„Nicht ohne uns“
Der Dachverband für Soziales und Gesundheit hat am Freitag, 26. März 2021 seine Jahresvollversammlung in Form einer Videokonferenz abgehalten. Zugeschaltete Ehrengäste waren Landeshauptmann Arno Kompatscher, Soziallandesrätin Waltraud Deeg und Gesundheitslandesrat Thomas Widmann.
60 gemeinnützige Organisationen aus Südtirol bündeln im Dachverband für Soziales und Gesundheit ihre Kräfte. Zentrales Thema für alle war im vergangenen Jahr natürlich die Coronakrise und die Folgen.
„Diese tiefe Krise hat uns gezeigt, dass Zusammenhalt und Solidarität die Schlüssel sind, um die aktuellen Herausforderungen durchzustehen. Covid-19 hat Stärken unserer Gesellschaft aufgezeigt, aber auch Schwachstellen sehr deutlich gemacht. Daraus müssen wir lernen“, sagte der letzten Oktober neu gewählte Präsident Wolfgang Obwexer und erbetonte: „Südtirol ist ein hilfsbereites Land. Unzählige Freiwillige, das Land, die Behörden und gemeinnützige Organisationen haben durch ihren großen Einsatz Schlimmeres verhindert.“
Solidarität sei jedoch kein Selbstläufer, mahnte Obwexer: „Die Lautesten sind nicht die Bedürftigsten. Die Nöte der Schwachen müssen zuerst gesehen und solidarisch beantwortet werden.“
„Nichts über uns ohne uns“
Damit nicht nur die lauten, sondern alle Stimmen gleichwertig gehört werden, braucht es Beteiligung. „Das Inklusionsgesetz hat viele Wege vorgezeichnet und ist gutes Beispiel für gelungene Mitsprache. Bei den Durchführungsbestimmungen hakt es nun aber und auch die Budgets für die Umsetzung neuer Dienste für Menschen mit Behinderungen werden derzeit noch ohne Mitsprache geplant“, sagte Obwexer und er fordert: „Freiwilligenorganisationen und gemeinnützige Dienstleister müssen selbstverständlich mit am Tisch sitzen, wenn Forschung, Planung und öffentliche Haushalte zur Sprache kommen. Manchmal scheint es hingegen, als ob nur Wirtschaft, Tourismus und Handel ausschlaggebend für das Gemeinwohl wären.“
Auch im Gesundheitsbereich sei die Mitsprache noch auszubauen, sagte Dachverband-Vizepräsidentin Dorotea Postal. Der Dachverband wünsche sich hier einen Patientenbeirat auf Landesebene für Landtag und Landesregierung, sowie neue Formen des Dialogs von Patientenvertretungen mit Berufsgruppen und mit dem Sanitätsbetrieb, seinen Bezirken bzw. Fachdiensten.
„Es darf nicht mehr vorkommen, dass Gesetze, Durchführungsbestimmungen oder Pläne ohne vorausgehende Mitsprachemöglichkeit zur Abstimmung kommen. So geschehen etwa beim Fachplan für das landesweite Rehabilitationsnetz. Patienten haben hier klare Vorstellungen und Erwartungen. Sie sind aber vor der Verabschiedung des Fachplans nicht dazu befragt worden. Hier braucht es nun Nachbesserungen“, so Dorotea Postal.
Generell müssen chronisch Kranke besser begleitet werden, sagte Vorstands-Mitglied Rudi Schönhuber: „Ein Viertel der Südtiroler Bevölkerung leidet an einer oder an mehreren chronischen Erkrankungen. Nur mit einer maßgeblich ausgebauten und konsequenten Präventionsarbeit lässt sich der Anstieg der Zahlen einbremsen. Gesundheits- und Sozialdienste müssen unbedingt besser vernetzt und aus den Krankenhäusern wohnortsnah in das Territorium gebracht werden.“
Der Coronanotstand habe gerade auch Menschen mit einer seltenen oder einer chronischen Krankheit benachteiligt, weil viele Dienste reduziert wurden. Jetzt brauche es eine Nacharbeit, damit die indirekten Auswirkungen des Coronanotstandes erfasst und – wo möglich – Ausgleichs- bzw. Aufholleistungen erbracht werden können. Besonders auf psychisch kranke Menschen hat der Corona-Notstand schwer gelastet – und auch viele andere haben eine enorme psychische Belastung ertragen müssen. Zusammen mit den Betroffenenorganisationen und anderen Fachdiensten braucht es bereits jetzt und auch langfristig Programme und Hilfsangebote, um dem besser Rechnung tragen zu können.
Die Krise brachte auch positive Entwicklungen
Not macht erfinderisch. Virtuelle Konferenzen zeichnen sich als eine der Errungenschaften aus der Coronakrise ab. Online-Treffen für Vereine und Selbsthilfegruppen haben sich etabliert. Daraus ergeben sich neue Potentiale für den Austausch von Menschen aus allen Landesteilen, bzw. mit eingeschränkter Mobilität: Sie bieten auch künftig die Möglichkeit, viel intensiver, öfter und unkomplizierter in Austausch zu treten und gegenseitige Hilfe, Information und gemeinsames Arbeiten zu pflegen.
Endlich geht es auch in der Sozialplanung weiter. Damit geht eine lange Zeit des Stillstands zu Ende. Der Landessozialplan als zentraler Baustein einer umfassenden Gestaltung des Sozialwesens ist bereits seit 2009 abgelaufen. Nun ist die Ausarbeitung des neuen Landessozialplans wieder in einem breiten Beteiligungsprozess in Angriff genommen worden. Zudem wurde der Start einer kontinuierlichen und umfassenden Sozialforschung beschlossen, und der Freien Universität Bozen anvertraut.
Weiters soll nun für eine neue Partnerschaft gearbeitet werden: so soll eine aktive Teilhabe des Dritten Sektors zu Ko-Programmierung & -projektierung im Sinn des Kodex für den Dritten Sektor umgesetzt werden. Und durch Programmierung und Anwendung der EU-Strukturfonds und –programme sollen Sozialbudgets besser zugänglich gemacht und auch von kleineren Organisationen genutzt werden können.
Es sieht so aus, als würde uns die Pandemie weiterhin noch eine Weile beschäftigen. Umvorausschauend zu agieren und Weichen für die Zukunft zu stellen will der Dachverband-Ausschuss deshalb die Ausarbeitung eines Dreijahresprogramms aufnehmen und dazu am 10. April eine erste Klausur halten.
Dachverband für Soziales und Gesundheit EO
Der Dachverband und seine 60 Mitgliedsorganisationen stehen für eine große Palette von Themen, sie reichen von „A“ wie Alzheimer, über Behinderung, Krebs, Multiple Sklerose, Parkinson, Senioren, Obdachlosenbetreuung bis „Z“ wie Zöliakie. Die vielen Menschen, die sich im Dachverband und seinen Mitgliedsorganisationen engagieren, tun dies aus eigener Betroffenheit und Solidarität. Schließlich kann jeder Mensch plötzlich von Krankheit, Behinderung oder einer Notlage betroffen sein.
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