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„Nicht mehr glaubwürdig“

Tony Tschenett

Tony Tschenett wettert gegen die frühere Sperrstunde, nur damit die Betriebe Beiträge kriegen: „Wer draufzahlt, sind die Arbeiter.“ Und was der ASGB-Chef zu einem neuen Lockdown, dem Wintertourismus und der zunehmenden Armut sagt.

Tageszeitung: Herr Tschenett, die Landesregierung ändert die Regelung für Bars und Restaurants nun doch wieder, damit die Betriebe die staatlichen Beiträge bekommen. Den Angestellten bleibt hingegen nur der mickrige Lohnausgleich…

Tony Tschenett: Erst beschließt die Landesregierung eine autonome Regelung und der HGV jubelt – und nachdem der Staat zwei Tage später ein Dekret mit Unterstützungsmaßnahmen genehmigt, will man lieber das Geld vom Staat nehmen. Geld regiert die Welt: Das ist wieder einmal das beste Beispiel. Und wer draufzahlt, sind die Arbeiter. Die kriegen nix vom Geld. Anstatt sie in den Lohnausgleich zu schicken, sollen die Bar- und Restaurantbetreiber einen Großteil der Beiträge an die Arbeiter weitergeben. Zuerst beharrt man auf dem Landesgesetz und dann nimmt man doch lieber das Geld. Das ist einfach nicht mehr glaubwürdig. Ich bin jetzt auch gespannt, was mit den Buschenschänken passiert.

Inwiefern?

Die fallen meines Wissens nicht in die staatlichen Bestimmungen rein. Wenn dann der Bauernbund wegen Umsatzverlusten Alarm schlägt, wird sicher der Schuler sagen, man werde das schon mit dem Landesgesetz regeln. Ich vergönne es jedem, aber man soll endlich ehrlich sein und zum Landesgesetz stehen. Sonst hätte man schon am Montag die nationalen Bestimmungen anwenden sollen – mit der Begründung, dass die Infektionszahlen stark steigen und die Sanität es nicht mehr schafft. Das wäre ehrlich – und nicht die Begründung mit den Beiträgen. Tatsache ist, dass die Mitarbeiter in den Spitälern zum Großteil körperlich und psychisch am Ende sind. Wir sehen jeden Tag steigende Zahlen und mehr Patienten, auch wieder Tote. Ich bin komplett enttäuscht. Bei der Sperrstunde sieht man wieder einmal, wie die Lobbys schreien und die Arbeitnehmer draufzahlen. Diese werden in den Lohnausgleich geschickt, der weniger ausmacht und wohl erst wieder nach einigen Monaten ausgezahlt wird.

Deutschland und Frankreich gehen viel weiter, Bars und Restaurants müssen ganz schließen. Braucht es bei uns keinen neuen Lockdown?

Das sollen vor allem die Experten entscheiden. Auch in Deutschland und Frankreich ist man von den Ärzten beraten worden. Wenn die Sanität vor dem Zusammenbruch steht, wird ein leichter Lockdown der einzige Weg sein. Im Frühjahr gab es in den Spitälern und Altersheimen schon eine schwierige Situation. Jetzt geht es wieder los – und das schon im Oktober. Das Personal schafft es bald einfach nicht mehr. Die Forderungen müssen von der Sanität kommen. Ich bin überzeugt, dass in Italien etwas passieren wird.

Macht es dann Sinn, mit allen Mitteln auf einen Wintertourismus hinzuarbeiten? Oder sollte man die Saison einfach abhaken?

Man soll weiter Arbeit und Bildung garantieren. Das sind die zwei wichtigsten Bereiche. Der Präsenzunterricht sowie Kita und Kindergarten müssen aufrecht bleiben, sonst schaffen es die Eltern nicht mehr. Zudem würden Mitarbeiter in den Betrieben fehlen. Es liegt an uns allen, die Regeln einzuhalten. Vor drei Wochen hieß es noch, es sei alles unter Kontrolle. Aber jetzt ist gar nichts mehr unter Kontrolle. Man sieht es auch bei den Tests: Im Juni hieß es, man sei imstande, täglich zwischen 2.500 und über 5.000 Tests zu machen. Wo sind diese 5.000 Tests? Zudem testet man nur noch jene mit Symptomen. Man hatte wirklich Zeit für Vorbereitungen, aber jetzt klappen gewisse Dinge einfach nicht.

Was ist also mit dem Wintertourismus?

Man muss schauen, wie sich die Situation entwickelt. Das Wichtigste ist, dass die Krankenhäuser arbeiten können. Dann sollen Arbeit und Bildung aufrecht bleiben. Wenn sich alle an die Regeln halten, wird sich die Situation in einem Monat sicher verbessern – dann kann es auch einen bestimmten Wintertourismus geben. Die Sache mit den Bars und Restaurants ist jetzt aber ärgerlich. Einmal gilt das eine, einmal das andere. Wenn es Geld gibt, gilt das staatliche Gesetz. Die Arbeitnehmer haben vom staatlichen Hilfsdekret aber nichts. Es wurden zwar Lohnausgleich und Entlassungsverbot verlängert, aber die 1.000 Euro für die Saisonangestellten kriegen unsere Arbeitskräfte nicht.

Tun sie nicht?

