Der letzte Fall
In seiner Reihe „Die großen Kriminalfälle“ hat Artur Oberhofer die 22 spektakulärsten Chronik-Fälle in der Geschichte Südtirols aufgearbeitet. Nun erscheint mit Band 10 der letzte Band – mit zwei packenden Mordfällen.
von Mara Leurs
Es war vor 15 Jahren, im Herbst 2005, als der erste Band aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle in Südtirol“ erschien. Mit acht spektakulären Fällen.
Das Buch wurde mit über 7.000 verkauften Exemplaren ein Bestseller in Südtirol. „Ich war völlig überrascht über die Resonanz, die dieses Buch hatte“, erzählt Artur Oberhofer.
Für ihn sei nach diesem Verkaufserfolg klar gewesen, dass das Interesse für wahre, authentische Kriminalfälle auch in Südtirol sehr groß sei, so der Autor. „Viele Menschen haben einen persönlichem Zugang zu bestimmten Chronik-Fällen, man kennt einige Protagonisten oder man verbindet Kindheitserinnerungen mit dem einen oder anderen spektakulären Kriminalfall“, glaubt Artur Oberhofer.
Ein Beispiel:
Der Fall des Frauenmörders Guido Zingerle. Die Drohung: „Sei brav, sonst holt dich der Zingerle!“ habe jahrzehntelang zum Benimm-dich-Vokabular der (Süd-)Tiroler Mütter und Väter gehört. „Mehrere Generationen sind mit dieser Drohformel im Ohr aufgewachsen“, so Oberhofer.
Es gebe sogar einen Krimi-Tourismus:
„Es kommt immer wieder auf, dass mich Leser, vielfach aus Deutschland, anrufen und sagen, sie hätten das Buch im Urlaub gelesen und seien dann beispielsweise nach St. Gertraud in Ulten gefahren, um sich das Pfarrhaus, in dem 1973 die Häuserin umgebracht worden ist, anzuschauen“, erzählt Oberhofer.
Auf den so erfolgreichen Band I aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle“ folgten in den darauffolgenden Jahren acht weitere Bände, in denen Artur Oberhofer über 20 spektakuläre Kriminalfälle recherchiert und aufbereitet hat.
„Ich hatte das Glück, dass ich im Zuge meiner Recherchen großteils noch unveröffentlichte Gerichts- und Ermittlungsakten einsehen konnte“, so erklärt der Autor, „ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, diese Fälle zu dokumentieren und zu erzählen.“
Die Palette der von Artur Oberhofer bearbeiteten, spektakulären Chronik-Fälle reicht vom Bürgermeister-Mord in Kaltern (im fernen Jahr1946) über den mysteriösen Fall des Pfarrers Josef Steinkasserer (der Mord im Widum von St. Gertraud in Ulten im Jahr 1973) bis hin zu den Fällen der Serienmörder Ferdinand Gamper und Marco Bergamo und dem Fall des Frauenmörders Guido Zingerle, auch „das Ungeheuer von Tirol“ genannt.
Hinzu kommen noch mehrere Aufsehen erregende Giftmorde, die sich in den 1960er- und 1970-Jahren in Südtirol zugetragen haben, der Mord an der Kinderdorf-Mutter Maria Moling in Brixen im Jahr 1982, der Fall Florian Egger („Der Rambo aus Laurein“), der Kettensäge-Mord von Marling aus dem Jahr 2001 (der Fall Plack/Kleon), der unglaublich tragische und herzzerreißende Fall von Monika Mor, einer jungen Mutter, die im Jahr 1994 von ihrem Ex-Freund Thomas Göller in Elvas erschossen wurde.
„Ich habe versucht, mit diesen meinen Büchern einen vergessenen und vielfach auch verdrängten Teil der Südtirol-Geschichte aufzuarbeiten“, so der Autor.
Alle Bücher sind im Eigenverlag des Autors (Edition Arob) erschienen.
Nun, 15 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes aus der erfolgreichen Krimi-Serie, schließt sich der Kreis: es erscheint Band 10.
„Es ist der letzte Band“, kündigt Artur Oberhofer an, „ich schließe diese Serie jetzt ab, mit anderen Worten: Die Fälle in Band 10 sind die letzten.“
In den zehn Bänden aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle“ hat Artur Oberhofer, der seit Oktober 2010 Chefredakteur der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ ist, insgesamt 24 Kriminalfälle recherchiert und aufgearbeitet.
„In jedem Buch“, so rechnet der Autor vor, „stecken zwischen Recherche und Schreiben rund 600 Stunden Arbeit.“
Warum tut man sich so etwas an? „Weil die Recherche von authentischen Kriminalfällen, die Spurensuche in Fällen, die vor unserer Haustür passiert sind, mein großes Hobby ist“, erzählt Artur Oberhofer.
