„Raubüberfall auf die Bildung“
Die LehrerInneninitiative Südtirol hat in einem Offenen Brief dargelegt, warum die Verhandlungen zum Lehrervertrag geplatzt sind. Ein Gastbeitrag.
Die LehrerInneninitiative Südtirol hat einen Offenen Brief veröffentlicht.
Darin analysiert die Initiative die Gründe für das Scheitern der Verhandlungen zu Lehrervertrag.
Unterzeichnet ist der Offene Brief, den TAGESZEITUNG Online als Gastbeitrag veröffentlicht, von Thomas Brachetti, Sabine Dalvai, Markus Klammer, Florian Leimgruber, Armin Monsorno, Monika Niederwieser, Josef Oberhollenzer, Hannes Petermair, Rosina Ruatti, Anny Tauber un Helga Tschurtschenthaler.
Das ist der Brief:
„Man braucht ein wenig Zeit, die Spielregeln zu durchschauen.
Hinter dem, was zuerst nach Inkompetenz oder Versagen der Verhandlungsführung des Landes aussieht, steckt bei genauerem Hinsehen ein klares Programm. Erst am 27. März 2020 wurde in das ,Omnibus-Gesetz‘ ein scheinbar harmloser Passus eingefügt, der vorsieht, unter dem Dach der „Rechtssicherheit“ ausgehandelte „Kollektivvertragsvorschläge“ der Prüfstelle des Landes zur Begutachtung vorzulegen. Das ist jetzt mit der Vereinbarung zum IT-Bonus für die Lehrkräfte geschehen. Und das nützen nun die den Vertrag endunterzeichnenden Bürokraten Alexander Steiner, Albrecht Matzneller und Co als Begründung, die zuvor von ihnen selbst verhandelte Textfassung für juridisch zweifelhaft zu halten und mit Verweis auf das Gespenst Rechnungshof platzen zu lassen.
Das Ganze ist ein Fallbeispiel für instrumentelle Gesetzgebung und Verwaltungswillkür, mittels der die Politik ihre Verantwortung an eine imaginäre Instanz delegiert, um bei der bisherigen Praxis der ungerechten Verteilung der Haushaltsmittel so weiter zu machen wie bisher.
Das zu korrigieren wäre aber notwendig, um den von den Gewerkschaften berechneten Betrag von 80 Millionen für eine innerhalb von drei Jahren anzustrebende Gleichbehandlung der Lehrpersonen staatlicher Art mit jenen der Landesberufsschulen zu erreichen.
In Südtirol aber gilt alles, was nicht nach Unternehmertum aussieht, als Kostenfaktor und wird gedeckelt. Bildung, Schule, Kultur und Soziales stellen eine Gegenwelt zu jener der Ökonomie dar.
Nur der Letzteren wird ein privilegierter Zugriff auf den Landeshaushalt eingeräumt. Und welche Interessen sich durchsetzen, sieht man in der Debatte um die Raumordnung, bei der Förderung der Landwirtschaft mit jährlich 200 Millionen und seit der ersten Regierung Kompatscher bei der Senkung der Umsatzsteuer um jährlich 100 Millionen für Industrieunternehmen. Parallel dazu wächst die einseitige Vermögensbildung durch Kapital-, Boden- und Immobilienrenditen, sodass sich buchstäblich die Matthäus-Klage erfüllt: ,Wer hat, dem wird gegeben‘, (Mt. 13,12).
Und jetzt in der Corona-Krise, in einer Zeit außerordentlicher Herausforderungen, fehlt der Landesregierung die Sensibilität für die zahlreichen Disparitäten und ganz offensichtlich auch die Autorität, sich in der Flut von vielen berechtigten und zahlreichen unverschämten Forderungen zu orientieren und ausgleichend zu handeln. Nachdem die Profite der Nuller- und Zehnerjahre privatisiert sind, geht man nun daran, die finanziellen Folgen der Pandemie auf alle zu verteilen. Und man lässt zu, dass ganz undifferenziert Gutverdiener und „,Furbetti‘ in den Hilfstopf greifen, der für die Geschädigten vorgesehen ist.
