„Lockdown hat müde gemacht“
Wie jedes Jahr hat Bischof Ivo Muser auch heuer – wenn auch unter veränderten Vorzeichen – den Weihnachtsgottesdienst im Bozner Dom gefeiert.
In seiner Predigt betonte der Bischof, dass das vergangene Jahr von der Corona-Pandemie geprägt war und dass deshalb an diesem Weihnachtsfest ganz besonders deutlich wird, was Weihnachten in seiner ganzen Tiefe bedeutet. „Gerade Weihnachten 2020 macht uns Mut, Gott nicht dort zu suchen, wo wir unsere Gewissheiten und Sicherheiten haben. Wir werden ihn nicht finden, wo wir stark und unverwundbar sind, sondern wo wir schwach und verletzlich sind“, sagte der Bischof.
Die Corona-Pandemie hat dieses Jahr geprägt – weltweit und auch bei uns.
Bischof Muser ging deshalb auch in seiner Predigt beim Weihnachtsgottesdienst im Bozner Dom auf diese Krise ein, die alle Lebensbereiche erfasst:
„Diese Erfahrung hat uns überfallen, überrumpelt, überfordert. Kein Stein blieb mehr auf dem anderen. Hunderttausende von Toten weltweit. Viele kämpften um das eigene Leben, oder um das Leben der ihnen anvertrauten Menschen. Viele andere – die meisten von uns – waren zum Rückzug in die eigenen vier Wände gezwungen, in den kleinsten Kreis der Familie. Für manche war und ist es auch eine schwere Zeit der Einsamkeit. Das, was als Lockdown in die Geschichte eingehen wird, hat viele von uns unsicher, nachdenklich, traurig, aggressiv und müde gemacht. Wir sind unsicher geworden: unsicher im sozialen Miteinander, unsicher in den wirtschaftlichen und beruflichen Perspektiven, unsicher in der politischen Zukunft, unsicher auch in unserem Verhältnis zu Glauben und Kirche.“
Bischof Muser sagte in seiner Predigt weiter, dass uns Corona die Erkenntnis zumute, wie brüchig und verletzlich unser Leben sei: „Wir stoßen an Grenzen, an die Grenze des Machbaren, des Planbaren. Wir werden auch als Gesellschaft konfrontiert mit unserer Brüchigkeit und Sterblichkeit. Alles, wirklich alles, ist davon betroffen.“
In dieser Stimmung, führte der Bischof weiter aus, feiern wir Weihnachten 2020: „An diesem Weihnachtsfest kann ganz besonders deutlich werden, was Weihnachten in seiner ganzen Tiefe bedeutet: Gott wird im Kind von Betlehem Mensch: machtlos, verletzlich, angreifbar. Er kommt uns so nahe, dass wir ihn erwarten, aufnehmen, umarmen können, aber auch ablehnen, verdächtigen, hinauswerfen, geißeln und kreuzigen können. Christen glauben nicht an irgendeinen, fernen, weltabgewandten Gott, auch nicht an einen Gott, der in reiner Innerlichkeit erfahren würde, sondern an einen Gott, der sich nicht heraushält, der nicht in seinem Himmel bleibt, sondern der herab steigt und uns Menschen dort begegnen will, wo wir sind: mit unserer Größe, aber auch mit unserer Not, mit unseren Wunden, mit unserer Sterblichkeit. Dafür stehen die Krippe und das Kreuz Jesu.“
Gerade Weihnachten 2020 mache Mut, Gott nicht dort zu suchen, wo wir unsere Gewissheiten und Sicherheiten haben, zeigt sich Bischof Muser überzeugt: „Wir werden Gott dort suchen, wo wir verunsichert und ratlos sind. Wir werden ihn nicht finden, wo wir stark und unverwundbar sind, sondern wo wir schwach und verletzlich sind. Gerade Weihnachten in diesem Coronajahr kann unseren Blick schärfen für den verletzlichen, heilenden Gott, damit wir selbst in unserer Verwundbarkeit für andere zum Heil werden können.“
Schließlich bedankte sich der Bischof auch bei allen, die am ersten Weihnachtsfeiertag ihren Einsatz für die Gesellschaft bringen: „Wir danken den Ärzten und Krankenschwestern, den Sozialarbeitern und den Pflegekräften, dem Zivilschutz und den Ordnungshütern, den Freiwilligen und all denen, die auch an Weihnachten an vorderster Front im Dienst der Gesellschaft stehen und die den Kranken, Alten und Schwachen zur Seite stehen. Wir als christliche Gemeinschaft danken euch für euren Einsatz und eure Selbstlosigkeit.“
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