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Der Impf-Sonderweg

Die Landesregierung weicht vom staatlichen Protokoll ab und lässt nun auch die Über-80-Jährigen und die Hochrisikogruppen gegen Corona impfen. Die Lega will mit „Privilegien“ für Geimpfte die Impfbereitschaft steigern.

Von Matthias Kofler

Bei den Corona-Impfungen hinkt Südtirol noch weit hinterher: Bislang wurden in der Autonomen Provinz erst 44 Prozent der 23.545 staatlich zur Verfügung gestellten Impfstoffe verimpft – damit ist Südtirol italienisches Schlusslicht. Die Landesregierung hat gestern auf den – so Thomas Widmann wörtlich – „nicht optimalen und holprigen Start“ reagiert. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Ende dieser Woche mindestens 60 Prozent der Impfdosen zu verimpfen“, erklärt der Sanitätslandesrat. Zudem weiche das Land ab sofort vom staatlichen Protokoll ab und impfe auch die Über-80-Jährigen und die Hochrisikogruppen (zum Beispiel chronisch Kranke). Bislang hatten nur das Sanitäts- und Pflegepersonal sowie die BewohnerInnen von Altenheimen die Möglichkeit, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Es macht doch keinen Sinn, sich auf diese Gruppen zu beschränken, wenn es dort eine geringe Impfbereitschaft gibt. Statt die Impfdosen zu horten, wollen wir auch andere Gruppen impfen, die irgendwann sowieso drangekommen wären“, so Widmann. Die Impfungen sollen gemeinsam mit den Hausärzten organisiert werden. Die Berechtigten werden direkt vom Hausarzt kontaktiert.

Die geringe Impfbereitschaft beim Sanitäts- und Pflegepersonal (nur knapp die Hälfte wollen sich impfen lassen) kann der Sanitätslandesrat nicht nachvollziehen: „In einer prekären Situation, wie wir sie derzeit haben, wäre es ethisch richtig, sich so auszustatten, dass man die PatientInnen schützt.“ Rechtlich habe man aber keine Möglichkeit, jemanden zur Impfung zu verpflichten.

Die Lega, Koalitionspartner der SVP in der Landesregierung, spricht sich dafür aus, die Impfquote mithilfe von „Sonderrechten“ zu steigern. In Deutschland wird in Erwägung gezogen, Bars, Restaurants und Kinos für Geimpfte früher zu öffnen. „Wir müssen diese Krankheit so schnell wie möglich ausrotten“, betont Landesrat Massimo Bessone. Viele hätten auf den Impfstoff gehofft und über Verzögerungen geklagt. „Jetzt, wo wir endlich einen Hoffnungsschimmer haben, wollen sich viele nicht mehr impfen lassen“, so Bessone. Er könne zwar die Ängste und die Vorbehalte gegenüber den Pharmaunternehmen verstehen. „Doch wenn sich niemand impfen lässt, werden wir wirtschaftlich und physisch ,mit einer Maske im Gesicht‘ sterben.“

Bessone appelliert an die Bevölkerung, Reife und Verantwortung zu zeigen. Es gehe darum, die schwachen Kategorien und die älteren Menschen zu schützen. „Wir dürfen niemanden mit Gewalt impfen. Es wäre aber richtig, all denjenigen, die diesen Akt der Verantwortung leisten, mehr Freiheiten und Möglichkeiten zu geben. Denn wir wollen wieder frei sein“, so der Lega-Landesrat.

Indes regiert die Landesregierung auf den von der Opposition geäußerten Verdacht, den Impfstart verschlafen zu haben. Landesrat Widmann kündigte gestern eine Aufklärungskampagne zum Impfen an. „Vor sechs Monaten haben wir noch nicht gewusst, dass jetzt ein Impfstoff kommt, vor drei Wochen haben wir den Beipackzettel noch nicht gekannt“, begründet der SVP-Politiker den verspäteten Start der Kampagne.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (36)

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  • andreas

    „In einer prekären Situation, wie wir sie derzeit haben, wäre es ethisch richtig, sich so auszustatten, dass man die PatientInnen schützt.“

    Gerade mit solchen Aussagen, macht sich die Südtiroler Politik und vor allem die Sanität unglaubwürdig bzw. lächerlich.
    Mittlerweile sollte es auch Widmann zu Ohren gekommen sein, dass die Impfung vorn Biontech und Moderna nicht vor Ansteckung und Übertragung schützen. Sie dienen rein dazu, dass der Krankheitsverlauf nicht zu heftig verläuft.
    Auch waren viele in der Sanität schon infiziert und sollten für ein paar Monate Anitikörper haben, eine Impfung schützt nicht viel anderes.

