„Nagen nicht am Hungertuch“
Der Generaldirektor des FC Südtirol, Dietmar Pfeifer, verrät, warum der FC Südtirol zu den Gewinnern der Coronakrise gehören könnte. Und warum es die Weiß-Roten immer wieder schaffen, den Millionen-Clubs die Stirn zu bieten.
TAGESZEITUNG Online: Herr Pfeifer, nagt der FC Südtirol wegen Corona am Hungertuch?
Dietmar Pfeifer: Sagen wir es so: Es ist keine leichte Situation, aber wir haben Gott sei Dank Stabilität im Verein und über 100 Partner, die auch in dieser schwierigen Situation hinter uns stehen. Wir nagen also nicht am Hungertuch. Die Coronakrise wirft uns nicht um, der FCS ist inzwischen so stabil, dass er auch so eine schwierige Periode übersteht …
… was bei zahlreichen anderen Vereinen insbesondere in der Serie C nicht der Fall zu sein scheint …
Man muss zunächst sagen, dass das Niveau in der Serie C in diesem Jahr extrem hoch ist, noch höher als im letzten Jahr. Das heißt, dass vor allem die starken Vereine die Situation stemmen werden. Der eine oder andere Verein wird es nicht derpacken. Wir als FCS könnten es uns – nach all dem, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben – gar nicht leisten, so eine Krise nicht zu überstehen. Wir beißen also auf die Zähne und werden es schaffen.
Wie hoch ist eigentlich der Anteil der Zuschauereinnahmen am Gesamtbudget?
Wir haben inzwischen und dank neuer Partner ein Budget von über vier Millionen Euro. Die Zuschauereinnahmen würden mit sieben bis acht Prozent ins Gewicht fallen.
Also ist es für den FC Südtirol keine finanzielle Katastrophe, vor leeren Rängen spielen zu müssen?
Jein, denn im Stadion vor unseren Fans spielen zu können, das bedeutet nicht nur verkaufte Eintrittskarten, sondern das bedeutet auch Bindung zum Verein, Bindung zu unseren Partnern und Sponsoren. Es fehlt der Austausch auf der VIP-Tribüne, die Nähe zu den Fans. Auch auf die Bandenwerbung wirkt sich die Coronakrise aus, wobei wir – was die Sichtbarkeit angeht – sehr gut aufgestellt sind …
Sie meinen?
Es werden alle Spiele live übertragen, auf Elevensport und auf Youtube. Unser Spiel gegen Mantua haben 61.000 Personen gesehen. Das bedeutet: Die Sichtbarkeit ist absolut gegeben. Ein anderes Beispiel: Unser Trainer Stefano Vecchi war nach dem Spiel gegen Sambenedettese Gast in der Sendung „Ci siamo“ auf Rai Sport. In dieser Sendung wurden auch die Highlights des Spiels aus unserem Stadion gezeigt. Die Einschaltquote lag bei 247.000. Das zeigt, dass Fußball ein Sport ist, der enorme Reichweiten erzielt.
Auch sportlich läuft es für den FCS super, die Mannschaft liegt auf Platz 1 der Tabelle …
Ja, schade, dass wir diese Leistung nicht mit unseren Fans im Stadion feiern können. Was mir momentan abliefern, ist die beste Saison in der Geschichte des FC Südtirol. Wir waren von Beginn an immer unter den Top 3 und sind nach 14 Spieltagen Tabellenführer.
Der FCS bietet Mannschaften wie Padua und Perugia die Stirn, die viele höhere Budgets haben. Padua dürfte 10 Millionen Euro zur Verfügung haben …
Das reicht nicht, es sind mehr als 10 Millionen Euro.
Kann der FCS gegen diese Top-Mannschaften bis zum Ende bestehen? Denn jetzt, wo der FCS die Strukturen hätte, käme der Aufstieg in die Serie B gerade recht …
Wir haben auch in den letzten Saisonen immer versucht aufzusteigen. Aber es ist schwierig, denn die Serie C ist die schwierigste Liga …
Warum die schwierigste?
