„So schnell kann es gehen“
Der Infektionsherd in der Bozner Gynäkologie zeigt, welche Probleme die Omikron-Variante mit sich bringt. Der Primar Martin Steinkasserer erklärt, wie gut der Sanitätsbetrieb darauf vorbereitet ist.
Tageszeitung: Herr Steinkasserer, neun Hebammen, drei Ärzte und zwei Patienten sind in Ihrer Abteilung positiv auf das Coronavirus getestet worden. Wie geht es ihnen?
Martin Steinkasserer: Der Großteil ist symptomfrei, manche haben ganz leichte Symptome. Alle waren geimpft, das trägt sicher erheblich dazu bei, dass der Krankheitsverlauf nicht im Vordergrund steht. Die Infizierten leiden, wenn überhaupt, an Symptomen wie Schnupfen oder leichten Halschmerzen und Husten. Symptome ähnlich einem grippalen Infekt.
Weiß man bereits, wie das Virus in die Abteilung gekommen ist?
Das ist in solchen Situationen immer schwer zu sagen. Es ist aber klar, dass das Virus eher von außen nach innen getragen wird, als von innen nach außen. Die Nachverfolgbarkeit mit dieser Omikron-Variante ist sehr schwierig. Dazu kommen die Feiertage, das macht es nochmal schwieriger, genau herauszufinden, woher das Virus kommt. Man weiß es jetzt nicht ganz konkret, aber am ehesten geht es von jemandem aus, der stationär aufgenommen wurde. Ich möchte aber keine Spekulationen anstellen, man kann es nicht definitiv nicht sagen, denn es sind mehrere Menschen betroffen.
Wie oft wird das Personal in den Krankenhäusern nun getestet?
Das Protokoll sieht vor, dass das Personal der Gynäkologie und Geburtshilfe zur Zeit alle 48 Stunden getestet werden.
Das heißt, man kann davon ausgehen, dass der Infektionsherd mit der Omikron-Variante zusammenhängt, wenn sich trotz regelmäßiger Tests so viele Personen infizieren?
Wenn es auf einen Schlag ein so großes Aufglühen gibt, hat das wohl wahrscheinlich mit der Omikron-Variante zu tun. Ich glaube es zumindest. Wichtig ist, dass man einen solchen Herd entsprechend eingrenzt und Maßnahmen setzt. Das ist bereits passiert. Insofern sind wir optimistisch, dass wir diese Situation jetzt gut überstehen. Das Problem ist dabei weniger die Erkrankung der Menschen, das Problem ist die Organisation der verschiedenen Leistungen und Dienste. Die Versorgung der Bevölkerung müssen wir ja aufrecht erhalten.
Ist ein geregelter Betrieb bei neun infizierten Hebammen und drei infizierten Ärzten überhaupt möglich?
Mir ist es wichtig, zu betonen, dass es an der extrem positiven Art der MitarbeiterInnen liegt, dass wir diese Situation nun stemmen können. Natürlich hat es organisatorische Auswirkungen. Es gibt einen Notfallplan für solche Szenarien. Dieser bezieht sich auf die personelle Ebene, die Hygienemaßnahmen und vieles mehr. Konkret können Leute weniger lang oder überhaupt nicht in den Urlaub gehen. Auch Turnusse werden umgebaut. Ich bin stolz auf meine Mitarbeiterinnen denn durch ihren Einsatz können wir entsprechend auf die organisatorische Mehrbelastung reagieren.
Wie verhindert man, dass es in anderen Abteilungen zu einem Omikron-Infektionsherd kommt?
Zur Zeit kontrollieren wir im Krankenhaus wirklich engmaschig und es sind uns, meines Wissens nach, keine weiteren Fälle bekannt.
War dies der erste große Infektionsherd durch Omikron in Südtirol?
Das kann ich nicht bestätigen, dazu fehlen mir die entsprechenden Zahlen und die Detailkenntnisse zum Infektionsverlauf insgesamt. Es wird in jeder größeren Organisation positiv getestete Mitarbeiter geben. Ganz egal ob es sich dabei um das Weiße Kreuz, den Zivilschutz, die Feuerwehr oder das Militär handelt. Jede Organisation mit vielen Mitarbeitern wird positive Fälle haben. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Man wird schnell reagieren müssen, denn es gibt ein vermehrtes Auftreten in dieser Situation. Also nochmal: Es wird weniger die Art und Weise der Erkrankung im Vordergrund stehen, viel eher geht es um die Frage wie man mit dem Ausfall an Arbeitskräften umgeht.
Wird der Krankheitsverlauf also durch Omikron keine Rolle spielen?
Wahrscheinlich wird der Krankheitsverlauf bei geimpften Menschen milder sein. Natürlich wird es Fälle geben, bei denen Menschen im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Ein bedeutender Ausfall an Mitarbeitern stellt aber vor allem große Anforderungen an ein Organisationssystem.
Worauf gilt es also zu achten?
Besonders jetzt lautet mein Appell, dass man auf Feiern zu Silvester verzichten soll, denn die Zusammenkünfte mit dieser leicht übertragbaren Variante können zu vielen Fällen und damit zu einer zusätzlichen Belastung führen und die Menschen sollten sich unbedingt impfen lassen. Das gilt nicht nur fürs Krankenhaus, auch in anderen Bereichen sind große Ausfälle nicht einfach zu kompensieren.
Ist der Sanitätsbetrieb auf große Ausfälle aufgrund der Omikron-Variante vorbereitet?
Ja, das muss er sogar. Es ist so, dass man davon ausgehen muss, dass es punktuell zu starken Belastungen kommen kann. Das Krankenhaus muss darauf reagieren können. Wenn man es auf eine andere Ebene überträgt, ist es ähnlich wie bei der vermehrten Anzahl von Intensivpatienten. Auch das wird vom Krankenhaus kompensiert. Es gibt Abläufe, die dies erlauben. Wir sind mittlerweile in der vierten Welle. Wenn es diese Systeme, diese Pläne nicht gebe, wäre die Versorgung der Patienten schon lange nicht mehr möglich.
Sollten sich auch andere Organisationen und Betriebe auf große Ausfälle vorbereiten? Ist das bereits geschehen?
Ich weiß es jetzt nicht im Detail, kann mir aber vorstellen, dass sich besonders wichtige, systemrelevante Organisationen wie die Polizei, der Zivilschutz, das Weiße Kreuz oder Elektrizitätswerke immer vorbereiten sein müssen. Das wird dann wahrscheinlich ähnlich laufen wie im Sanitätsbetrieb.
Der Infektionsherd in der Gynäkologie-Abteilung ist also ein Beispiel dafür, was nun auf Südtirol durch die Omikron-Variante zukommt?
Das ist nur ein Strohfeuer im Verhältnis zu dem, was passieren kann. Ich finde es relevant, wenn man nun darüber diskutiert, da man sieht, wie schnell es gehen kann. Im Verhältnis dazu, welche Dimensionen Omikron annehmen kann und wird, ist das Vorkommen der Infektion an meiner Abteilung aber nur von untergeordneter Bedeutung.
Interview: Markus Rufin
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