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WALKING. Movements North of Bolzano

Erling Kagge im Museion. (Foto Luca Meneghel) : Gehen, Bewegung und Norden sind drei der wichtigsten Begriffe in meinem Leben

In der Ausstellung WALKING. Movements North of Bolzano präsentiert Museion die Kunstsammlung des norwegischen Erforschers Erling Kagge.

Der Kunstliebhaber, international gefeierten Autor und unabhängige Verleger entzieht sich starren Zuordnungen. Museion hat dieser Vielfalt noch eine weitere Facette hinzugefügt, indem es ihn als guest curatoreingeladen hat, die künstlerischen Positionen sichtbar zu machen, die ihn über Jahre hinweg am meisten beeindruckt haben. Für diese Ausstellung hat Kagge über 60 Werke von 30 lebenden Künstler_innen aus Nordeuropa ausgewählt – Malereien, Zeichnungen, Fotoarbeiten und Skulpturen -, die eine faszinierende Reise von Oslo nach Bozen ergeben.

Die Tatsache, dass die Ausstellung Künstler_innen zeigt, die selten in italienischen Museen zu sehen waren, zeigt die Affinität, die WALKING. Movements North of Bolzano zur Mission des Museion aufweist: durch das Einbeziehen neuer Perspektiven wird über den Status quo zeitgenössischer Kunstproduktion hinausgegangen. Dies wird besonders deutlich in der Sektion, die dem amerikanischen Künstler Raymond Pettibon (1957, Tucson, AZ) gewidmet ist: in ihr begegnen einander Werke aus der Sammlung Kagge und Werke aus der Sammlung Museion. Diese spezielle Präsentation umfasst auch mehrere Vorzeichnungen für Pettibons riesiges Wandbild “O.T. (I have writ’ nothing but surf),welches 2003 im Rahmen einer Einzelausstellung des Künstlers im Museion entstand.

Walking. Movements North of Bolzano, Ausstellungsansicht, Museion. Foto Luca Meneghel

In Hinblick auf seine Ausstellung sagt Erling Kagge: “Eine Motivation für WALKING: Movements North of Bolzano war, Kunst von einmal mehr, einmal weniger bekannten Künstler_innen zu zeigen, die in Südtirol selten zu sehen waren. Gehen, Bewegung und Norden sind drei der wichtigsten Begriffe in meinem Leben. Wir hätten Kunst aus anderen Gegenden der Welt einbeziehen können, die man nicht gehend erreichen kann, aber mir hat die Vorstellung gefallen, Entscheidungen zu treffen und den Blick von Bozen aus nach Norden zu richten – und dabei gewissermaßen in Gehdistanz zu bleiben“.

WALKING. Movements North of Bolzano macht die enge Beziehung sichtbar, die Kagge zu den von ihm gesammelten Künster_innen herstellt. Das lässt sich an bestimmten Themen erkennen, aber auch an der Tatsache, dass Kagge Werke von Künstler_innen sammelt, denen er seit Jahren sehr aufmerksam folgt. Die Ausstellung lässt deutlich erkennen, wie Kagge das Oeuvre einzelner Künstler_innen vertieft.

Kagges Auseinandersetzung mit Literatur wird beim Norweger Matias Faldbakken deutlich, einer der innovativsten Stimmen der nordischen Literatur. In seinen Assemblagen transformiert Faldbakken durch den Einsatz von Sprache die Materialität gefundener, oft industriell gefertigter Objekte. Das gilt auch für die deutsche Künstlerin Kirsten Pieroth, die mit gefundenen Drucksachen arbeitet. Ihre Skulptur Frozen Spinach (2017) besteht aus Seiten der Financial Times, die – bemalt und zusammengepresst – aussehen wir ein Block von gefrorenem Spinat. Ein anderes Werk von Pieroth, Untitled (Essences) von 2014, besteht aus eingekochten Büchern und persönlichen Dokumenten, die sie in Einmachgläser eingefüllt hat. Beide Werke sind Bespiele für eine ironisch fundierte buchstäbliche bzw. abstrakte Interpretation, die zeigen will, wie obsolet und fragil Gedrucktes ist.

Ähnliche Gedanken kehren in der Ausstellung z.B. im Werk Balzac IV (2008) der norwegischen Künstlerin Hanneline Røgeberg wieder, die in klassischer Malmanier einen männlichen Hodensack darstellt. Das Bild ist eine Referenz auf Honoré de Balzacs berühmte Erzählung Das unbekannte Meisterwerk (1831). Ausgehend von Balzacs berühmtem Text führt die Künstlerin einen Gender-Aspekt ein, indem sie die Perspektive von einer männlichen zu einer weiblichen verschiebt.

Dieser spezielle Gender-Aspekt schafft einen Übergang zu der Präsentation des Werkblocks der deutschen Künstlerin Jana Euler. Die für die Ausstellung ausgewählten Bilder der Künstlerin geben Einblick in ihr einflussreiches Werk, in dem sie Fragen von Gender und Autorschaft in Beziehung zur Geschichte der Malerei setzt. In WALKING. Movements North of Bolzano sind vier große Werke der Künstlerin zu sehen, die ihren internationalen Ruf begründet haben, indem sie den weiblichen Körper und weibliche Sexualität auf eine Weise malerisch darstellen, die die männlich dominierte Perspektive in der Geschichte der Malerei in Frage stellen. GWF 3 (2019) beispielsweise zeigt einen Riesenhai, der Assoziationen zur Karikatur eines Phallus und damit von Männlichkeit und Macht hervorruft.

Der Bruch mit Konventionen lässt sich auch im Werk des deutschen Künstlers Wolfgang Tillmans erkennen. Seine berühmte Concorde-Serie zeigt eine Concorde aus verschiedenen Blickwinkeln und Distanzen. Die Serie dient der Darstellung “des letzten Beispiels techno-utopischer Erfindungen der 1960er Jahre”, einer Ikone globaler Ökonomie und globalen Handels. In ihrer Herstellungsweise, von Format und Thema her unterschiedliche Werke des Künstlers kehren an mehreren Stellen der Ausstellung wieder: als große abstrakte Werke wie im Fall von Urgency X (2006) oder als realistische, einer Alltagspoetik folgende Bilder wie in Untitled (jam) von 2003.

Ausgestellte Künstler_innen: Vanessa Baird (NO, 1963); Nina Beier (DK, 1975); John Bock (D, 1965); Gardar Eide Einarsson (NO, 1976); Olafur Eliasson (DK, 1967); Lars Elling (NO, 1966); Michael Elmgreen (DK, 1961) und Ingar Dragset (NO, 1969); Jana Euler (D, 1982); Matias Faldbakken (DK, 1973); Urs Fischer (CH, 1973); Isa Genzken (D, 1948); Lothar Hempel (D, 1966); Karl Holmqvist (SE, 1964); Ann Cathrin November Høibo (NO, 1979); Anne Imhof (D, 1978); Sergej Jensen (DK 1973); Klara Lidén (SE, 1979); Michaela Meise (D, 1976); Manfred Pernice (D, 1963); Raymond Pettibon (USA, 1957); Kirsten Pieroth (D, 1970); Hariton Pushwagner (NO, 1940); Torbjørn Rødland (NO, 1970); Hanneline Røgeberg (NO, 1963); Vibeke Tandberg (NO, 1967); Wolfgang Tillmans (D, 1968); Peter Wächtler (D, 1979); Lawrence Weiner (USA, 1942); Anna Zacharoff (SE, 1967).

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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