Nicht einzuhalten, was nach den allgemeinen Regeln der Gleichbehandlung den Lehrberufen zusteht und großteils ohnehin mit zehnjähriger Verspätung gar nicht mehr abgegolten werden kann, ist nichts anderes als ein Raubüberfall auf den Ressourcenhaushalt von Bildung und Schule. Man darf nicht glauben, dass das ohne Folgen bleiben wird. Aber der Preis dafür kommt in der Bilanz des Landeshaushalts heute noch nicht vor.“
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Kommentare (27)
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cosifantutte
„Und welche Interessen sich durchsetzen, sieht man in der Debatte um die Raumordnung, bei der Förderung der Landwirtschaft mit jährlich 200 Millionen…“
Dazu kann man nur sagen: Toute nation a le gouvernement qu’elle mérite.
exodus
@flizzer Lehrer werden sollte kein Beruf, sondern Berufung sein und da trennt sich der Weizen von der Streu. Leider gibt es viele Lehrer die das nicht als Hauptberuf ansehen und nebenher noch allerhand betreiben. Wenn Kinder in der Pflichtschule auf solche Lehrer stoßen, dann sind sie für immer gezeichnet, es fehlt die Basis, leider!!!!
sorgenfrei
Folgendes ist anzumerken: lehrer in italien gehören zu den schlechtestbezahlten zumindest in westeuropa…. in deutschland verdienen lehrer bei berufseinstieg mehr wie ein lehrer bei uns nqch jahrzehnten…
Verglichen mit vergleichbaren akademischen titeln ist das gehalt dürftig, aufstiegsmöglichkeiten =0
Lehrer durchlaufen ein eignungsverfahren, welches nicht jeder besteht…
Lehrer haben viel ferien, ja, aber immer dann, wenn die preise am hòchsten sind…. und von viel freizeit kann man sich nichts kaufen….
Auch die stunden kann man nicht jene mit einer anderer arbeit vergleichen: ich möchte sowohl lehrer als auch schüler nach 40 h unterricht sehen
Lehrer haben eine sehr große verantwortung an der gesellschaft: und außergewöhnlich hohe gehälter
werden ja immer mit der großen verantwortung gerechtfertigt (politik, manager=verantwortlich für klimakrise, banker verantwortlich für finanzkrise, dafür millionen an prämien kassiert…)… kein mensch fragt hier nach den arbeitsstunden…
Was ich aber auch konstatieren muß: es gab anscheinend tatsächlich lehrer, die sich im ersten lockdown komplett ausklinkten und däumchen drehten… diese mit einem bonus zu belohnen, wäre auch häuchlerisch gewesen…
george
Habe bereits zum recht floppen Artikel „Die Kampfansage (der Lehrer)“ letzter Woche, wo dann viele Kommentatoren über die Lehrer geschimpft haben, folgenden Kommentar geschrieben:
Wenn einige Lehrer in ihrem Beruf versagen, so muss man nicht alle als solche hinstellen. Es gibt nun einmal Unterschiede im Einsatz, in der Kompetenz, in der Arbeitsmoral usw. und solche Leute gibt es in allen Berufen. Zudem ist es falsch zu sagen, Lehrer hätten generell 3-4 Monate Ferien. Es gibt auch solche, die aufgrund diffenzierter Arbeitsaufträge sogar schauen müssen, ihren gesetzlich vorgesehenen Urlaub unterzukriegen. Dieses generell über alle denselben Maßstab zu brechen, ist schon einmal grundsätzlich falsch.
Nun, in diesem Schuljahr, bei dieser Sondersituation haben alle, ja fast alle Erziehungsberechtigten mit Kindern nach Präsenzunterricht der Kinder verlangt und gerufen und haben gemerkt, wie wichtig Bildung, Schule und fachkompetenter Unterricht sind und vielleicht auch gemerkt, was Schule und viele Lehrpersonen in Gemeinschaft mit allen daran Beteiligten wirklich leisten. Und jetzt, wenn für diese Leistung auch eine ordentliche Vergütung gefordert wird, schimpft man wieder darüber, jedenfalls die meisten in diesem Forum. Haben diese Leute hier etwa nie eine ordentliche Bildung gehabt oder sie verschmäht? Oder sind es nur wieder einmal die üblichen Verallgemeiner, die überall etwas auszusetzen haben?
flottebiene
@schorsch, bei der SVP gelten doch nur Bauern und die Touristiker….
Normale Arbeitnehmer sind deren schnuppe…
Ich finde, wie in allen Bereichen sollte auch die Qualität der einzelnen Lehrer betrachtet werden. Einfach nur Gelder verlangen,ohne eine Gespräch und Beurteilung.Gehaltserhöhung soll te nur bei erreichten Zielen ausbezahlt werden…damit würde die Qualität der Schulen sicher eine andere und der Ruf der Lehrer ein wenig aufgewertet.
Nur Hand aufheben soll nicht sein..