Mit Corona im Dienst
Der Skandal um die 1.300 „vergessenen“ Tests: Weil der Sanitätsbetrieb sich bei ihnen nicht zeitgerecht gemeldet hat, sind positiv getestete und infektiöse Personen zur Arbeit gegangen – und haben wohl weitere Menschen angesteckt.
von Artur Oberhofer
Bernd Gänsbacher sagt nur einen Satz: „Wenn das stimmt, dann ist es schlimm!“ Das Sanitätssystem habe hochbezahlte Funktionäre, die die Veantwortung hätten, mit ihren Entscheidungen und Aktionen die Infektionswelle einzudämmen.
Der Skandal um die knapp 1.300 positiven Antigen-Tests, die im Sanitätsbetrieb zwei Wochen lang verschlampt verschlampt wurden, weitet sich aus.
Die TAGESZEITUNG weiß von mindestens zwei Personen, die trotz positivem Schnelltest zur Arbeit gegangen sind – weil sie vom Sanitätsbetrieb nicht zeitgerecht kontaktiert bzw. vom Hausarzt nur unzureichend informiert wurden.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Mitte Oktober haben Südtirols Hausärzte 1.261 positive Corona-Schnelltests an den Sanitätsbetrieb übermittelt, allerdings sind die Test dort nie angekommen bzw. dort liegengeblieben.
Die Konsequenz dieses unglaublichen Daten-GAUs: Die positiv Getesteten warteten zwei Wochen vergeblich auf die Einladung zum PCR-Test. Und viele von ihnen dürften – so wie sich jetzt herausstellt – andere Personen infiziert haben.
Der TAGESZEITUNG sind zwei Personen bekannt, die trotz des positiven Antigen-Tests zur Arbeit gegangen sind. In einem Fall hat die Person eine Woche lang auf einen Anruf des Sanitätsbetriebes gewartet, um zum PCR-Test geladen zu werden. „Nach einer Woche bin ich dann arbeiten gegangen, weil ich dachte, dass sicher alles in Ordnung ist, ansonsten hätte sich der Sanitätsbetrieb bestimmt gemeldet“, erzählt der Mann, der außerdem berichtet, dass er Dutzende Male versucht habe, im Sanitätsbetrieb telefonisch eine Auskunft zu bekommen.
Im zweiten Fall war es der Hausarzt, der der positiv getesteten Person nicht klar und deutlich gesagt hat, was sie zu tun hat.
Der Mann aus dem Großraum Bozen erklärt gegenüber der TAGESZEITUNG:
„Der Arzt hat zu mir nur gesagt, er wisse nicht genau, wie ich mich verhalten solle, ich solle einfach auf den Anruf des Sanitätsbetriebes warten. Nachdem sich niemand gemeldet hat und ich keinen Krankenstand bekommen habe, bin ich wieder arbeiten gegangen. Ich konnte mich ja nicht selbst krankschreiben.“
Was den Fall brisant macht: Die beiden Männer – und vermutlich noch viele andere der 1.261 positiv Getesteten – haben andere Menschen angesteckt, weil sie nicht zeitnah vom Sanitätsbetrieb kontaktiert und zum PCR-Test geladen worden sind.
Man muss nämlich wissen: Ein positiver Antigen-Schnelltest bedeutet in der Regel, dass eine Person infektiös ist.
Die TAGESZEITUNG hat den Immunologen Bernd Gänsbacher gebeten, den Fall der „vergessenen“ Tests aus wissenschaftlicher Sicht einzuordnen.
Was ist also der Unterschied zwischen einem Antigen-Schnelltest und einem PCR-Test?
Bernd Gänsbacher erklärt:
„Ein PCR-Test ist viel sensitiver als ein Antigen-Schnelltest. Ein PCR-Test ist positiv, wenn ich ungefähr 1.000 virale Partikel auf dem Wattestäbchen habe, bei einem Antigen-Schnelltest braucht es mindestens 200.000 virale Partikel, bis er anschlägt.
Was heißt dies?
Am Tag 1 nach der Infektion mit dem Corona-Virus ist der PCR-Test wahrscheinlichnegativ und auch der Antigen-Schnelltest.
Am Tag 2 nach der Infektion ist der PCR-Test wahrscheinlichpositiv, der Antigen-Test aber immer noch negativ, genauso am Tag 3.
Am Tag 4 ist der PCR-Test positiv, und auch der Antigen-Schnelltest ist jetzt positiv und bleibt dies noch bis ungefährsieben Tage nach Symptombeginn, das ist in der Regel Tag 11-14.
In dieser Zeit bleiben beide Tests positiv und der Patient ist hochinfektiös. Am Tag 13 oder 14 wird der Antigen-Schnelltest wieder negativ, der PCR-Test bleibt positiv und wird im Durchschnittnach Tag 20 bis Tag 40 wieder negativ.
Das heißt also im Umkehrschluss: Der Antigen-Test ist – weil er erst bei einer sehr hohen Viruslast anschlägt – ein wunderbarer Test, weil er anzeigt, wann ein Mensch infektiös ist.
Wenn jemand heute einen positiven Antigen-Schnelltest hat und der PCR-Test erst nach einer Woche gemacht wird, ist der Patient im PCR-Test positiv, aber wahrscheinlich nicht mehr infektiös. Das bedeutet, dass man den PCR-Test sofort nach dem Antigentest machen muss, um dann den Patienten schnellstens zu isolieren “
Bernd Gänsbacher will den Skandal nicht kommentieren, weil er ausschließlich einen wissenschaftlichen Zugang zum Thema Corona pflegen will.
Nur soviel: Das, was passiert sei, sei „schlimm“ gewesen, sagt der Professor.
Der Sanitätsbetrieb hat den Skandal heruntergespielt. Es sei zu keinem Datenverlust gekommen – sondern „nur zu Verzögerungen bei der Planung der PCR-Tests …“
Kommentare (28)
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