten sind zwar festgelegt, Kompetenzstreitigkeiten aber vorprogrammiert.

Die GKRL befasst sich mit allen größeren Baueingriffen zu folgenden Aspekten: Raumordnung, Natur- und Landschaftsschutz, Baukultur und Ästhetik, einschließlich Eingliederung in das Orts- und Landschaftsbild, die Bewertung des geplanten Bauwerks unter dem ästhetischen Gesichtspunkt. Dabei zu berücksichtigen sind: Geländeverlauf, Vereinbarkeit mit dem baulichen und landschaftlichen Umfeld, Vermeidung von Zersiedelung, das städtebauliche Gefüge, die Verkehrs- und Grünflächen, der Baustil der bestehenden Gebäude (auch Ensemble- und Denkmalschutz), Verteilung der Baumasse, Baustil, Verkleidungen und Verzierungen, Außengestaltung, Proportionen zwischen architektonischen Elementen.

Und hier folgt im Test der Musterbauordnung ein Vermerk: „Gemeinden können weitere oder detaillierte Kriterien hinsichtlich der charakteristischen Bauweise bzw. der Ästhetik vor Ort festlegen.“

Dieser Punkt wird die künftigen Gemeindebauordnungen wohl am meisten voneinander unterscheiden: Jede Gemeinde kann beispielsweise, wie es weiter unten ausdrücklich heißt, bestimmte Dachformen (und Dachterrassen) vorschreiben oder verbieten. Zum Beispiel, wie bereits jetzt teilweise der Fall, Flach- oder Pultdächer.

Es gibt in der Musterbauordnung eine Art ästhetischen Mindestanspruch, letztlich liegt es aber an den gestalterischen Vorgaben der Gemeinde und deren Überprüfung durch die GKRL, wie sich die Architektur in Südtirol entwickeln kann.

Freies Ermessen hat der Gemeinde auch bei den Regeln zur Anbringung von Werbemitteln und Schildern, zum Einbau von Regenwasserspeichern und zu Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung und bei Reduzierungen für Erschließungsgebühren.

Ansonsten ist die Musterbauordnung äußerst detailliert, insbesondere in den vier Anhängen, die für Bauherren und Planer einige Überraschungen bringen werden (siehe eigenen Bericht).

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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