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„Deutlich jüngere Patienten“

Marc Kaufmann

Seit Wochen sinken die Neuinfektionen in Südtirol, die Zahl der Intensivpatienten bleibt dagegen hoch. Covid-Einsatzleiter Marc Kaufmann erklärt, warum das so ist.

Tageszeitung: Herr Kaufmann, die Infektionszahlen in Südtirol gehen seit Wochen zurück, auf den Intensivstationen gibt es aber sogar mehr Patienten. Wie erklären Sie sich das?

Marc Kaufmann: Die Neuinfektionen, Krankenhausaufnahmen in den Normalstationen und letztlich – für einen kleinen Teil der Erkrankten – auf den Covid-Intensivstationen, laufen nicht zeitgleich und synchron ab. Es gibt immer eine gewisse zeitliche Verzögerung, das heißt, die Intensivbelegung hängt typischerweise etwas hinterher. Außerdem benötigen die Covid-Intensivpatienten häufig sehr viel Zeit um wieder gesund zu werden. Im Mittel sind es mehrere Wochen auf der Intensivstation und oft dann noch zusätzlich sehr lange Zeit auf den Reha-Abteilungen. Vieles muss wieder mühsam gelernt werden wie sprechen, schlucken, gehen usw.

Welche Rolle spielen die Mutationen dabei? Sorgen diese dafür, dass ein Patient länger intensivmedizinisch betreut werden muss?

Die Intensivpatienten sind aktuell im Schnitt deutlich jünger als in der ersten und zweiten Welle. Der Weg auf die Intensivstation ist oftmals sehr kurz, einige Patienten sind bereits kurz nach Aufnahme im Krankenhaus intensivpflichtig. Das heißt, sie müssen innerhalb weniger Stunden aufgrund der schweren Lungenfunktionsstörung intubiert und künstlich beatmet werden.  Viele der Patienten haben auch bereits in den ersten Tagen massivste, zum Teil irreversible entzündliche Veränderungen der Lungen. Wir gehen davon aus, dass die Varianten ursächlich für die meisten dieser neuen Facetten der Pandemie sind.

Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Intensivpatienten derzeit?

Zuletzt sehen wir zunehmend auch jüngere Patienten, viele zwischen 50 bis 60 Jahren, gelegentlich auch deutlich jünger. Einige wenige Intensivpatienten sind sogar um die 20 Jahre alt. Schwere Verläufe bei Kindern haben wir bei uns auf der Intensivstation bisher noch keine behandeln müssen, auch wenn sich die Berichte in den Nachbarländern darüber häufen.

Das Durchschnittsalter der Patienten auf den Intensivstationen ist also gesunken. Werden jüngere Patienten länger intensivmedizinisch behandelt?

Nein, das kann man so global nicht sagen und es ist auch noch zu früh für klare Aussagen diesbezüglich. Im Schnitt sind die Patienten drei bis vier Wochen bei uns auf der Intensivstation, einige sind aber auch viel länger dort.

Wann erwarten Sie eine Entlastung auf den Intensivstationen?

Wir haben momentan noch eine enorme Belastung mit 40 Covid-Intensivpatienten zu stemmen und es ist eine Wanderung auf einem schmalen Grad. Jeder Fehler in unserem sozialen Verhalten schlägt sich innerhalb kurzer Zeit wieder auf die Belegung der Intensivbetten zu Buche. Wir müssen gemeinsam die mit viel Anstrengung und Entbehrungen wiedergewonnene Stabilisierung der Pandemie in Südtirol verteidigen und versuchen Richtung Sommer mitzunehmen – auch weil wir eine weitere Welle aktuell gar nicht mehr aushalten würden. Die Infos, die uns aus dem norditalienischen Raum, aber auch aus anderen europäischen Ländern erreichen, versprechen nichts Gutes und sollten eine deutliche Warnung sein.

Wann wird es eine Entlastung durch die Corona-Schutzimpfung geben? Wie viel Prozent der Bevölkerung müssten dafür geimpft sein?

Ich hoffe sehr bald, idealerweise sollten wir versuchen den Sommer möglichst gut für das Impfen zu nützen, um spätestens im Herbst gut vorbereitet zu sein. Experten sprechen davon, dass zwei Drittel einer Bevölkerung immunisiert sein müssen, entweder durch Impfung oder durch durchgemachte Infektion, erst dann werden die Infektionsketten zuverlässig und dauerhaft unterbrochen. Das wäre dann das Ende der Covid-19 Pandemie.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (27)

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  • andreas

    Dem Kaufmann kann man auch nichts mehr glauben.

    Wobei mich interessieren würde, warum im Krankenhaus Bozen eine Covidabteilung geschlossen wurde und Stand gestern 126 Patienten in Privatkliniken untergebracht wurden, in den Krankenhäusern 135.
    In Deutschland, wo die meisten Privatkliniken sind, zahlt der Bund für einen Covidpatienten ca. 700 Euro am Tag, die Tagessätze in Südtirol werden nicht viel anders sein.
    Umgerechnet auf die Patienten in Privatkliniken in Südtirol wären das Euro 88.200 am Tag, im Monat ca. 2,65 Millionen Euro.

    Ist das jetzt eine indirekte Subvention der Privatkliniken, ein Gefälligkeitsdienst oder eine unvermeidbare Notwendigkeit?

    Der Umstand, dass Kaufmann zwar von 100 Intensivbetten sprach, bei einer Belegung von 45 + 20 die Sanität aber kurz vor dem Kollaps stand und auch, dass nicht das Alter und die Todesrate der Intensivpatienten publiziert wird, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei.
    Seine vagen Aussagen zum Alter, welche nicht überprüfbar sind, sind in dieser Form komplett unnütz und steigern wohl kaum die Akzeptanz für die Maßnahmen.

    • insider84

      Deutlich jüngere Patienten… aber wie alt wirklich, allgemein, auf intensiv oder verstorben, das sagt der Kaufmann nie.
      Weil die Bevölkerung schon längst nicht mehr mitspielen würde, wenn klar wäre, dass es unsere Zukunft für die Vergangenheit zerstört wird.

    • pantone

      Vermutlich sind in den Privatkliniken auch Leute, die von den Krankenhäusern dorthin überwiesen werden, um eine Rehabilitation zu erfahren. Es gibt ja genügend Leute, die auch nach einer Verbesserung der Erkrankung noch Betreuung benötigen.

  • criticus

    Herr Kaufmann, ich weiß nicht recht, was man euch noch glauben kann.
    Jedenfalls nach Ostern geht die Schule los und die ausländischen Landwirtschaftshelfer werden zu Tausenden kommen. Dann geht der Scheiß wieder von vorne los! Aber das ist ja gleich, die Landwirtschaft, die immer arbeiten durfte, kann sich viel mit billigen Arbeitern erlauben. Der Handel und die Gastronomie, die immer auf Sicherheit bedacht waren, zahlen den Preis. Wir müssen endlich lernen mit dem Virus zu leben.

  • waldhexe

    Alle Zahlen, die diese Massnahmen nicht rechtfertigen, werden sicher nie publiziert werden. Desshalb ist für mich der Sanitätsbetrieb keine sicher Quelle mehr.

  • waldhexe

    Mich würde brennend intressieren , wie war die Bettenauslastung im Grippe Winter 2017/18?
    Nur so zum Vergleich.

  • luis2

    Der Kaufmann soll in die Politik gehen, sodann ist alles glaubwürdig.

  • waldhexe

    Hier wir der ganze Saustall perfekt beschrieben.
    https://www.youtube.com/watch?v=TBr-0IGWQzg

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