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Problematische Angaben?

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Warum die Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung im Pestizid-Verfahren gescheitert sind. Und warum die Veröffentlichung der beschlagnahmten Spritzhefte der Südtiroler Obstwirtschaft schaden könnte.

von Thomas Vikoler

„Es gab auf der Gegenseite keinen Willen zur außergerichtlichen Einigung. Da unser Friedensangebot nicht angenommen worden ist, müssen wir die Vergleichsverhandlungen als gescheitert erachten und die Verfahren werden wohl ihren Lauf nehmen.“ Das erklärte Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler am 30. September in einer Mitteilung des Landespresseamtes.

Was Schuler dabei nicht erwähnte: Bei den außergerichtlichen Verhandlungen gibt es vornehmlich um die Bestimmung der sogenannten Betriebshefte.

Im Juli dieses Jahres hatte die Carabinieri-Gesundheitseinheit NAS bei den 1.367 Landwirten, welche sich der Klage Schulers gegen den Autor Alexander Schiebel („Das Wunder von Mals“) und Karl Bär vom Münchner Umweltinstitut angeschlossen hatten, im Auftrag der Staatsanwaltschaft Betriebshefte beschlagnahmt. Sie sind nun Teil des Prozessaktes im Hauptverfahren gegen Bär, das Mitte September am Landesgericht startete. Ende November wird es mit der Vorlage der Zeugenlisten fortgesetzt. Bär ist der üblen Nachrede und der Markenverletzung angeklagt.

Die Betriebshefte, auch Spritzhefte genannt, sind ein gesetzlich vorgeschriebenes Verzeichnis über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Es ist in zwei Teile gegliedert: Ein Grundstücksverzeichnis und ein Behandlungsverzeichnis. Landwirte sind verpflichtet, dort einzutragen, welche Spritzmittel sie verwendet haben. Kopien von Dokumenten zum Ankauf von Pflanzenschutzmitteln müssen, wie das Spritzheft, drei Jahre aufbewahrt und bei Kontrollen vorgezeigt werden.

Es gebe, was den Inhalt der Betriebshefte betrifft, nichts zu verbergen, erklärte Schuler in mehreren Interviews.

Doch offenbar gibt es doch ein Problem, und das liegt in den detaillierten Angaben bzw. der Rechtfertigung des Einsatzes von Pestiziden.

Die Obstbauern sind nämlich im sogenannten integrierten Anbau, der in Südtirol Standard ist, zum sparsamen Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutz-Mitteln verpflichtet.

Erst wenn natürliche Gegenspieler von Schädlingen nicht die erhoffte Wirkung erzielen, können chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. „Bei Wahlmöglichkeit werden immer nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel eingesetzt“, heißt es dazu von der Arbeitsgruppe für den integrierten Obstbau in Südtirol (Agrios).

So werden etwa Raubmilben gegen Spinnmilben oder Marienkäfer gegen Blattläuse eingesetzt. Andere umweltschonende Rezepte gegen Schädlinge sind das Anbringen von Nistkästen für insektenfressende Vögel wie Meisen oder das Pflanzen von Hecken. Oder biotechnische Methoden, wo etwa dem Apfelwickler mit Duftstoffen begegnet wird. Die Verwirrungsmethode.

Wenn diese Mittel nicht wirken, können Spritzmittel, darunter Pestizide, eingesetzt werden. Entsprechend muss in den Betriebsheften der Grund angegeben werden, welche die chemisch-synthetische Behandlung notwendig gemacht hat („Grund der Behandlung“).

Nach Informationen der TAGESZEITUNG fehlt in beschlagnahmten Spritzheften, insbesondere jene aus dem Vinschgau, die vorgeschriebene Rechtfertigung.

Offenbar haben die Landwirte Stufe 1 – die natürliche Schädlingsbekämpfung – übersprungen und sind direkt zu Stufe 2 – der Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln – übergegangen. Jedenfalls gibt es in den Spritzheften keine entsprechenden Angaben.

Und das könnte für die Südtiroler Obstwirtschaft in Zukunft zu einem Problem werden. Nicht von ungefähr sprachen Schulers Anwälte im Zug der außergerichtlichen Verhandlungen zur Rücknahme der Strafanzeigen von einem möglichen Missbrauch des beschlagnahmten Materials durch das Münchner Umweltinstitut.

Bär-Verteidiger Nicola Canesterini hatte am Rande der Auftaktverhandlung am Landesgericht bereits angekündigt, dass die Spritzhefte aus dem Prozessakt öffentlich gemacht würden. Bei den außergerichtlichen Verhandlungen ging es hingegen um die Bedingung, dass dies nicht geschieht. Was Schiebel, der ein Buch über den Bozner Pestizid-Prozess vorbereitet, und Bär aber nicht akzeptieren wollten.

Mann kann sich das Szenario ja einmal vorstellen: Das Umweltinstitut veröffentlicht eine Studie zum Inhalt der Spritzhefte und bringt damit Verbraucherschützer auf den Plan. Die beanstanden bei einem großen Lebensmittelhändler – etwa dem Discounter Aldi -, dass dort Äpfel aus dem integrierten Anbau in Südtirol verkauft würden, bei denen der natürliche Pflanzenschutz kurzerhand übersprungen werde.

Das wäre dann wohl mehr als eine Image-Frage.

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