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Muss Conte gehen?

Giuseppe Conte und Julia Unterberger (Archivbild)

In Rom entscheidet sich heute das Schicksal von Giuseppe Conte. Wird der Ministerpräsident von seinem Widersacher Matteo Renzi „verräumt“ – oder darf er (mit neuer Mannschaft) weitermachen?

Von Matthias Kofler

Am heutigen Dienstag richten sich die gespannten Blicke nach Rom, wo sich das Schicksal von Ministerpräsident Giuseppe Conte entscheidet. Im brodelnden Streit um die Verwendung milliardenschwerer EU-Hilfen spitzte sich die Regierungskrise in Italien zuletzt immer weiter zu. „Conte soll keine rhetorischen Posts auf Facebook verbreiten, sondern Tatsachen schaffen“, giftet Italia-Viva-Chef Matteo Renzi, der größte Widersacher des Premiers innerhalb der Regierungsmehrheit. Renzi, der von 2014 bis 2016 selbst italienischer Regierungschef war, droht damit, die Koalition mit 5 Sternen, PD und LEU platzen zu lassen, wenn nicht mehr Gelder in innovative Projekte und in den Gesundheitssektor fließen. „Renzi will Conte unbedingt verräumen, weil er neidisch auf dessen Beliebtheitswerte ist“, meint SVP-Senatorin Julia Unterberger.

Drohen Italien also Neuwahlen, ausgerechnet in der schwersten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg? Politische Insider gehen nicht davon aus. Sie rechnen damit, dass sich die Mehrheitsparteien noch einmal zusammenraufen werden. Auch Unterberger hat die Hoffnung auf einen Verbleib Contes nicht aufgegeben: „Renzis Mitstreiter wollen weitermachen, weil sie wissen, dass sie bei Neuwahlen ihren Sitz im Parlament räumen müssten. Ich hoffe, dass sie ihren Chef zur Vernunft bringen können“, so die Fraktionssprecherin der Autonomiegruppe. Ähnlich sieht es Renate Gebhard, SVP-Fraktionschefin in der Abgeordnetenkammer: „Aus der heutigen Sicht schließe ich Neuwahlen aus, weil mit dem derzeitigem Wahlgesetz Mittrechts gewinnen würde. Die aktuelle Mehrheit will den künftigen Staatspräsidenten bestimmen und sich auch nicht die Gelegenheit nehmen lassen, die 209 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund zu verteilen.“ Gebhard spricht von einer „gesteuerten Krise“, deren Verursacher Matteo Renzi heiße. Doch weder Italia Viva, das in den Umfragen bei unter drei Prozent stagniere, noch die Fünf-Sterne-Bewegung hätten Interesse an einem vorzeitigem Urnengang: „Der Zuspruch für die Fünf Sterne hat sich laut Umfragen halbiert. Aufgrund der Verkleinerung des Parlaments blieben nur noch ein Viertel der Grillini übrig“, prophezeit Gebhard.

Conte könnte mithilfe einer Regierungsumbildung noch einmal den Kopf aus der Schlinge ziehen. Im Parlament rechnen viele bereits mit einem „Conte ter“. Maria Elena Boschi, Fraktionschefin von IV und Renzis engste Verbündete, werden die größten Chancen auf einen Kabinettsposten eingeräumt. Sie könnte neue Verteidigungsministerin werden. „Renzi pokert deshalb so hoch, weil er davon ausgeht, dass es nicht zu Neuwahlen kommt“, meint SVP-Politikerin Gebhard. Der Ex-Premier träume von einer Regierung ohne Conte, mit anderen Parteien – zum Beispiel Silvio Berlusconis Forza Italia – und unter der Führung von Ex-EZB-Präsident Mario Draghi. In jedem Fall wolle er, Renzi, in einer neuen Regierung mehr Sichtbarkeit bekommen, um für Neuwahlen besser gerüstet zu sein, so Gebhard.

Die Anzeichen verdichten sich, dass Conte in Kürze Staatspräsident Sergio Mattarella aufsuchen könnte, um diesem seine neue Mann- und Frauschaft zu präsentieren. Diese könnte schon in der kommenden Woche vom Parlament gutgeheißen werden. Im Gegenzug würde sich Italia Viva wohl bereit erklären, für den Recovery Plan zu stimmen.

Die SVP sieht in einer Ministerin Boschi einen Gewinn für Südtirol. „Wir kennen Maria Elena gut. Sie wurde in Südtirol gewählt und wäre eine direkte Ansprechpartnerin für uns“, sagt Julia Unterberger. Allerdings gab es zwischen der SVP-Senatorin und der Ex-Unterstaatssekretärin zuletzt Funkstille, weil Unterberger das Verhalten von IV als „verantwortungslos“ bezeichnet hatte. Die SVP könne bei einer neuen Parlamentsmehrheit erneut zum „Zünglein an der Waage“ werden, sagt Renate Gebhard. Denn: „Je knapper die Verhältnisse, desto besser für uns.“ Dass Giuseppe Conte in den nächsten Monaten ruhig weiterarbeiten kann, bezweifelt die Kammerabgeordnete aber: „Er hat keine Hausmacht und ist immer darauf angewiesen, dass eine der Mehrheitsparteien hinter ihm steht. Das ist eine der großen Schwierigkeiten in dieser Krise.“

 

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