Weil die Serie C-Vereine am wenigsten TV-Gelder bekommen. Die Serie A-Vereine bekommen 90 Prozent der TV-Gelder, die Serie B-Clubs sechs Prozent, die Serie C-Vereine nur zwei Prozent. Diese Aufteilung ist extrem ungerecht. Aus der Serie C in die B aufzusteigen ist wahnsinnig schwierig, weil jedes Jahr Traditionsvereine mit von der Partie sind, die Millionen hineinbuttern, um aufzusteigen.
Ist das diesjährige Team des FCS stärker als die Mannschaft des Vorjahres?
Ja, sowohl von der Qualität, als auch vom Mannschaftsklima her. Außerdem haben wir den breiteren Kader. Selbst wenn drei oder vier Spieler ausfallen, haben wir kein Problem, weil die, die statt diesen spielen, gleich gut sind wie die anderen. Hinzu kommt, dass der Trainer gute Arbeit leistet.
Im Jänner werden die Top-Clubs wie Padua und Perugia wieder tief in die Vereinskasse greifen, um sich zu verstärken …
Das wird schon sein, nur frage ich: Welche Spieler bekommst du im Jänner? Perugia hat heute schon Spieler im Kader, die 300.000 Euro netto pro Saison verdienen. Also holen sie einen Spieler, der 500.000 Euro verdient?
Mario Balotelli ist zu Monza in die Serie B gewechselt, er kassiert 500.000 Euro …
Ja, aber Balotelli ist – wie auch Kevin Prince Boateng – zu Monza gegangen, weil Silvio Berlusconi und Adriano Galliani dort sind. Wenn Perugia ihm 500.000 Euro geboten hätte, wäre er nicht hingegangen. In will damit nur sagen: Selbst wenn du viel Geld bietest, du bekommst nicht jeden Spieler.
Bei Perugia verdienen Spieler auch 300.000 Euro netto im Jahr, sagen Sie. Wo ist die Schmerzgrenze beim FCS?
Bei uns liegt diese Schmerzgrenze bei 60.000 bis 70.000 Euro. Unsere Stärke ist, dass wir die Spieler nicht mit Geld nach Südtirol locken, sondern mit der Lebensqualität, die sie bei uns vorfinden, mit dem Klima im Verein, mit den Sicherheiten, die wir bieten können. Und auch mit unserem Stadion, mit dem Trainingszentrum und mit einer klaren Perspektive …
Mit der Perspektive, in die Serie B aufzusteigen?
Ja, es ist in der Zwischenzeit nicht mehr so, dass die Spieler und auch die Trainer den FCS nur als Sprungbrett sehen, sondern sie spüren, dass sie mit dem FCS aufsteigen können.
Das Erfolgsgeheimnis des FCS ist das Mannschaftsklima?
Sehen Sie sich das Beispiel Morosini an: Er hat bei Piacenza nicht viel gespielt, ist dann zu uns gekommen, wo er in anderthalb Jahren voll eingeschlagen und viele Tore erzielt hat. Dann hat er einen sehr gut dotieren Vertrag bei Monza gekommen …
… hat dort nicht so viel gespielt und nicht an seine Leistungen, die er beim FCS abgeliefert hat, anknüpfen können …
Ja, und jetzt ist er bei Feralpisaló und verletzt. Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir aus Spielern 100 Prozent Leistung herausholen, auch weil unsere Medizin- und Fitnessabteilung so gut ist. Anderswo, wenn das Umfeld nicht passt, können diese Spieler nur 70 Prozent abrufen.
Dieser Philosophie bleiben Sie treu?
Ja. Uns gelingt es auf diese Art und Weise, den Abstand zu den Top-Klubs, die viel mehr Geld haben als wir, wettzumachen. Denn eines ist klar: Der Spieler, der bei Perugia 300.000 Euro verdient, ist nicht vier oder fünf Mal besser als der Spieler, der bei uns 60.000 oder 70.000 Euro verdient.
Interview: Artur Oberhofer
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Kommentare (10)
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prof
Jeder Sportverein Verein bekommt bekommt Unterstützung vom Land und es sind natürlich Steuergelder die auch aufgelistet werden,sicherlich bekommt der FCS eine schöne Summe so wie auch der HCB.
Vielleicht kann dazu der Obergescheite markp. mehr sagen,er ist ja glühender FCS Anhänger und hofft so wie ich,daß der FCS in die Serie B aufsteigt.Jetzt kann er mich wieder Lügner nennen.