„Auf jeden Fall weiterimpfen“

Reinhard Würzner
Reinhard Würzner, Professor für Mikrobiologie an der medizinischen Universität Innsbruck erklärt, was er von der Einstufung der EMA zum AstraZeneca-Impfstoff hält.
Tageszeitung: Herr Professor, die europäische Arzneimittelagentur EMA hat empfohlen, den AstraZeneca-Impfstoff weiterhin zu verwenden. Sollten die Staaten dieser Empfehlung nun folgen?
Reinhard Würzner: Ja, ich hoffe, dass nun entschieden wird, dass weitergeimpft wird. Vielleicht wird man sich auch entscheiden, dass man den Impfstoff nur für bestimmte Personengruppen zulässt. Es könnte also ein Agreement geben, dass man für die nächsten zwei bis drei Wochen, in denen die Ergebnisse genauer untersucht werden, den Impfstoff nicht für 20- bis 50-jährige verwendet. Es macht aber gar keinen Sinn, die Impfung für die 60-, 70-, oder 80-jährigen zu stoppen, weil diese sonst jetzt an Corona erkranken und sterben können. Wenn die Thrombose tatsächlich eine Nebenwirkung ist, dann wird es eine sehr seltene sein, die man in Kauf nehmen muss. Nichts gibt es umsonst.
Ob es einen Zusammenhang zwischen den Thrombose-Fällen und der Impfung gibt, wurde nicht geklärt. Ist es möglich, dass es sich um einen kausalen Zusammenhang handelt?
Ich finde, das ist durchaus möglich, aber es wäre dann in einem so geringen Maße, dass das wahrscheinlich zu vernachlässigen ist. Es kann also sein, dass dieser Impfstoff bei einigen ganz wenigen Personen tatsächlich Thrombosen auslöst. Man weiß, dass die bisherigen Personen, die diese Reaktion gezeigt haben, eine niedrige Blutplättchen-Anzahl hatten. Es könnte also sein, dass man diese vielleicht erst mal nicht impfen sollte, oder auch Personen, die die Anti-Babypille nehmen. Es kann also durchaus sein, dass es einige Situationen gibt, in denen eine Thrombose durch die Impfung eher ausgelöst wird. Das Gute ist, dass es eine lange und ausgiebige Phase-3-Studie gab, in der das nicht zu sehen war. Wenn es also eine Nebenwirkung ist, ist es eine ganz seltene.
Sie empfehlen also den Impfstoff bei älteren Personen weiter zu verwenden, auch weil das Risiko an Corona zu sterben, höher ist. Sollten auch jüngere Personen damit geimpft werden?
Ich würde das schon empfehlen, aber vielleicht meinen Experten aufgrund von Daten, die ich nicht einsehen kann, dass das Risiko für bestimmte Altersgruppen und insbesondere für junge Frauen zu hoch ist. Die jungen Leute sterben zwar auch an Corona, aber deutlich seltener. Dieses Vorgehen wäre für mich auch in Ordnung. Nur wenn die Staaten die AstraZeneca-Impfung aussetzen, würde mich das verwundern. Nach meiner Faktenlage würde ich auf jeden Fall weiterimpfen.
Lesen Sie das gesamte Interview (das vor der Bekanntgabe der EMA-Entscheidung geführt wurde) in der Freitags-Ausgabe der TAGESZEITUNG.
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