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Die Impf-Fragen

Bernd Gänsbacher

Immer mehr Menschen bekommen die Corona-Impfung und wollen sich deshalb darüber informieren. Der Immunologe Bernd Gänsbacher antwortet auf die wichtigsten Fragen.

Tageszeitung: Herr Professor, wie lange dauert es, bis sich die breite Mehrheit der Bürger gegen das Coronavirus impfen lassen kann?

Bernd Gänsbacher: Ich bin kein Wahrsager, deshalb kann ich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Aber es können mehr Menschen geimpft werden, je mehr Impfstoffe zugelassen werden. Pfizer und Moderna haben angekündigt, eine Milliarde Impfdosen innerhalb 2021 produzieren zu können. Die nächsten Impfstoffe, die in diesem Jahr von der EMA zugelassen werden, stammen von den Firmen Astra Zeneca, Curevac und Johnson&Johnson. Stand heute wurden bereits 36 Millionen Personen geimpft. Spitzenreiter sind Israel, Arabische Emirate, USA und China.

Wie viele Impfstoffe wird es bis März in Italien geben?

In Italien gibt es zur Zeit nur die zwei mRNA Impfstoffe von Moderna und Pfizer. Weltweit wurden bisher acht Impfstoffe zugelassen, nämlich von Pfizer, Moderna, den russischen Vektorimpfstoff Sputnik, und neben AstraZeneca, der ebenfalls ein Vektorimpfstoff ist, gibt es noch zwei chinesische und zwei indische Impfstoffe.

Inwiefern unterscheiden sich die unterschiedlichen Impfstoffe?

Die beiden bisher zugelassenen Impfstoffe sind mRNA-Impfstoffe, während beispielsweise der russische Impfstoff oder die Impfstoffe von AstraZeneca oder Johnson & Johnson Vektorimpfstoffe sind. Die Chinesen und die Inder verwenden ein inaktiviertes Coronavirus als Impfstoff.

Welcher dieser Impfstoffe ist vielversprechender?

Es geht nicht darum, welcher Impfstoff vielversprechender ist, sondern dass so viele Menschen wie möglich schnell geimpft werden. Der Impfstoff von BioNtech und Pfizer hatte einen Impfschutz von 95 Prozent, recht viel mehr geht nicht. Jener von AstraZeneca 72 Prozent, also ist der mRNA-Impfstoff wahrscheinlich besser. Über die chinesischen, indischen und russischen Daten weiß man nur wenig.

Bei Moderna – nach 28 Tagen – und Pfizer – nach 21 Tagen – erhält man zwei Impfdosen. Ist das auch bei den Vektor-Impfstoffen so?

Nein, das ist nicht bei allen so. Bei einigen Impfstoffen wird wahrscheinlich eine Injektion reichen. Bei AstraZeneca ist eine zweite Impfung nach längerer Zeit notwendig, sie haben aber auch in einer kleineren Gruppe Daten mit nur einer einzigen Dosis generiert. Bei Johnson & Johnson ist dagegen nur eine Injektion notwendig, sie haben aber ebenfalls eine Gruppe mit zwei Dosen injiziert. Da diese beiden Firmen noch keine EMA Zulassung haben, kennt man diese Daten nicht im Detail. Wenn Sie aber gute Daten in allen Gruppen liefern, kann man über eine Eimalinjektion nachdenken. Beide Firmen haben den Vorteil, dass ihr Produkt billig – circa drei Euro – ist und nicht eine Kühlkette braucht wie die beiden mRNA Impfstoffe.

Welche Nebenwirkungen sind bei den bisher 36 Millionen geimpften Menschen aufgetreten?

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass es kein Medikament ohne Nebenwirkungen gibt. Deshalb ist es nur logisch, dass es auch bei der Impfung zu Nebenwirkungen kommt. Man muss unterscheiden zwischen den lokalen und den systemischen Nebenwirkungen. Bei der Pfizer und Moderna waren die Nebenwirkungen sehr ähnlich, bei rund 50 bis 60 Prozent löst der Impfstoff Schwellung, Rötung und Schmerzen an der Injektionsstelle aus, bei einigen auch Lymphknotenschwellung. Andere Probleme sind Fieber, Müdigkeit, Muskelschmerzen oder Gelenksschmerzen, diese treten bei zehn bis 20 Prozent der Geimpften auf. Zu den schwerwiegenderen Nebenwirkungen zählen die anaphylaktischen Reaktionen und die Gesichtsnervenlähmung. Es gab vier Facialisparesen in der Impfgruppe.  Am gefährlichsten sind die anaphylaktischen Reaktionen, die sind bislang bei 21 Personen aufgetreten sind. Die Inzidenz weist eine Häufigkeit von einer Anaphylaxis in 100.000 Geimpften auf. Wenn man das mit ähnlichen Reaktionen bei allen anderen vorhandenen Impfstoffen vergleicht, dann sieht man, dass die Impfungen in der Vergangenheit eine Wahrscheinlichkeit einer anaphylaktischen Reaktion von eins in einer Million Geimpften hatten. Also eine solche allergische Reaktion tritt äußerst selten auf. Würde man zum Beispiel einer Million Menschen Antibiotika injizieren, käme man auf eine weit höhere Anzahl von schwerwiegenden allergischen Reaktionen.

Bei welchen Menschen kann eine allergische Reaktion ausgelöst werden?

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen den IgE-induzierten Allergien und den Nicht-IgE Allergien. Die wenigsten Allergieformen fallen in die erstgenannte Gruppe. Hier ist die Reaktion charakterisiert durch eine von IgE induzierten Freisetzung von Histamin und anderen Botenstoffen aus Mastzellen. In diese Gruppe fallen dann auch jene Personen, die eine Anaphylaxis bekommen könnten. Wer immer in der Vergangenheit eine anaphylaktische Reaktion hatte, sollte sich nicht impfen lassen.

Die Impfung wird aber auch Kindern, Schwangeren und Stillenden nicht empfohlen. Der Impfstoff gilt aber gemeinhin als sicher. Warum dann diese Ausnahme?

EMA und FDA lassen nur das zu, wofür es auch Daten und damit Beweise gibt. Da Pfizer und Moderna keine Kinder, keine Schwangeren und keine Stillenden in ihren Studien geimpft haben gibt es dafür keine Daten. Da es keine Daten gibt dürfen diese Personen auch nicht geimpft werden. Das heißt aber keinesfalls, dass dieser Impfstoff für Schwangere oder Kinder in irgendeiner Form gefährlich ist. Man weiß einfach nichts darüber.

Trotz der Impfung muss man sich immer noch an die Regeln halten. Warum?

Die klinische Studie von Biontech und Pfizer wurde mit 44.000 Personen gemacht. Die Hälfte davon erhielt die Impfung, die andere Hälfte erhielt ein Placebo. Wenn man dann in beiden Gruppen die Anzahl von Coronavirus-Infektionen vergleicht, weiß man, ob die Impfung etwas nützt. Bei insgesamt acht Personen der Impfgruppe und bei 162 Personen in der Kontrollgruppe wurde eine symptomatische Infektion festgestellt. Geschützt ist man also nur – und das zeigte die klinische Studie – vor einer symptomatischen und schweren Infektion. Wie viele asymptomatische Infektionen in der Impfgruppe waren, weiß man nicht. Deshalb muss man sich weiter an die AHA Regeln halten, auch wenn man geimpft ist.

Wo können sich Bürger zuverlässig über Impfstoffe informieren?

Am einfachsten kann man sich bei der Sanitätseinheit Bozen informieren. Das ist auch deren Aufgabe.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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