Ideen für den Bahnhof
Studenten der Fakultät für Design haben Ideen für eine bessere Aufenthaltsqualität am Bozner Bahnhof entwickelt. Ein Gespräch mit dem Projektleiter Klaus Hackl.
Tageszeitung: Herr Hackl, wie läuft der Unterricht unter Pandemiebedingungen?
Klaus Hackl: Auf diese Frage muss ich etwas weiter ausholen. Der Beginn des Wintersemesters fand glücklicherweise ja noch als Präsenzunterricht in Bozen statt. Das gab uns die Möglichkeit gleich mit umfangreichen Feldstudien der Südtiroler „Eisenbahnlandschaft“ ins Projekt zu starten. Dafür haben wir alle Bahnhöfe vom Brenner bis nach Trient, von Mals bis Innichen sowie die Rittner Bahn bereist und uns ganz genau angeschaut. Die Möglichkeit ein Forschungsfeld persönlich in Augenschein zu nehmen, Reisende zu befragen, die Komplexität der Abläufe zu analysieren und den räumlichen Kontext vor Ort zu studieren ist kaum ersetzbar und wirft fast automatisch erste Fragestellungen und Probleme auf. Zudem agieren wir in einem Projekt, das sich mit der Aufenthaltsqualität an Bahnhöfen befasst, nie nur als Entwerfer sondern immer gleichzeitig auch als Bahnkunden mit eigenen Alltagserfahrungen. Viele Studierende pendeln und ich verbringe einen Großteil meines beruflichen Alltags sowieso in Zügen und an Bahnhöfen. Ungemein geholfen haben uns die Projektpartner, Dr. Waltraud Kofler-Engl von der Plattform für Kulturerbe und Kulturproduktion und Dr. Wittfrida Mitterer vom Kuratorium für Technische Kulturgüter, ohne deren kulturhistorische Expertise und institutionelle Vernetzung ein solches Projektvorhaben nur schwerlich zu realisieren gewesen wäre. Einen weiteren, wertvollen Perspektivwechsel brachte ein workshop mit der Meraner Künstlerin Carmen Müller, die sich über viele Jahre mit der zwischen 1991 und 2005 stillgelegten Vinschgerbahn beschäftigt hat. Mit Unterstützung des Vereins Freunde der Eisenbahn und Walter Weiss durften wir am alten Bahnhof Staben tagen, bevor wir pandemiebedingt in den Onlineunterricht wechseln mussten – nicht schlecht um die gesammelten Eindrücke zu verdauen.
Ihre StudentInnen haben Ideen für eine bessere Aufenthaltsqualität am Bozner Bahnhof entwickelt. Ist der Bahnhof so unfreundlich?
Wie schon beschrieben haben wir uns zunächst die historischen Schichten des Bahnhofs, die räumlichen Zusammenhänge und die existierende Ausstattung genau angeschaut um die Wechselwirkungen mit den Reisenden, Touristen und Pendlern besser zu verstehen. Wie ist denn eigentlich die Lichtqualität in den verschiedenen Bereichen des Bahnhofs, in der Unterführung zu den Bahnsteigen? Ist das Warten am Bahnsteig angenehm – wirklich auch zu jeder Tages- und Jahreszeit? Finde ich mich überall zurecht? Fühle ich mich am Bahnhof auch nachts, alleine wohl?
Miriam Pardeller hat ein SOS-System entworfen, das an den Säulen der Bahnsteige angebracht werden kann. Wie funktioniert HELPY?
Helpy ist eine Weiterentwicklung der Notrufsäule. Miriam hat das Gehäuse auf ein Minimum reduziert, sensorisch jedoch auf den neuesten Stand der Technik – inklusive Spracherkennung – gebracht.
Katharina Ennemoser, Nensi Danfa und Giovanni Gonzo haben modulare Sitzsysteme entwickelt. Auch hier die Frage: Sind die Sitzgelegenheiten am Bahnhof schlecht?
