„Ich kann Arno verstehen“
Waltraud Deeg stärkt Arno Kompatscher im Streit um die Corona-Verschärfungen den Rücken. Sie verteidigt den Südtiroler Sonderweg – und wirft der Opposition Heuchelei vor.
Tageszeitung: Frau Deeg, die Landtagsopposition geht mit dem Krisenmanagement der Landesregierung hart ins Gericht. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?
Waltraud Deeg: Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Opposition, die Mehrheit herauszufordern. Doch Teile der Kritik waren derart verantwortungslos, dass man sie nicht so stehen lassen kann.
Wie meinen Sie das?
Wir befinden uns in einer schweren Zeit und haben noch schwierige Wochen vor uns. Die Menschen sind müde, weil sie viel durchmachen mussten. Sie haben das Recht auf eine halbwegs verlässliche Politik – dafür geben wir unser Bestes. Einige Vorwürfe haben deutlich gemacht, dass es der Opposition nicht darum geht, nach Wegen aus der Krise zu suchen, sondern darum, aus der schwierigen Situation politisches Kleingeld zu schlagen. Wenn etwa Paul Köllensperger behauptet, dass die Gastronomie die Zeche für SVP-interne Kriege zahlen müsse, dann ist das unfassbar. Er koppelt eine schwierige Entscheidung der Landesregierung an eine parteiinterne Auseinandersetzung, die nichts miteinander zu tun haben. Das ist Wahlkampf in Hochrisikozeiten!
Die SVP-Wirtschaft hatte den Rücktritt Helmuth Renzlers als Präsident des Gesetzgebungsausschusses gefordert …
Parteiinterne Dynamiken wie die zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerschaft braucht es in einer Sammelpartei. Dass da einmal ein Streit eskaliert, ist ganz normal. Wir werden uns mit Sepp Tschöll (dem Vorsitzenden der Wirtschaft, A.d.R.) zusammensetzen und Unstimmigkeiten ausräumen. Wir lassen uns bestimmt nicht von Verbänden treiben.
Stichwort: Verlässliche Politik. Die Landesregierung fährt seit Monaten einen Zickzackkurs. Oder täuscht der Eindruck?
Unsere Strategie fußt auf drei Säulen: Gesundheit, sozialpolitische Auswirkungen und wirtschaftliche Aspekte. Wir starten bei der Gesundheit, hören dort auf unsere Epidemiologen und Experten im Sanitätsbetrieb. Gleichzeitig gibt es auf wissenschaftlicher Ebene noch viele Fragezeichen, zum Beispiel ist unklar, ob Geimpfte das Virus weitertragen oder nicht. Auch bei den Mutationen gibt es Unklarheiten. Wir lernen jeden Tag dazu. Auch die Daten ändern sich täglich. Unter diesen Voraussetzungen ist Planbarkeit sehr schwierig. Europaweit bewegen sich die Regierungen auf unbekanntem Terrain. Unsere Verlässlichkeit liegt darin, dass wir an der Strategie festhalten, bei der das Testen das Maß aller Dinge ist.
Warum fährt Südtirol einen Sonderweg, wenn es von Rom und Brüssel rot eingestuft wird?
Wir wollen und können uns auf das verlassen, was uns Florian Zerzer und Thomas Widmann mitteilen. Den Sonderweg hat auch die Opposition gefordert – und er war die absolut richtige Entscheidung. Zwei Beispiele: Wir waren die einzige Region Italiens, die die Seniorenwohnheime im Juni aufgesperrt hat. Wären wir keinen Sonderweg gegangen, wären die alten Menschen bis November ohne Kontakte geblieben. Die Kitas sind in Südtirol seit dem 18. Mai – mit einer Woche Unterbrechung im November – geöffnet. Wir hatten dort so gut wie keine Infektionen. Ohne Sonderweg wären sie erst im September aufgegangen.
Die meisten Bürger können die Entscheidung, Bars und Restaurants wieder zuzusperren, nicht nachvollziehen. Was sagen Sie denen?
Ich kann nur das wiederholen, was der LH sehr gut erklärt hat. Erstens wollen wir den Dialog mit Rom fortsetzen, damit unsere Teststrategie in die Bewertungskriterien miteinfließt. Die Daten sind teils nicht vergleichbar und scheinbar auch steuerbar. Wir sind eine Region, die – ich zitiere Kollege Widmann – viel testet. Wenn auf einmal Trient weiß wird, nur weil es weniger testet, dann ist das nicht nachvollziehbar. In Österreich dauert die Quarantäne sieben Tage und man muss sich nicht freitesten lassen. Bei uns müssen auch Asymptomatische Tests durchführen, um die Quarantäne zu verlassen. Natürlich haben wir dadurch ganz andere Zahlen. Wir wollen die Positiven finden, dürfen deshalb aber nicht schlechter behandelt werden als andere. Arno Kompatscher hat uns erklärt, dass es für ihn als Unterzeichner der Verordnungen auch ein rechtliches Problem gibt. In der Lombardei ist Attilio Fontana mit Schadensersatzklagen konfrontiert, weil unklar ist, wer für die falsche Einstufung verantwortlich war. Ich kann den LH sehr gut verstehen, dass er dieses Risiko nicht eingehen. Dazu kommt der wirtschaftliche Aspekt: Die Betriebe könnten – egal ob die Einstufung als rote Zone nun richtig oder falsch war – den Zugang zu den Hilfsgeldern verlieren. Wenn die Opposition fordert, dass wir mehr Geld für Familien und Betriebe bereitstellen sollten, dann muss sie auch sagen, wo sie das Geld hernehmen will, ohne den Rahmen zu überschreiten. Ich habe klargestellt, dass Kürzungen im Sozialen und in der Bildung ein No-Go sind. Wenn wir genug Geld hätten, würde ich es sofort allen Unternehmern und Arbeitnehmern auszahlen. Doch leider ist das kein Wunschkonzert.
Interview: Matthias Kofler
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