„Ich zeige sie alle an“
Das alte Hotel Post in Toblach wird abgerissen. Kulturkritiker Vittorio Sgarbi ist außer sich: Im Interview spricht er über zerstörte Kulturdenkmäler und Denkmalschutz für über 70 Jahre alte Gebäude.
von Silke Hinterwaldner
Plötzlich ging alles ganz schnell: Am Montag stellte der Bürgermeister von Toblach die Baukonzession aus. Praktisch gleichzeitig rollten die Bagger an und bohrten mit den schweren Schaufeln große Löcher in das alte Gemäuer. Nach und nach wurde das altehrwürdige Hotel Post im Zentrum von Toblach immer kleiner.
Es weicht einem Neubau, Büros, Geschäfte, Apartment-Hotel und Wohnungen. Nun schon seit zehn Jahre war das große Gebäude am Kirchplatz von Toblach leer gestanden. Der Hotelbetrieb war eingestellt, der Zahn der Zeit nagte bereits am Gebäude. Errichtet worden war das Hotel Post im Jahr 1919. Der vorhergehende Bau war im Ersten Weltkrieg zerstört worden.
Während der Abriss des leer stehenden Gebäudes in Toblach von vielen begrüßt wird, kommt auch Kritik. Nicht nur der Heimatpflegeverband bedauert den Abriss des historischen Gebäudes, auch zahlreiche italienische Feriengäste haben in den vergangenen Jahren für den Erhalt des Hauses gekämpft. Unter ihnen Kulturkritiker Vittorio Sgarbi, der nun mehr als einfach nur enttäuscht darüber ist, dass das Hotel Post dem Erdboden gleichgemacht wird.
TAGESZEITUNG: Herr Sgarbi, in Ihren Augen hätte das Hotel Post in Toblach unbedingt erhalten werden müssen…
Vittorio Sgarbi: In Italien gibt es Gesetze, die in der Provinz Bozen anscheinend nur zum Teil Gültigkeit besitzen, wie wir jetzt sehen. Aber wie immer man es auch dreht und wendet: Ein Bild von Giorgio Morandi, ein Manuskript von Franz Kafka, auch wenn es in Privatbesitz ist, darf nicht zerstört werden. Die Architektur hat dieselben ästhetischen Ansprüche wie ein Bild, aber einen entscheidenden Nachteil: Während ein Bild zu Hause versteckt aufbewahrt werden kann, ist das Gebäude für alle sichtbar im öffentlichen Raum. Niemand kann ignorieren, dass dieses Hotel Post von öffentlichem Interesse ist, auch Kompatscher, Bessone oder Dalla Torre (Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrat Massimo Bessone und Landeskonservatorin Karin Dalla Torre, Anm. d. Red.) nicht. Ich werde gegen sie alle Anzeige erstatten.
Worauf gründen Sie diese Anzeige?
Das italienische Gesetz schreibt vor, dass jedes Gebäude älter als 70 Jahre automatisch unter Schutz steht. Das heißt: Wenn es auch nicht offiziell unter Denkmalschutz steht, so kann man diese Bestimmung trotzdem nicht ignorieren. Und vor allem kann man nicht zulassen, dass jemand ein 100 Jahre altes Gebäude zerstört, ohne sich vor dem Gesetz verantworten zu müssen. In einem hoch entwickelten Land wie Italien kann man einfach nicht zulassen, dass so etwas geschieht. Wer trotzdem Kulturgut zerstört, gehört vor Gericht gestellt. Das ist nicht einfach nur meine Meinung, das ist Fakt. Da gibt es nichts zu diskutieren.
Was ist so besonders an diesem Hotel Post?
Dieses alte Gebäude muss unter Denkmalschutz stehen. Punkt. Wenn die Zuständigen dafür nicht gesorgt haben, heißt das wohl, dass in Südtirol andere Regeln gelten. Hier braucht es wohl etwas Nachhilfe in Rechtskunde.
Das Gebäude steht nun schon seit zehn Jahren leer und war damit dem Verfall preisgegeben…
Man muss mir erklären, wie man in einem Land wie Südtirol ein hundert Jahre altes Gebäude einfach zerstören kann, ohne dass es einen öffentlichen Aufschrei gibt. Ein solches Haus ist geschichtsträchtig.
Haben Sie das Neubauprojekt zu Gesicht bekommen?
Ich habe Bilder von einem hässlichen Klotz gesehen, der entstehen soll. Aber alles, was man errichtet, wird den historischen Bau nicht ersetzen können. Man sollte das alte Gebäude innen modernisieren und die Fassade instandhalten.
Die Anzeige haben Sie bereits vorbereitet?
Ich werde dies so bald als möglich in Angriff nehmen. Diese Leute sollten sich alle schämen. So geht man nicht mit Kulturgut um.
Kommentare (17)
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