„Leck mich am A…“
In Corona-Zeiten sollten Abgeordnete auf die Hälfte und Beamte auf ein Viertel ihres Gehaltes verzichten: Warum Josef Unterholzner mit dieser Forderung komplett alleine dasteht.
Von Matthias Kofler
Eine hitzige Debatte ums liebe Geld konnte man im Landtag bestaunen. Josef Unterholzner (Enzian) forderte per Beschlussantrag, dass alle Landtagspolitiker für den Zeitraum des Lockdowns freiwillig auf 50 Prozent des Nettogehaltes verzichten sollen. Auch die öffentlichen Angestellten, die im Homeoffice arbeiten, sollen auf 25 Prozent ihres Lohnes verzichten. Das eingesparte Geld soll bedürftigen Familien und Personen zugewiesen werden, die wegen Corona ihre Arbeit und somit Ihr Einkommen verloren haben. „Politiker und Beamte erhalten am Monatsende weiterhin ihren Lohn. Öffentliche Gehälter werden jedoch nicht vom Staat, sondern von den in der freien Marktwirtschaft Tätigen erwirtschaftet“, begründete Unterholzner seinen Vorstoß. Politiker sollten daher mit gutem Beispiel vorangehen und damit auch ihr stark ramponiertes Image wieder ein wenig aufrichten. Das Geld könnte man ganz unbürokratisch an „Südtirol hilft” überweisen. Der Enzian-Politiker bedauerte, dass er von seinen Kollegen, denen er den Antrag bereits vor Wochen zugeschickt hatte, keine Rückmeldungen erhalten habe: „Noch nicht einmal ein ,Leck mich am Arsch‘.“
Aus den anschließenden Wortmeldungen konnte man auch verstehen, warum: Unterholzner stand mit seiner provokanten Forderung ganz allein auf weiter Flur. Einzig Diego Nicolini von der 5-Sterne-Bewegung befand, dass der Völlaner „den Finger in die Wunde gelegt“ habe: Er unterstütze das Anliegen zu den Politiker-Gehältern, schließlich verzichte er bereits seit Legislaturbeginn auf die Hälfte seines Lohns, erklärte Nicolini. Nicht einverstanden sei er aber mit einer Kürzung der Beamten-Gehälter: Viele davon hätten nur ein geringes Einkommen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) betonte, dass er selber entscheiden wolle, wem er sein Geld zur Verfügung stelle. Derzeit gebe er monatlich 2.500 Euro von seinem Gehalt ab, um zwei Personen ohne Einkommen zu unterstützen. Es gebe viele in der eigenen Umgebung, die derzeit Hilfe bräuchten.
Es wäre leicht, den Antrag zu zerpflücken, befand Grünen-Frontfrau Brigitte Foppa. Was Unterholzner vorgelegt habe, sei „nicht seriös“. Das Schlimme sei nicht der Teil zu den Politikern: Sie werde ihre Spenden nicht veröffentlichen, das sei nicht ihr Stil. Das Schlimme sei der Teil zu den öffentlich Bediensteten. Unterholzner gehe davon aus, dass diese keinen Wohlstand generierten, er spiele Arbeitnehmer aus dem privaten und öffentlichen Sektor gegeneinander aus. Jeder, der arbeite, trage zum Bruttosozialprodukt bei, unterstrich Foppa.
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) kritisierte die populistische Schlagseite des Antrags. Unterholzner sei zum „Kommunisten der schlimmsten Art” geworden. Er beleidige die öffentlich Bediensteten zur Freude jener, die voller Hass auf dem Platz demonstrierten. Unter den Smartworkern seien auch jene Lehrer, die den Unterricht aufrecht erhielten, darunter auch Frauen, die nebenbei ihre Kinder betreuen müssten.
Der Antrag wäre, wenn schon, an den Regionalrat zu richten, der für die Abgeordnetendiäten zuständig sei, bemerkte Oppositionsführer Paul Köllensperger. Die Abgeordneten des Team K verzichteten bereits auf einen Teil ihrer Entschädigung, zudem gebe es seit dem Artioli-Gesetz einen Fonds, in dem jeder Politiker freiwillig einzahlen könne.
„Es gibt viele Abgeordnete, die spenden, ohne das an die große Glocke zu hängen“, meinte auch Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber. Man sehe hier die schweren Schäden des grassierenden Populismus, giftete Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). Die öffentlich Bediensteten seien keine Privilegierten, es gebe keinen Grund, sie zu benachteiligen. Es sei kein guter Stil, über Spenden zu reden oder andere dazu zu zwingen – jeder mache das nach eigenen Möglichkeiten und Zielen, so Urzì.
Landtagspräsident Sepp Noggler bezeichnete den Antrag als undurchführbar, da er wörtlich von Freiwilligkeit spreche und nicht klar festlege, wer was zu tun habe. Unterholzner zog seinen Antrag daraufhin zurück, kündigte aber an, demnächst eine neue Version vorzulegen, die er von einem Rechtsanwalt ausarbeiten lasse.
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