Das Kino braucht euch
Wenn sich die Menschen abgewöhnen ins Kino zu gehen, wird die große Leinwand untergehen.
von Renate Mumelter
Die Zahlen sprechen für sich. Italienweit haben die Kinos im September 2020 ganze 68 Prozent weniger Karten verkauft als im Jahr davor. In Südtirol sieht’s auch nicht besser aus. Der Filmclub hat ein Minus von 50 Prozent, das Cineplexx wirtschaftet ähnlich. Dort gibt es am Dienstag und Mittwoch keine Vorstellungen.
Jenseits der Grenzen ist die Kinolage auch nicht besser. Aus Hollywood kommt der Ruf nach Hilfe für die Kinobetriebe. In London hat das Peckhamplex (6 Independent-Säle) bis auf weiteres geschlossen. Man wartet auf den Start des neuen James-Bond-Films im November. In Italien versucht Rai Cinema das Kino auf einem anderen Weg zu erhalten: nicht schließen sondern starten. Anders als ursprünglich geplant, schickt der Verleih den Publikumsmagneten „Ritorno al crimine“ zwei Monate früher ins Kino. Damit hoffe man auf einen „ritorno del pubblico“.
Kino muss, wie viele andere liebe Gewohnheiten, immer wieder in Erinnerung gerufen werden, es muss präsent sein. In den letzten Monaten war vielen das Kino abgewöhnt worden. Jetzt geht es darum, dieses Kino zu reanimieren, schließlich ist Kino ein wichtiger Kulturbereich, und der Rückzug zum Home-Monitor kann eine Notlösung sein, ist bringt aber weder die Bild- noch die Tonqualität und das Feeling schon gar nicht.
„An den Orten, wo es mehr Kinos gibt, gehen die Leute mehr ins Kino, weil sie darüber reden“, bestätigt auch Raimund Obkircher vom Filmclub. In den Außenstellen hat der Filmclub dort mehr Publikum, wo es auch andere Kinos gibt.
Leute, wenn ihr Kino irgendwie anziehend findet, geht hin. Das Risiko ist überschaubarer als bei jedem Restaurantbesuch. Ich persönlich lege meine FFP2 während der Vorführung nicht ab und fühle mich sicher. Interessante Filme gibt es derzeit genug.
Filmtipps
„Lacci“
von Daniele Lucchetti ist neu im Programm. Der Eröffnungsfilm des Filmfestivals in Venedig erzählt auf sehr spannende Art von einer klassischen Familie, Vater, Mutter, Tochter, Sohn und von den „Lacci“, den Verstrickungen, in denen sie leben. Lacci heißen auch die Schuhbänder, die in der Geschichte eine Rolle spielen. Viel mehr sollte nicht erzählt werden, weil der Film eine Entdeckungsreise in Innenwelten ist. (in Bozen)
„Miss Marx“
von Susanna Nicchiarelli erzählt die Geschichte der Tochter von Karl Marx. Der Film besticht durch einen Vorspann wie früher, und er überrascht mit einem ungewöhnlichen Soundtrack, der alles über Miss Marx erzählt, was Worte damals nicht sagen durften. (Downton Boys, Gatto Ciliegia). (Bozen. Kaltern SA, SO)
„Tenet“
von Christopher Nolan, füllt italienweit nach wie vor die Kassen. Ein Blockbuster der cineastischeren Sorte. (Bozen, Kaltern SA)
„Undine“
von Christian Petzold ist eine ungewöhnliche Geschichte mit viel Wasser und Liebe und Bildern, die bleiben. (Bozen)
„Marie Curie – Elemente des Lebens“
von Marjane Satrapi erzählt von der großen Wissenschaftlerin, nicht nur von ihrer Liebesgeschichte. Erholsam (Kaltern, Meran SA, SO)
„Gott, du kannst ein Arsch sein“
erzählt von Jugend, Liebe, tödlicher Krankheit. Nur für ein Publikum, das Til Schweiger erträgt. (Bozen)
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.