Räte der Zukunft
Gleich vier Räte im neuen Bozner Gemeinderat haben einen Migrationshintergrund. Ein völliges Novum, das aber nur ansatzweise den demographischen Wandel wiederspiegelt.
von Thomas Vikoler
Sie kandidierten für Parteien, die ideologisch zum Teil weit auseinander liegen: Mirche Hristov, 39, ein gebürtiger Mazedonier mit italienischer Staatsbürgerschaft, schaffte den Einzug in den Bozner Gemeinderat auf der Liste der nicht gerade ausländerfreundlichen Lega. Tritan Myftiu, geboren in Albanien, noch weiter rechts, bei den Fratelli d´Italia. Abdallah Ab Chniouli, vor 23 Jahren aus einer marokkanischen Einwandererfamilie in Bozen geboren, und Samir Zine Sekali, 49-jähriger Marokkaner, sicherten sich bei den Gemeinderatswahlen in Bozen Mandate für die aufstrebende Liste Io sto con Bolzano.
In den Bozner Rat ziehen gleich vier Räte mit Migrations-Hintergrund ein. Ein Novum, das den demographischen Wandel der Landeshauptstadt aber lediglich ansatzweise widerspiegelt. Der Ausländeranteil liegt mittlerweile bei über 15 Prozent, zahlreiche Zuwanderer dürfen wegen der Ansässigkeitsklausel aber nicht wählen.
Es gab zahlreiche Kandidaturen, allein acht Kandidaten albanischer Herkunft ließen sich auf verschiedenen Listen aufstellen. Gewählt wurde allein Tritan Myftiu, der erste Präsident des Bozner Ausländerbeirates. 2005 kandidierte er dann nach Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft für die Liste Benussi, später für AN und den PdL und zuletzt auf der Landtagsliste von Alto Adige nel cuore. „Mehrere meiner Verwandten wurden in Albanien vom kommunistischen Regime umgebracht, deshalb war es für mich naheliegend, bei rechten Parteien zu engagieren“, sagt der hauptberufliche Sozialarbeiter und Einwanderungsmediator, der zeitweise auch in der Bonifizierungs-Branche arbeitete. 1991 war er im Zuge der albanischen Migrationswelle nach Welsberg gekommen. Im Gemeinderat will er sich für eine Reform des Ausländerbeirates nach dem Vorbild des Einwanderungsbeirates einsetzen.
Mirche Hristov, der Inhaber einer Reifen-Wechsel-Firma ist, sieht sich als lebenden Beweis, dass die Lega, seine Partei, nicht xenophob ist. „Bei der Lega heißt es in erster Linie, man muss arbeiten. Wer arbeitet, der bringt etwas weiter“, sagt Hristov. So will er es auch im Gemeinderat halten.
Abdallah Ab Chniouli hat diesbezüglich wesentlich klarere Vorstellungen. Er hat Politikwissenschaft studiert und studiert derzeit Wirtschaft an der Uni Bozen. In den vergangenen vier Jahren war er für seine Liste bereits Stadtviertelrat in Europa-Neustift. Seine Eltern kamen 1989 nach Südtirol, Ab, wie sie ihn alle nennen, wurde in Bozen geboren. Er ist ein Vertreter der zweiten Generation. „Die Herkunft spielt in meinen Augen eine immer kleinere Rolle. Wenn man jung ist, dann hat man die Chance, sich zu entwickeln. Egal, wo man herstammt“, analysiert Chniouli, Erstgewählter von Io sto con Bolzano. Er will sich im Gemeinderat insbesondere für die Anliegen der Jugendlichen einsetzen. „Auf dem Gebiet der Jugendkultur ist viel nachzuholen“, sagt der Neo-Rat.
Samir Zine Sekali, 49, Vater dreier Kinder, Angestellter des Bozner Aluminium-Werks, und derzeit Delegierter der Metallergewerkschaft Fiom-CGIL, will sich erst einmal ein Bild von der Arbeit im Gemeinderat machen. „Im Moment gibt unser Bürgermeisterkandidat Angelo Gennaccaro die Linie vor“, betont Sekali. Er wurde in Casablanca geboren und kam 2002 über Reggio Calabria nach Bozen. Er ist marokkanischer Staatsbürger und hat sich in Einwanderungsfragen engagiert. Zunächst als Mitglied des Bozner Ausländerbeirates und aktuell als Mitglied des Landes-Einwanderungsbeirates. Diese Erfahrung will er auch in die Arbeit des Bozner Gemeinderats einbringen. Wie, das muss Sekali erst sehen.
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Kommentare (12)
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tiroler
Multikulti ist in…
andreas
Mal schauen wie sie sich verhalten, wobei es aber so ist, dass manche Völker sich untereinander auf den Tod nicht ausstehen können, wie z.B. Serben und Kosovo-Albaner.
Auch sind manche Zuwanderer, welche schon seid Jahrzehnten hier sind, weit radikaler gegenüber den derzeitigen Migranten, als der Mehrheit der Gesellschaft.