„Brauchen ein Gesamtkonzept“
Am Sonntag schließt die Temporäre Tagesstätte für obdachlose Menschen im Pfarrheim Bozen. 47 Freiwillie haben zwei Monate lang 180 obdachlose Menschen aus 26 Herkunftsländern betreut.
Im vergangenen Winter war es eine nächtliche Schlafstätte für 50 Menschen, im heurigen Winter ist es eine Tagesstätte für 180 obdachlose Menschen: Nachdem sich im heurigen eisigen Jänner trotz Drucks verschiedener Vereine und Privatpersonen keine Lösung für obdachlose Menschen abzeichnete, sind Ludwig Thalheimer, Caroline von Hohenbühel, Paul Tschigg, Marion Maier, Maria Lobis und Rudi Nocker aktiv geworden. Sie haben mit Wolfram Nothdurfter vom Pfarrheim Bozen eine Vereinbarung getroffen: 14 Tage lang wollten die sechs Freiwilligen den großen Saal des Pfarrheims als Tagesstätte für obdachlose Menschen führen – in der Hoffnung, dass dann von öffentlicher Seite eine Alternative angeboten würde. Weil dem nicht so war, haben 47 Freiwillige aus den ursprünglichen zwei Wochen zwei Monate gemacht. Sie haben 180 obdachlosen Menschen aus 26 Herkunftsländern 58 Tage jeweils neun Stunden lang einen warmen Raum zur Verfügung gestellt. Sie haben zugehört, Tee und Kuchen verteilt, Sprachkurse angeboten, Curricula geschrieben, Arbeit gesucht. Am Sonntag, 14. März schließt die Tagesstätte: „Es darf keinen Winter mehr geben, in dem sich Stadt Bozen und Land Südtirol obdachlosen Menschen gegenüber so unverantwortlich verhalten“, unterstreichen die Freiwilligen der Tagesstätte und fordern ein Gesamtkonzept.
Die Gruppe um Ludwig Thalheimer und Caroline von Hohenbühel hat nach nur einem Gespräch mit dem Geschäftsführer des Bozner Pfarrheims Wolfram Nothdurfter und nach zwei Vorbereitungstagen den Saal im Pfarrheim Bozen am Samstag, 16. Jänner unter dem Dach des Vereins „Schutzhütte B1 Rifugio“ aufgesperrt. Coronabedingt ist im großen Saal Platz für 21 Menschen. Alle Menschen, die in der Notschlafstelle in der Messe Bozen untergebracht sind, und jene, die nach wie vor auf der Straße leben, sind seither zum Kommen eingeladen. Am 31. Jänner waren 79 Menschen in der Temporären Tagesstätte registriert, am heutigen Donnerstag, 11. März sind es 180 aus 26 Ländern. So viele Menschen leben derzeit entweder prekär untergebracht in der Messe Bozen (zwischen 80 und 90 Menschen und nur noch bis Ende März), in Abbruchhäusern rund um die Landeshauptstadt, in Zelten entlang des Eisacks, unter Brücken und unter der Autobahn.
47 Freiwillige haben in täglich zwei Turnussen jeweils zu zweit oder dritt ihr offenes Ohr, Tee und Süßigkeiten angeboten. Sie haben ungefähr 700 Liter Tee ausgeschenkt, 80 kg Kekse und Kuchen verteilt, dazu 30 kg Äpfel und Bananen und rund 10 kg Schokolade. Die bunte Zusammensetzung der ersten Freiwilligen der Tagesstätte hat schnell Kreise gezogen: Innerhalb kürzester Zeit haben sich Dutzende Personen für Tagdienste einteilen lassen, haben sich Angehörige und Freund*innen gemeldet und Kekse, Kuchen, Hygienematerial, Kleidung jeglicher Art, Decken und Schlafsäcke gebracht oder auch Suppe für alle gekocht. Betriebe haben neue Wäsche und Schuhe, Lebensmittel, Tee, Pizzen und Säfte gestiftet. Der VinziMarkt hat wöchentlich Kekse und Obst gebracht. Ludwig Thalheimer hat mit Maria Lobis ein Fotoprojekt initiiert, dafür alle Freiwilligen fotografiert und sie mit einer persönlichen Aussage an der Wand angebracht. Auf Facebook wurde täglich über den Verlauf in der Tagesstätte informiert. So war es möglich, Spender*innen zu gewinnen. Rund 3.000 Euro fallen an Kosten für die tägliche Reinigung des Saales und für kleinere Unterstützungsmaßnahmen für die obdachlosen Menschen an. Diese Summe konnte zur Gänze mit Spenden abgedeckt werden.
Die „wintervolunteers“, wie sich die Freiwilligen im Fotoprojekt auf ihrer Facebook-Seite (https://www.facebook.com/BuchBookLibro) nennen, fordern, dass sich die Landes- und Stadtpolitik noch im Frühling zusammensetzt und dabei auch ehrenamtliche Vereinigungen einbindet. Es brauche ein Gesamtkonzept, um das große Problem der Obdachlosigkeit in Bozen nachhaltig zu lösen. Denn der nächste Winter kommt bestimmt. Die Freiwilligen der Temporären Tagesstätte fordern mehrere kleine Einrichtungen im Zentrum der Landeshauptstadt, wo sich obdachlose Personen in einem menschenwürdigen und warmen Umfeld aufhalten können und bei Bedarf Unterstützung erhalten.
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