Wie man uns ködert
Ungeplante Einkäufe sind eine wichtige Einnahmequelle für Händler. Weil das Anschauen von Produkten immer der erste Schritt bei einer Kaufentscheidung ist, versuchen Händler ihre Kunden so zu lenken, dass diese möglichst viele ihrer Produkte wahrnehmen.
„Die Einzelhändler haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Verkaufsstrategien entwickelt, die auf die visuelle Aufmerksamkeit der Kundinnen und Kunden abzielen“, sagt Mathias Streicher vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. „Das beginnt zum Beispiel damit, dass das Milchregal tendenziell im hinteren Bereich eines Geschäfts zu finden ist.“
So müssen die Kunden für Produkte des täglichen Bedarfs tiefer in das Ladeninnere vordringen und sehen auf dem Weg dorthin auch andere Produkte. Mit Rabattaktionen lassen sich Kunden darüber hinaus gezielt in schwach frequentierte Ladenzonen locken.
„Auf diese Weise verlängert sich die Entdeckungsreise durch den Laden und die Wahrscheinlichkeit wird größer, sich in Anbetracht des Angebots an ein vergessenes Bedürfnis zu erinnern oder ein neues Produkt zu entdecken“, sagt der Marketingexperte Mathias Streicher.
Welche Rolle die Aufmerksamkeit von Kunden beim Entdecken von Produkten spielt, hat Streicher gemeinsam mit Zachary Estes von der Cass Business School in London und Oliver Büttner von der Universität Duisburg-Essen in Labor- und Feldstudien in Supermärkten untersucht.
Aufmerksamkeit leicht beeinflussbar
„Wie viel von einem Warensortiment Konsumenten beim Einkaufen wahrnehmen, hängt stark von der Aufmerksamkeit einer Person ab“, sagt Streicher. „Wir konnten zeigen, dass sich Aufmerksamkeitsmuster durch einfache Maßnahmen im Laden unbewusst verbreitern oder auch einengen lassen.“
So haben die Forscher bei Kunden eines Minimarkts am Unicampus in Innsbruck zunächst die Breite der Aufmerksamkeit mithilfe von digitalen Bildschirmen manipuliert, wie sie mittlerweile auch als Werbeträger in Geschäften vielfach Verwendung finden. Für einen breiten Fokus wurden verschiedene Bilder zufällig und nacheinander am linken oder rechten Bildschirmrand gezeigt, während für einen engen Fokus die gleichen Bilder immer nur in der Mitte auftauchten.
Danach wurden die Versuchspersonen mit Eyetrackern ausgestattet und vor ein Süßwarenregal gestellt, von dem sie Produkte auswählen sollten. Jene Personen, denen zuvor Bilder am Bildschirmrand präsentiert wurden, sahen sich im Geschäft deutlich mehr Bereiche des Süßwarenregal an als die Vergleichsgruppe, der die gleichen Bilder immer in der Bildschirmmitte präsentiert wurden. In einer zweiten Studie in einem Tiroler Supermarkt statteten die Forscher die Kunden mit Schrittzählern aus. Auch hier wurde ihnen vor dem Einkauf Produktbilder am Display gezeigt.
Während jene Kunden, deren Aufmerksamkeit eng fokussiert war, rund 240 Meter im Geschäft zurücklegten, kamen Kunden mit breiter Aufmerksamkeit auf über 300 Meter Laufstrecke. Beachtlicher Weise verdoppelte sich dabei der Anteil der ungeplanten Einkäufe im Einkaufswagen der Kunden. „Wir zeigen, dass eine sehr einfache Intervention vor dem Einkauf Folgen für das Konsumverhalten einer Person haben kann“, resümiert Mathias Streicher das Ergebnis der Studie, die nun im angesehenen Journal of Consumer Research erschienen ist.
Einkaufsverhalten besser kontrollieren
Die Ergebnisse der Studie leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag für die Konsumforschung, sondern bieten auch interessante Erkenntnisse für die Praxis. So gibt die Forschungsarbeit Hinweise, wie Kommunikationsinhalte auf digitalen Werbeträgern gestaltet sein sollten, um Kaufverhalten positiv zu beeinflussen. Auf der anderen Seite bietet die Forschung auch Handlungsempfehlungen für Menschen, die ihr Einkaufsverhalten besser kontrollieren möchten.
„Unsere Forschung zeigt, dass ungeplante Einkäufe schon auf der Ebene der visuellen Aufmerksamkeit beginnen“, resümiert der Innsbrucker Konsumforscher und hat auch einen einfachen Tipp für die Kunden: „Um ungeplante Einkäufe zu reduzieren, sollten daher umherschweifende Blicke in Einkaufssituationen besser vermieden werden – am besten mit Unterstützung einer Einkaufsliste.“
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Kommentare (1)
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robby
Dieser Staat kann ködern wen und wie er will: ich bin doch kein Fisch.