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Riskanter Sonderweg

Trotz steigender Infektionszahlen bestreitet die Landesregierung bei den Öffnungen erneut einen Sonderweg – und stellt für Ende Januar den nächsten Lockdown in Aussicht.

Von Matthias Kofler

Senatorin Julia Unterberger bezeichnet den Zickzackkurs der Landesregierung vornehm als „Stop-and-Go“-Politik: Man müsse immer wieder bremsen, um dann wieder aufmachen zu können.

Nach dem zweiwöchigen Weihnachts-Lockdown ist am Donnerstag wieder einmal das Aufmachen an der Reihe. Das Kabinett von Landeshauptmann Arno Kompatscher hatte sich in einer Sondersitzung am Montagabend auf die Inhalte einer neuen Verordnung verständigt. Die Stimmung in der Sitzung war harmonisch wie nie. Die Landesräte waren sich rasch einig, dass Südtirol in Sachen Corona-Regeln nicht auf Rom warten, sondern erneut einen Sonderweg einschlagen sollte. Die neue Verordnung sieht vor, dass die Oberschulen bis zu 75 Prozent Präsenzunterricht anbieten. Die Bars dürfen wieder bis 18 Uhr offenhalten, die Restaurants sogar bis 22 Uhr, sollte eine Reservierung vorliegen. An den Tischen dürfen bis zu vier haushaltsfremde Personen sitzen. Auch die Geschäfte dürfen heute wieder aufsperren. Friseure und Schönheitspfleger können wie bisher weiterarbeiten. Die Fitnessstudios hingegen bleiben geschlossen, die Turnhallen dürfen nur für Individualsport genutzt werden. Zur Öffnung der Skipisten kommt es erst am 18. Januar. Ab dann dürfen auch die Skihütten wieder bis 16 Uhr Gäste empfangen. Fahrten in andere Regionen sind ab dem 15. Januar möglich.

Während Deutschland und Österreich den nationalen Lockdown verlängern, sperrt Südtirol also wieder auf. Und dies trotz einer schlechteren Ausgangslage. Die Landesregierung verweist zwar auf den niedrigen RT-Wert von 0,76, der Südtirol die Einstufung in die gelbe Zone ermögliche. Das neue staatliche Ampelsystem sieht erst ab einem Wert von 1 den Wechsel in die orange und ab 1,25 den Wechsel in die rote Zone vor. Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 200 befindet sich die Autonome Provinz jedoch weiterhin im italienischen Spitzenfeld. Bei den Neuinfektionen verzeichnet Südtirol im Vergleich zur Vorwoche staatsweit sogar den höchsten Anstieg – das Plus beträgt 67 Prozent. Auch der Druck auf die Spitäler nimmt kontinuierlich zu.

Vor diesem Hintergrund sind die Öffnungen ein gewagter Schritt. Die Landesregierung glaubt, dass der gesellschaftspolitische und ökologische Schaden noch weitaus größer wäre, wenn man weiter zulassen würde. „Die beste Regel nützt nichts, wenn sie nicht eingehalten wird“, erklärt Sanitätslandesrat Thomas Widmann. Er bezeichnet den Kampf gegen das Coronavirus daher auch als „gesamtgesellschaftliche Herausforderung“. „Das oberste Ziel ist es, einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern und die Pandemie einzudämmen, um zu einem möglichst normalen Leben zurückkehren zu können. Wir wollen so viel wie möglich und so lange wie möglich offen halten. Doch wenn es nicht mehr geht, müssen wir wieder zusperren“, sagt Widmann.

In der neuen Verordnung des LH wurde bewusst kein Enddatum festgehalten. Die Landesregierung will die Infektionsentwicklung der kommenden Tage und Wochen abwarten, um bei einer Verschlechterung der Zahlen erneut eingreifen zu können. Ein neuer Lockdown Ende Januar sei durchaus im Bereich des Möglichen, heißt es aus der Regierung. Landesrat Widmann  meint hierzu: „Es hängt alles vom Verhalten der kritischen Minderheit ab. Der große Teil der Bevölkerung hält sich an die Vorschriften, die im Grunde genommen ausreichen, um durch den Winter zu kommen. Wir wissen aber noch nicht, wie sich die Minderheit zu Weihnachten und an Neujahr verhalten hat. Wenn die Zahlen in 14 Tagen fürchterlich aussehen, müssen wir ,Stopp‘ sagen und wieder zumachen.“ Im Fokus stehe dabei vor allem die Entwicklung in den Intensivstationen. Je mehr Menschen direkt von der Ersten Hilfe in die Intensivstationen eingeliefert werden, desto schneller würde Südtirol wieder zur roten Zone erklärt. „Wenn wir rechtzeitig eingreifen, das heißt zwei Wochen früher zusperren, können wir auch einen Monat früher wieder aufsperren“, prognostiziert Widmann mit Verweis auf die Studien des Biostatistikers Markus Falk.

 

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