Die Aufenthaltsqualität am Bahnhof unserer Provinzhauptstadt ist insgesamt nicht wirklich überzeugend. Das stellt jeder sofort fest, der im Winter oder bei Nacht auf den Anschlusszug wartet. Die existierenden Warteräume sind abgesperrt, die Sitzbänke unergonomisch, die Pflanzkübel mehr Mülleimer. Alle diese Probleme haben die Studierenden recht schnell verstanden und bieten Möblierungsvorschläge um die Aufenthaltsqualität bei Wind, Wetter- und Lärm deutlich zu verbessern.
Von Claudia Martinelli stammt ein neues Beleuchtungssystem. Was bringt es für Vorteile?
Claudia hat sich intensiv mit den Möglichkeiten zur Verbesserung der Lichtqualität im Treppenbereich der Bahnsteigunterführung beschäftigt. Sie hat ein System aus Wandkacheln und Wandleuchten entwickelt, das Tageslicht in den Untergrund hinein reflektiert und Nachts die Stufen ausleuchtet.
Stefanie Andergassen hat einen diebstahlsicheren Fahrradparkplatz designet. Dafür wären alle dankbar.
Stefanie Andergassen´s Konzept ist wirklich interessant. Es ist kein weiterer Fahrradverleih für Touristen, davon haben wir jetzt schon genug. Vielmehr ist PEDALOCK, wie Sie schon richtig sagen, ein Fahrradparkplatz mit einer Serviceleistung, die Jedermann ein diebstahlsicheres Schloss für das eigene Fahrrad anbietet. Finanzierung und Zugang zum System erfolgt über einen dem Bahnticket aufgedruckten QR-Code. Entscheidend wird es sein, Kooperationspartner wie die öffentlichen Verkehrsbetriebe, die Bahnhofsbetreibern, die Gemeinde Bozen oder die Privatwirtschaft ins Boot zu holen.
Jonas D. Reissinger hat sich einen Abfallkübel mit integrierter Mülltrennung ausgedacht. Gibt es das nicht schon?
Jonas wollte weder den Mülleimer noch die Mülltrennung neu erfinden. Stattdessen war er zunächst erschrocken über die derzeitige Situation mit drei unterschiedlichen Behältertypen auf den Bahnsteigen und hat sich dann intensiv mit der Arbeit der Serviceteams, die sich um die Sauberkeit und die Leerung der Müllcontainer bemühen, beschäftigt. Dabei ist ihm eine Lösung gelungen die Papier-, Plastik-, Zigaretten- und Restmüll in einem schlanken Korpus integriert, auf „Nutzerhöhe“ anhebt und zudem noch die Wartungsabläufe optimiert.
Wie funktioniert das Leitsystem von Judith Prugger?
Judith´s Entwurf besteht aus mehreren Verbesserungsvorschlägen für das existierende Beschilderungs- und Orientierungssystem von Massimo Vignelli, sowie aus einem Infosystem, das Hintergrundwissen zu unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten im und um den Bahnhof Bozen vermittelt.
Asia Maria Andreolli hat einen bogenförmigen Durchgang im Bahnhofspark entworfen, der auf das Fehlen eines Zentrums für das immaterielle Kulturerbe der Stadt und der Provinz hinweisen soll. Was genau ist damit gemeint?
Asia´s Projekt bezieht sich auf einen historischen Topos nach dem Bahnhöfe die Tore zur Stadt sind. Als solche stellen sie Brücken zwischen Räumen und Zeiten dar. So verweist der Projektname Ponte auf ein Informationsangebot, das versucht unsichtbares Kulturerbe sichtbar zu machen, die Vielschichtigkeit unterschiedlicher Sprachgruppen in Südtirol zu repräsentieren, verweist auf Sichtachsen oder touristische Sehenswürdigkeiten aber auch auf alltägliche Orte in und um Bozen.
Die StudentInnen haben ihre Projekte in einem schönen Video vorgestellt. Wie geht es jetzt weiter mit den Ideen?
Ich hoffe, es gelingt uns das Interesse der Verantwortlichen zu wecken, um den einen oder anderen Vorschlag auf seine Tauglichkeit im Alltag zu testen.
Interview: Heinrich Schwazer
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