Die Zukunft der Museen
Die dritte Ausgabe des Museion Bulletin fragt nach der Zukunft der Museen.
Ein öffentliches Museum ist wohl der letzte Ort, an dem man eine hitzige und erregte Debatte erwartet. Trotzdem ist eine fundamental kritische Betrachtungsweise Museen nicht fremd ̶ sei es innerhalb sei es von außerhalb der Institution. Mit den Entwicklungen der sozialen, kulturellen und politischen Landschaft verändert sich auch der Blick auf den öffentlichen Raum, was wiederum direkte Auswirkungen hat auf unsere Einschätzung öffentlicher Institutionen (z.B. der Museen).
Wir leben zweifellos in einer außerordentlich dynamischen Zeit. Selten hat der öffentliche Raum in so kurzer Zeit eine so tiefgreifende Veränderung erfahren wie heute. Die immer noch nicht eingedämmte Pandemie hat eine Anzahl von Schlüsselfragen in den Vordergrund gerückt, die wir bis dahin kollektiv übersehen haben, so etwa die Auswirkungen einer individualistischen Gesellschaft auf deren psychische Verfassung oder die ökonomische Abhängigkeit von globalen Handels- und Reisebewegungen. Wenn die Hälfte der gesamten Menschheit in ihre Häuser verbannt ist und Reiseeinschränkungen Fragen über die Zukunft und die Nachhaltigkeit des Tourismus aufwerfen, welche gemeinschaftlichen Werte soll dann ein öffentliches Museum vertreten? Sollen Museen weiterhin Orte des Sammelns und Ausstellens sein (und als solche schöne Etappen auf touristischen Pfaden) oder sollten sie eine Allianz suchen mit der weiteren Gesellschaft?
Die Antwort liegt für Museion irgendwo in der Mitte. Wir wollen mehr sein als die Summe unserer Ausstellungen und zugleich unserer Sammlung eine nachhaltige Zukunft sichern. Wir haben neue öffentliche Formate eingeführt wie Bulletin und Passage, die dazu beitragen, dass das Museum mehr auf die umgebende kulturelle Landschaft reagieren kann. Gleichzeitig wirken sie an der Entstehung eines internationalen, von Toleranz geprägten und attraktiven Bildes der Region mit.
In dieser Ausgabe des Bulletin gehen wir vom Werk des amerikanischen Künstlers Matt Mullican (1951, Santa Monica, CA) aus, um uns die Beziehung zwischen Kunst, öffentlichem Raum und Museum genauer anzusehen. 2001 fand ̶ noch im alten Gebäude des Museion – eine erste Ausstellung des Künstlers statt, die sich auch in die Stadt und auf ihre Fassaden ausdehnte. Diese Ausstellung stülpte das Museum von innen nach außen und bewies, dass die Rolle eines öffentlichen Museums sich nicht auf die architektonischen Grenzen seines Baus beschränkt muss, sondern auf die selbe Weise wahrgenommen werden kann, wie wir den öffentlichen Raum erfahren oder wie wir einer Gemeinschaft über die kollektive visuelle Erinnerung Form geben. Derzeit präsentieren wir die Installation 102 Signs for a Museum Fence, die Mullican fünf Jahre später, 2006, für den Bauzaun des Museion konzipiert hat.
Diese Installation hängt eng zusammen mit Fragestellungen, die mit der Rolle unseres Museums für moderne und zeitgenössische Kunst einhergehen. Die Installation ist Ausgangspunkt für die vorliegende Ausgabe des Bulletin. Wir haben Adele Maresca Compagna, die Vertreterin Italiens im International Council of Museion (ICOM) gefragt, wie ihrer Auffassung nach ein Museum heute aussehen sollte. Bei der ICOM-Konferenz von 2019 kam es zu einer Diskussion, da eine Anzahl liberaler Länder eine radikale Neudefinition des Museums vorschlug. Die Nachwirkungen dieser Diskussion sind heute noch festzustellen. Wir kontaktierten den Künstler Egeon und den Kulturverein Lungomare, um mit ihnen über ihre rezenten Erfahrungen mit dem öffentlichen Raum zu sprechen. Besonders möchte ich auf den Beitrag über Museion-Ink hinweisen. Diese Schreib-Werkstatt für Jugendliche nahm Mullicans Installation 102 Signs for a Museum Fence als Ausgangspunkt, um Erfahrungen der Gegenwart in Worte und Handlungen umzusetzen. Und nicht zuletzt: Die Kolleginnen von der Bibliothek und des Buch-Shops liefern wiederum fantastische Leseanregungen.
Ich danke allen aufrichtig, die an der Realisierung dieser Ausgabe des Bulletin mitgewirkt haben.
Bart van der Heide, Museion Direktor
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