„Fragwürdiger Geschmack“
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen die Süd-Tiroler Freiheit wegen der umstrittenen Leichen-Plakate eingestellt.
von Artur Oberhofer
Im November 2019 hatte die Rechtspartei Fratelli d’Italia sogar ein Verbot der Süd-Tiroler Freiheit gefordert, weil die deutsche Rechtspartei „außerhalb des Verfassungsbogens“ stehe.
Der Stein des Anstoßes: Im November 2019 hatte die STF mit einem provokanten Plakat darauf hingewiesen, dass „der Mehrheitsbevölkerung in Südtirol der Gebrauch der Muttersprache im Sanitätswesen verweigert“ werde, damit gefährde man die Gesundheit der Patienten.
Auf dem Plakat waren die Füße einer Leiche zu sehen, darüber stand: „Der Arzt konnte kein Deutsch.“
Ausschlaggebend für die Wahl des Motivs war – so die STF damals – ein konkreter Fall im Südtiroler Gesundheitswesen, bei dem ein Patient angeblich falsch behandelt wurde, weil ein rein italienischsprachiger Arzt die deutsche Sprache des Patienten nicht verstand und dieser dem Arzt die Vorerkrankung nicht ausreichend schildern konnte.
Sven Knoll damals wörtlich:
„Dem Patienten wurden daraufhin falsche Medikamente verschrieben, die aufgrund der Vorerkrankung tödlich hätten enden können. Nur dank der Skepsis des Patienten, der sich vor Einnahme des Medikaments nochmals bei seinem Hausarzt erkundigte, ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelt, zeigen die unzähligen Landtagsanfragen der letzten Jahre zur Missachtung der Muttersprache im Gesundheitswesen.“
Die Staatsanwaltschaft hat jetzt die Einstellung des Verfahrens beantragt, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante mit.
Laut Bramante sei die „gestalterische Aufmachung des Plakats unter dem Aspekt der Mäßigung in der Ausdrucksweise als grenzwertig anzusehen“. Andererseits hätten die Beschuldigten stets erklärt, sie hätten mit dieser Kampagne auf das Problem der Nichteinhaltung der Zweisprachigkeit im Südtiroler Gesundheitswesen aufmerksam machen wollen und dazu absichtlich ein drastisches Bild gewählt. „Die Beschuldigten“, so schreibt der Leitende Oberstaatsanwalt, „haben mehrfach erklärt, mit der politischen Kampagne in keiner Weise die professionellen Fähigkeiten der Ärzte in Frage stellen zu wollen.“
Daher, so Bramante, müsse „die Tat entsprechend kontextualisiert werden“.
Die Staatsanwaltschaft sei jedenfalls zur Auffassung gelangt, dass das Plakat mit einer makabren („da keine Todesfälle bekannt sind, die auf eine fehlende Kenntnis der Sprache des Patienten zurückzuführen sind“) und zu Unrecht Alarmismus auslösenden Abbildung zwar von „fragwürdigem Geschmack“ und unangemessen sei.
Aber die Abbildung sei nicht darauf ausgerichtet gewesen, das Ansehen der Ärzte zu verletzen, so der Oberstaatsanwalt in seiner unüblich ausführlichen Aussendung. Die Beschuldigten hätten mit der „sehr provokatorischen Kampagne“ lediglich die Auslösung einer politischen Debatte bezweckt, so Bramante abschließend.
Daher sollten die Beschuldigten auch nicht wegen übler Nachrede belangt werden.
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Kommentare (5)
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noando
ich lese die überschrift und denke … denke an … stf und geschmack … ach ja
https://www.tageszeitung.it/2017/11/12/haben-andere-geschmacksnerven/
😀 😀
man stelle sich vor, welchen ärger man sich eintüten würde, wenn man behaupten würde: „eine frau hat andere geschmacksnerven“ – ich würd es mich nicht trauen solche fakenews zu posten 😉
blödsinn beiseite
das recht auf gebrauch der muttersprache ist wichtig – in beider hinsicht – deutsch UND italienisch. mehr kontrollen wären zu begrüßen. das plakat ist für mich aber reine provokation und einer politischen partei eigentlich nicht würdig – zu groß sind die interpretations-spielräume. aber das kennen wir ja …