Das große Zittern…
…und dann das Aus. Seit Samstag geht in den Südtiroler Kinos nichts mehr.
von Renate Mumelter
Am Mittwoch war dieser Artikel zur Abgabe bereit. Am Mittwoch Nachmittag aber war alles anders. Ab Samstag sind die Kinos zu, hieß es. Nach dem großen Montags-Zittern hatte das Kino in Südtirol noch kurz aufatmen können, jetzt ist aber Schluss. Südtirol hat dicht gemacht. Deutschland übrigens auch.
Die Tage danach
„Das Zusperren wäre ein falsches Signal gewesen“, hatte Marlene Sebastiani, die Geschäftsführerin des Cineplexx in Bozen noch am Dienstag gesagt. Es habe sich nämlich gezeigt, dass Kinos zu den sicheren Orten zählen.
„Kinobelüftungen sind super, die Menschen sitzen auf Distanz, schauen alle in dieselbe Richtung, und sie reden nicht“, sagt sie, „und Kinos sind eine Kultureinrichtung“.
Dem pflichtet auch die Präsidentin des Filmclubs, Dorothea Vieider, bei. Dort waren die Besuchszahlen in der letzten Woche endlich wieder etwas gestiegen. Seit Montag galt auch im Sitzen Maskenpflicht.
Im Cineplexx beobachtete Sebastiani letzthin eine drastische Abnahme der Besuchszahlen.
„Viele Leute sind eingeschüchtert, besonders die italienische Bevölkerung. Das war aber auch bei der ersten Welle so“, sagt Sebastiani. Gut besucht waren weiterhin die Kinderfilme, vor allem wenn das Wetter passte. Aus diesem Grund hatte das Cineplexx für die bevorstehende Ferienwoche ausnahmsweise für jeden Tag Vorführungen geplant. Nur die abendlichen Beginnzeiten hätten wegen der Ausgangssperre etwas nach vorne verlegt werden sollen. Jetzt ist alles anders.
Und dann?
Niemand kann aus heutiger Sicht sagen, wie es weiter gehen wird. Infrastrukturen sind weiterhin zu bezahlen, Festangestellte sollten ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, das Kino sollte als Kulturfaktor weiterleben. Das Cineplexx hatte bisher jede Woche drei Ruhetage eingelegt, um so Kosten für Heizung und Infrastruktur und Personal zu sparen. Die (noch) sechs Festangestellten sind teils in der Lohnausgleichskasse. Es gibt weniger Arbeit auf Abruf. „Was für uns grundlegend ist, ist aber auch, dass wir weiter Popcorn und Getränke verkaufen können“, sagte Sebastiani am Dienstag. Das sei eine wichtige Einnahmequelle, denn vom Kartenverkauf allein könne ein Kino nicht leben. „Ein Kinoerlebnis ohne Popcorn und Getränke macht für unser Publikum keinen Sinn“, sagt Sebastiani auch.
In einem Programmkino ist das etwas anders. Und dann? Fragen sich die Menschen auch dort.
Die Lieferungen
Die Schließung der Kinos in Italien wirkte sich sofort auf die Filmlieferungen aus. Das Cineplexx musste die für letzten Montag geplante Vorstellung eines neuen Dokumentarfilms über „Bansky“ kurzfristig absagen, weil der Film wurde für Italien zurückgezogen worden war. Dasselbe gilt für „Greta“, den Thunberg-Film, der ebenfalls in diesen Tagen hätte starten sollen. „Es gibt keine neuen italienischen Filme mehr“, bedauerte Sebastiani am Dienstag.
Nur der Filmclub konnte als einziges Kino italienweit eine restaurierte Fassung von Nanni Morettis „Caro Diario“ (1993) zeigen. Moretti freute sich darüber so sehr, dass er telefonisch Kontakt mit dem Filmclub aufnahm. Eine Videobotschaft hatte er bereits vorher geschickt, schließlich ist er eigentlich Südtiroler, weil er (zufällig) in Bruneck geboren wurde.
„Ich bin sicher, dass das Kino weiterleben wird, denn Streaming ist kein Ersatz“, sagt Marlene Sebastiani „die Frage ist nur, wie viele Kinos überleben werden“.
Und weil’s so schön war….
die – inzwischen nutzlosen – Filmtipps:
„The Great Green Wall“, ein Dokumentar- und Musikfilm, der endlich einmal ein real existierendes Afrika zeigt, das von Europa nicht gern wahrgenommen wird, weil es selbstbewusst, zeitgemäß, jung und selbstwirksam ist. Die malische Musikerin Inna Modja bereist die Sahelzone. Diese will die Afrikanische Union wieder aufforsten.
„Corpus Christi“ über einen besonderen Priester, „Accattone“ der Pasolini-Klassiker und „Honeyland“, der sehenswerte mazedonische Dokumentarfilm wären auch ins Kino gekommen.
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