Und weiter sagt der Autor:
„Mich faszinieren nicht so sehr die Verbrechen an sich, sondern die Menschen und die Lebensgeschichten dahinter. Das Spannende für mich ist die stete Suche nach der Wurzel des Bösen, wobei in meinen Büchern – im Unterschied zu den Kriminalromanen – Handlung und Protagonisten nicht erfunden sind.
Ich will ergründen, warum jemand zum Mörder wird. Oft sind es traumatische Lebensgeschichten, emotionale Vernachlässigung oder Kränkungen, die Menschen zu Mördern werden lassen.
Mein Ansporn ist die Suche nach der Wahrheit. Ich will die einzelnen Fälle für mich persönlich klaren. Das ist mir beispielsweise beim Fall Josef Steinkasserer gelungen, da glaube ich zu wissen, was wirklich passiert ist, über weite Strecken auch beim Mordfall Christian Waldner.“
Nun, also, nach 15 Jahren schließt sich mit Band 10 aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle“ der Kreis.
Im letzten Band erzählt Artur Oberhofer zwei spannende Kriminalfälle: Auf der Grundlage von noch unveröffentlichten Akten rekonstruiert der Autor den Fall Michela De Villa.
Der Kriminalfall beginnt am 15. Mai 2001, als ein junger Mann seine Schwester, eben Michela De Villa, als vermisst meldet. Die junge Frau hatte sich zwei Monate lang nicht gemeldet, war wie vom Erdboden verschluckt.
Michela De Villa hatte im März 2001 ihre Wintersaison im Berggasthaus Panorama am Kronplatz beendet. Ihre Spuren verlieren sich in einem schmuddeligen Sexshop in Bozen, ehe dann auf einem Areal unweit des Bozner Flughafens eine Frauenleiche entdeckt wird. In einem Misthaufen!
„Dieser Kriminalfall“, so erzählt Autor Artur Oberhofer, „spielt in einem Sozialmilieu, das viele Bozner gar nicht kannten bzw. gar nicht kennen, also in einer Subkultur, in der sich die gesellschaftlichen Verlierer und Kleinkriminellen gegen das verhasste Establishment, gegen die Bozner Biederlichkeit verbündet haben.“
In einem Gerichtsurteil bezeichnet ein Bozner Richter die Protagonisten als „Höhlenmenschen“, so Oberhofer.
Im zweiten Fall geht es um einen Kriminalfall, der Südtirol im Jahr 1991 in Atem gehalten hat.
Im Dezember 1991 lieferten sich zwei junge Männer aus Bozen – Nicola Belmonte und Sergio Petrocitto – ein wahnwitziges Autorennen auf der Strecke Gargazon-Bozen.
In der Romstraße kam es dann kurz nach 02.00 Uhr nachts zu einem Unfall. Und dann fiel ein Schuss …
Der Fall Belmonte-Petrocitto sei auch deswegen so spektakulär, weil der Mörder damals mit einer überaus milden Gefängnisstrafe von nur zehn Jahren davonkam. Das (Skandal-)Urteil hatte in Südtirol kontroverse Diskussionen und viel Unverständnis ausgelöst.
In seinem Buch präsentiert Artur Oberhofer nun ganz neue Fakten, die – so der Autor – die damalige Entscheidung der Richter „ein bisschen verständlicher“ machten.
Der Grund:
Artur Oberhofer dokumentiert in seinem Buch die extremen Gewalterlebnisse, die der Täter innerhalb der eigenen Familie über sich ergehen lassen musste.
Stellt sich am Ende noch die Frage:
Die Serie der großen Kriminalfälle nun abgeschlossen, was macht, woran arbeitet Artur Oberhofer jetzt?
„Es gibt mehrere spannende Buch-Projekte“, sagt er geheimnisvoll, „aber sie sind noch nicht spruchreif, „reden wir im Frühjahr 2021 weiter …“
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Kommentare (6)
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andreas
Das Urteil gegen Nicola Belmonte war schon deshalb erstaunlich, da er nach dem Mord nach Süditalien abgehauen ist und erst nach Monaten zurück kam.
Sein Glück war, dass er einen ausgezeichneten Anwalt hatte.
Vor ca. 10 Jahren arbeitete Belmonte auf dem Samstagmarkt in Bozen, ob er da immer noch ist, weiß ich aber nicht.
meintag
Die Geschichte Südtirols der letzten 20 Jahre hat weitere Opfer und Täter hervorgebracht. Schätze Oberhofer hat noch nach seiner Pensionierung genug zu tun.