„Das ist nicht tragbar“
Eine Umsatzrückerstattung von bis zu 80% für „lockdown-betroffene“ Unternehmen hieße für die Landesregierung eine Abkehr vom selbsterklärten Grundprinzip. Ein Gastkommentar von AFI-Chef Stefan Perini.
Die Corona-Krise setzt vielen Unternehmen stark zu. Doch Staat und Landesregierung helfen überall dort, wo sie können. Beim ersten Lockdown im Frühjahr hat der Staat die Möglichkeit geschaffen, Betriebspersonal in den Lohnausgleich zu überstellen.
Die Landesregierung hat nachgebessert und diese Möglichkeit auf Kleinstbetriebe und einige Berufsgruppen ausgedehnt. Liquiditätsspritzen und die Stundung von Krediten sollten sicherstellen, dass Unternehmen nicht finanziell austrocknen. Verlustbeiträge machten einen kleinen Teil der Ausfälle wett.
Mitte September griff die Südtiroler Landesregierung Unternehmen, die vom Covid-19-Notstand besonders hart getroffen wurden – Reisebüros und Reiseveranstalter, Eventdienstleister, Personentransport-Unternehmen sowie Diskotheken und Tanzlokale – mit Sonderzuschüssen unter die Arme. Voraussetzung für die Beanspruchung der Beitragshilfe: Der Umsatzrückgang im Zeitraum 1. März 2020 – 31. August 2020 muss im Vergleich zum selben Zeitraum 2019 mindestens 60 Prozent betragen.
Die Zuschüsse des Landes richten sich nach Umsatzrückgang und betrieblichen Fixkosten des Jahres 2019. Je höher der Umsatzrückgang, desto höher der Zuschuss – dieser bewegt sich zwischen 40 und 70 Prozent des Umsatzrückgangs. Selbstverständlich, präzisiert die Südtiroler Landesregierung in derselben Pressemitteilung, dürfe der Beitrag nicht höher als die Fixkosten von 2020 sein. Andernfalls müsse der Begünstigte den Anteil der Förderung, welcher allfällig die Summe der Fixkosten für das gesamte Jahr 2020 übersteigt, zuzüglich der ab dem Datum der Auszahlung des Zuschusses anfallenden gesetzlichen Zinsen zurückzahlen.
Am Dienstag letzter Woche forderte die Handelskammer Bozen, dass diejenigen Südtiroler Betriebe, die der „zweite Lockdown“ besonders hart trifft, einen Umsatzersatz von bis zu 80 Prozent für den Monat November erhalten sollen. Verwiesen wird auf ähnliche Maßnahmen in Österreich und Deutschland sowie auf die unbürokratische Handhabung, wenn man nach diesem Kriterium verfährt.
Diese Stoßrichtung einzuschlagen ist gleich mehrfach riskant. Zunächst ist die Maßnahme ungerecht: Sie begünstigt umsatzstarke Unternehmen mit niedrigem Fixkostenanteil und benachteiligt umsatzschwache mit hohen Fixkosten. Unter Umständen führt dies paradoxerweise dazu, dass einige Unternehmen mit der Corona-Hilfe besser abschneiden als im Normalbetrieb. Zweitens ist die Maßnahme finanziell nicht tragbar: Die aus dem Landeshaushalt aufgewendeten Mittel würden für andere Ausgabenkapitel fehlen. Landesrätin Waltraud Deeg mahnte schon vor wenigen Tagen, dass sich ein Verteilungskampf anbahne, weil die Gelder im Sozialen fehlten. Die Maßnahme schüfe – drittens – einen Präzedenzfall: was im zweiten Lockdown gewährt würde, müsste dann wohl auch im Falle eines dritten gewährt werden.
Treffsicherer wäre, wenn die öffentliche Hand durch die anteilmäßige (oder volle) Übernahme der Fixkosten die Kontinuität der Betriebe gewährleistet (große Kostenpositionen wie die Personalkosten sind ohnehin schon über die Lohnausgleichskasse sozialisiert, andere variable Kosten fallen bei Unterbrechung der betrieblichen Aktivität gar nicht an). Richtwerte des Fixkostenanteils in den einzelnen Branchen ließen sich recht einfach errechnen – aus der Informationsbasis, aufgrund der das WIFO der Handelskammer jährlich die Bilanzindikatoren für „Fit for rating“ errechnet. Das weiß auch Alfred Aberer.
Fakt ist:
Die öffentlichen Mittel sind begrenzt. Die Landesregierung kann es sich nicht leisten, Weihnachtsmann zu spielen. Sie muss die wenigen verfügbaren Mittel gut einsetzen.
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Kommentare (14)
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sepp
warum schreit der hds aso weils michile sicher a nutzniesser ist denlei um dich nett um ondre
netzexperte
Österreich und Deutschland tun mindestens etwas, um den Unternehmen zu helfen. Von Italien kommt nichts, und schon gar nicht von der Landesregierung. Jetzt herumzupolemisieren ob 80% Umsatzentschädigung gerecht oder ungerecht sind, braucht jetzt keiner sondern lösungsorientierte Ansätze.
Übrigens sind Lohnausgleichskassen keine wirklichen Hilfen für die Unternehmen selbst, sondern für die MitarbeiterInnen. Das Unternehmen sieht nichts davon, im Gegenteil, es muss die Löhne berrechnen (lassen), zweimal pro Monat ein Ansuchen dafür machen und letztendlich noch vorstrecken, wenn die MitarbeiterInnen nicht „verhungern“ sollen. Mit den Lohnausgleichskassen hilft sich der Staat und das Land in erster Linie selbst, denn mit den ansonstigen Arbeitslosen würden sie im Chaos versinken.
pingoballino1955
Herr Perini,was soll das????
george
Ihr müsst nur den Lösungsansatz, den Herr Perini hier bringt, genau und der Logik entsprechend durchrechnen, dann müsst ihr euch nicht mehr fragen: „Herr Perini, was soll das????“ Der Lösungsansatz ist schon da, für die Unternehmen und für die MitarbeiterInnen, nur seid ihr nie zufrieden mit dem was möglich ist und bringt deshalb alles ins Wanken.