Nein, weil sie in Arbeitslosigkeit sind. Somit kriegen sie die 1.000 Euro nicht. Gut ist, dass die Arbeitslosigkeit für einen längeren Zeitraum gilt und man auch die Pensionsbeiträge erhält. Aber es gibt ein Problem: Wer etwa aus einer viermonatigen Saison kommt, kriegt maximal für zwei bis zweieinhalb Monate Arbeitslosengeld. Hier muss nachgebessert werden.

Zu den Verlierern der Krise zählen Saisonangestellte, befristet Beschäftigte und andere prekär Beschäftigte. Und die Hilfsgelder halten sich im Verhältnis zu den hohen Lebenshaltungskosten in Südtirol sehr in Grenzen. Befürchten Sie eine Armutswelle?

Die Armut ist bereits gestiegen. Das Land sollte deshalb die Covid-Soforthilfe, die Covid-Mietbeihilfe und den Beitrag für die Wohnungsnebenkosten wieder öffnen. Jetzt gibt es zwar das Covid-Kindergeld, aber es gab sehr viele Ablehnungen für Bürger, die in Lohnausgleich waren. Auch weil die Sprengel nicht einheitlich vorgehen: Einige Gesuchsteller kriegen das Geld, andere nicht, auch wenn die Situationen de facto dieselben sind. Wer in Lohnausgleich war und einen Verlust hatte, soll die 400 Euro erhalten. Wir werden bei allen Ablehnungen Rekurs einreichen. Und die anderen Beihilfen sollen wieder geöffnet werden, weil sie wieder notwendig sind.

Im Landeshaushalt muss viel eingespart werden. Haben Sie Sorgen, dass dies auf Kosten der Arbeitnehmer geht und weniger auf Kosten der Wirtschaft?

Wir hatten ein Treffen mit dem Landeshauptmann. Demnach soll im Sozialbereich nicht eingespart werden. Gedanken machen muss man sich über die aktive Personalpolitik: Bald ist der Entlassungsstopp zu Ende – dann werden sicher Arbeitnehmer entlassen. Man soll heute schon mit Weiterbildung und Umschulungen beginnen, um die Betroffenen wieder in die Arbeitswelt einzugliedern. Das muss finanziert werden. Der LH hat uns dazu Recht gegeben, es war ein gutes Gespräch. Es wird zu gewissen Entlassungen kommen – das ist ganz sicher.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • tiroler

    Der Typ nervt gewaltig

  • sorgenfrei

    @tiroler sie meinen sich selbst?

  • olle3xgscheid

    Eigenartig das nor Gastgewerbe und Barbedienstete zusperren müssen , macht das Virus um den Rest der Arbeiter ( Handel , Sanität, Industrien , Fernfahrer uvm ) einen Bogen…… 😉

  • tirolersepp

    Wer arbeiten will, der bekommt in Südtirol Arbeit ohne Probleme, auch nach Corona, keine Angst !

  • vinsch

    Herr Tschenett, wer soll denn die Bildung und die Sanität weiterhin finanzieren und (habe ich beinahe vergessen) ihren Lohn??? Geschlossene Betriebe??? Sie sind nicht mehr tragbar, warten sie ab, jetzt gehen wieder viele in den Lohnausgleich und schauen wir mal, wann die Gelder kommen.

  • olle3xgscheid

    Sanität erhält den mit Abstand höchsten Teil an Gelder welche jährlich in Südtirol aufgeteilt werden@!!! Wo, wann ist genug, zahlen wir dich alle ein und auch jede noch so simple aber notwendige Visite!!???
    Genua war nia, oder wollmr mol schaugn vieviele Millionen teuere Maschinen in den Lagerhallen der Sanität verkpmmern, koan privater Betrieb kann sich des leistn!!!

  • klum

    Herr Tschenett hat die Aufgabe „seine“ Lobby zu vertreten. Okey! Er sollte allerdings bedenken, dass Betriebsinhaber in gewissen stark betroffenen Sektoren weder in Lohnausgleich gehen können noch Arbeitslosengeld beantragen dürfen. Es zahlt ihnen auch niemand ihre Sozialbeiträge ein. Ganz im Gegenteil, betroffene Firmen schreiben aufgrund der Fixkosten monatliche Verluste, die weit höher sind als jedes Gehalt. Während also die einen 1000ende von Euros monatlich draufzahlen, klagen die anderen über eine Reduzierung ihres Gehalts um einige 100€. Oder anders herum; Diese Inhaber wären wohl froh wenn sie NUR NICHTS VERDIENEN WÜRDEN und ihnen irgendwer die Spesen bezahlen würde. Und noch ein Wort zu den Rentnern. Hier wäre vielleicht sogar finanzielle Solidarität gefragt. Ein noch sichereres Gehalt als eine Rente gibt es derzeit wohl nicht.

  • hallihallo

    der redakteur will unbedingt vom tschenett hören, daß es besser wäre , keine wintersaison zu haben. das getraut sich der tschenett dann doch nicht zu sagen, da er sich ja ins knie schießen würde. für die unternehmer wäre es im lieb, das alles geschlossen bleibt, aber er ist sich halt doch bewußt, daß es auch viele arbeiter und somit viele seiner schäfchen treffen würde.

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