    Auch frage ich mich warum Bessone annimmt, dass außer vielleicht seine Verwandten, auf ihn hören sollten.

    • criticus

      @andreas
      Gut kommentiert! Wie will der Lega-Politiker die Nichtgeimpften sichtbar machen. Hoffentlich nicht irgendein Stern auf der Jacke? Eine Bitte an die RAI-Südtirol, könnte man nicht zu Fasching das vor einem Jahr ausgestrahlte Interview in der Tagesschau mit Dr.in Elke Maria Erne (Primarin der Abteilung für Infektionskrankheiten) wiederholen? Frau Erne antwortete damals auf die Zustände in China: „es ist aber unwahrscheinlich, dass Südtirol durch diesem Virus in Gefahr ist“. Guate Nocht, hab ich mir damals gedacht!!

  • sorgenfrei

    Ich finde es schon befremdend, dass ausgerechnet dass sanitätspersonal, dass sich sobeschwert hat, wie es der gefahr ausgesetzt sei, und u.a. auch deshalb eine prämie verlangt hat (und diese aufgrund seiner wertvollen arbeit um frühling durchaus auch verdient), sich jetzt als impfmuffel hervortut. Damit hat es bei mir einiges an vertrauensvorschuss verspielt… alle getroffenen maßnahmen wurden ja zur entlastung der krankenhäuser getroffen und ausgerechnet die weigern sich jetzt, an einer aktiven lösung beizutragen…. ich wäre bereit, mich impfen zu lassen, wenn ich nur dürfte….

  • gorgo

    Ich finde es falsch, dass die angebliche Impfunwilligkeit des Sanitätspersonals so breit getreten wird. Das verunsichert viele.
    Bei den Ärzten und Bewohnern der Altersheimen scheint die Impfrate wiederum sehr hoch. Anscheinend wollen letztere nicht nur Besuch und dann sterben, wie sich viele seit Beginn der Pandemie einreden wollen.
    Gibt es eigentlich schon Listen, wo man sich vormerken kann, auch wenn unter 80ig?
    Hat ja nicht jeder Lust bzw. Zeit und Geld für einen Krankheit die womöglich Wochen und Monate zur Wiederherstellung braucht.

  • kritiker

    obwohl man noch nicht genau weiss, ob die Impfung auch die Infektion und eventuelle Infektiosität verhindert wissen hier einige schon mehr als durch Studien belegt ist. Selbst erklärte Experten in Virologie. Wie immer gescheite Gschaftlhuber

  • tirolersepp

    Widmann die Aufklärungskampagne hast du verschlafen – es ist jedoch noch nicht zu spät – Impfen auf breiter Fläche ist angesagt !!!

  • kritiker

    leider Chaos pur. hochbezahlte Chaoten, die Impforganisation dilettantisch betreiben.

  • pingoballino1955

    Und kein Mench wird in Südtirol informiert,dass Astra-Zeneca schon seit Dezember 2019 intensiv nach einem MEDIKAMENT (Plus Impfung ok)forscht um bereits angesteckte schwerwiegende Fälle von Covid 19 vom Tod zu beschützen und zu heilen! (MDR.de) Vor 15 Stunden kam die Meldung,es wird ein Medikament von Astra Zeneca ???? in spätestens 6 Monaten bereitsein um schwerwiegende Corona Pazienten,die bereits angesteckt sind zu retten.Glaube nicht dass sich so ein Pharmakonzern eine „Fakemeldung“ diesbezüglich leisten kann,da sie in vielen Ländern (in anderen bereits genehmigt)noch kur vor der Genehmigung ihres Impfstoffes sind.

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