Ewige Variante
Die anstehende, bereits vierte Änderung des Gesetzes für Raum und Landschaft gleiche einer urbanistischen Bankrotterklärung, sagen die Grünen. Zu Recht.
von Thomas Vikoler
Eine Variante ist, baurechtlich gesprochen, eine Abweichung eines genehmigten Projekts. Eigentlich eine Ausnahme, die in Südtirol vielfach zur Regel wird. Das gilt auch für das Gesetz für Raum und Landschaft, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, und seitdem von seinen Ausnahmen bestimmt wird. Eine ewige Variante, indem ein ursprünglich rigides (Gesetzes)-Projekt zunehmend ausgehöhlt wurde (das Benedikter-Gesetz aus den 1970iger Jahren lässt grüßen).
Im Rahmen von vier Gesetzesreformen wurden an den 107 Artikeln nicht weniger als 407 Änderungen vorgenommen bzw. vorgeschlagen. Die jüngste davon ist Gesetz Nr. 63/2020, das diese Woche in den Landtag kommt, und 51 Abänderungen enthält.
„Sie erinnert an eine Bankrotterklärung“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba und meint damit insbesondere eine neue Übergangsbestimmung.
Nach Artikel 105, Absatz 5 des Gesetzentwurfs können Gemeindeausschüsse in den kommenden eineinhalb Jahren – bis 1. Juli 2022 – weiter Varianten zum Bauleitplan beschließen, die sich auf Flächen beziehen, die an bestehende verbaute Ortskerne, Gewerbe- oder Bauzonen anschließen. Auch an jene ominösen Siedlungen mit mindestens zehn Häusern, die mit einer vorangegangenen Gesetzesänderung erfunden wurden u.a. und zur Genehmigung von zwei Hotelzonen in der Gemeinde Wengen führten.
Das landwirtschaftliche Grün, welches das neue Gesetz besonders schützen sollte, kann also weiter – und vor der Festlegung der Siedlungsgrenzen – verbaut werden. Dazu gibt es ein weiteres Problem, auf das die Grünen zu Recht hinweisen: Bis zum 1. Juli 2022 müssen die Gemeinden laut Gesetz einen Entwicklungsplan vorlegen, der die Grundlage für die Siedlungs-Abgrenzung bilden soll. Dieses Datum ist rechtlich nicht bindend und mit keinen Sanktionen verbunden („termine ordinatorio“), was viele Gemeindeverwaltungen dazu bewegen könnte, die Festlegung der Siedlungsgrenzen möglichst lange hinauszuschieben. Die (alte) Variante zum Bauleitplan würde so zur Regel – und das für viele Jahre.
Deshalb fordern die Grünen in einem Abänderungsantrag, dass ab dem 1. Juli 2022 keine Varianten mehr vorgelegt werden dürfen. „Ich bin überzeugt, dass Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer unsere Position teilt, doch sie ist großem Druck der Lobbys ausgesetzt“, sagt Dello Sbarba.
Weitere grüne Abänderungsanträge betreffen die Rückkehr zu einer in der Landtagskommission von den männlichen Vertretern von Team K, SVP und Freiheitlichen gestrichenen Frauen-Quote in den Baukommissionen und die Festlegung der Höchstbettenzahl in den einzelnen Gemeinden im Rahmen des Tourismusentwicklungskonzepts. Mit Gesetzentwurf Nr. 63/2020 soll diese – nach der Streichung der landesweiten Betten-Obergrenze im Jahre 2018 – wieder abgeschafft werden.
Gut finden die Grünen hingegen, dass im Gesetzentwurf auf Anfechtungsgründe der Regierung reagiert werden musste: Landschaftsschutz-Vergehen sind nicht (mehr) sanierbar, und konventionierte Erweiterungen im Landwirtschaftsgebiet können nicht (mehr) an Touristen vermietet werden.
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Kommentare (5)
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bernhart
Und das wird es auch bleiben, ein Raumordnungsgesetz , das keiner versteht nicht mal die Beamten welche es ausgearbeitet haben.
Das ist unser Land , welches von unfähigen Beamten und Politiker regiert wird.