Das erste Mal
Ungewöhnlich und spannend. Wie sich der Kino-Restart anfühlt.
von Renate Mumelter
Am Sonntag war es soweit. Endlich wieder in einem dunklen Saal in eine andere Welt abtauchen, ein Genuss. Das Ins-Kino-Gehen fühlte sich anders an, und das hatte nicht nur mit der Maske zu tun.
Dieser Überfluss
Da ist zunächst einmal dieser überfordernde Überfluss. Kinoprogramme, wohin das Auge reicht, aber was will ich eigentlich wirklich sehen? „Tenet“, den Action-Spionage-Film, der das neue US-Kino retten soll, Horrorfilme, Animation, Romanzen, mehr oder weniger lustige Komödien? Die zwei Autorenfilme im Angebot habe ich bereits vor Corona gesehen. Muss nicht ein zweites Mal sein.
In dieser Fülle braucht es Auswahlkriterien. Die meinen sind die Beginnzeit, Genre und Inhalt des Films, Cast und Crew, das Kino. Zum Anfangen lieber etwas Vertrautes, lieber eine Beginnzeit mit weniger Andrang. Die Wahl fällt auf eine Komödie mit guten Schauspielern. Kann nicht alles schief gehen bei „Enkel für Anfänger“, ich gehöre eh zur Zielgruppe.
Maske & Co.
Dann stellt sich noch die Frage nach der Maske. Eine chirurgische, eine selbstgenähte oder eine sichere FFP2? Soll ich sie im Kinosaal abnehmen (was beim Sitzen erlaubt wäre), unters Kinn ziehen (nie!) oder einfach im Gesicht lassen? Wie soll ich mich verhalten, wenn jemand den zugewiesenen Platz verlässt und mir auf die Pelle rückt? Was soll ich machen, wenn sich mein Hustenreiz einstellt, der nichts mit Corona zu tun hat? Muss ich mich erklären?
Am Sonntag um 17.30 Uhr sind wenig Leute im Saal (schlecht fürs Kino, gut für mich), trotzdem beschließe ich, meine FFP2-Schutzmaske nicht abzunehmen, um zu sehen, ob sich die vielfach prophezeite Atemnot wirklich einstellt. Von Masken-Atemnot aber keine Spur, ganz im Gegenteil. Ich vergesse sogar, dass ich eine Maske im Gesicht habe. So funktioniert Kino eben.
Dabei ist der ausgewählte Film weder atemberaubend noch ein Thriller sondern eine deutsche Feelgood-Komödie über ältere Menschen, die es als Leihomas und -opas versuchen. Vieles ist vorhersehbar, aber der Film bleibt unterhaltsam und ist gut gespielt. Ich behalte den ersten Kinobesuch in guter Erinnerung.
Die Folgen
Mein Kinoterminkalender füllt sich. Gleich am Montag der Dokumentarfilm „Fellini Degli Spiriti“ wenig filmisch dafür aber mit viel Gerede über Fellinis esoterischen Anteil. Na ja. Und am Mittwoch schon wieder ein Kinotermin. Die Eröffnung des ersten großen Filmfestivals nach dem Lockdown. Die Mostra del Cinema in Venedig zeigt „Lacci“ von Daniele Luchetti (kommt im Oktober).
Am Donnerstag geht’s hier weiter mit „Molecole“ einer ganz besonderen Dokumentation von Andrea Segre, den ich sehr schätze. „Molecole“ war in Venedig zu sehen und ist eine dokumentarische Erzählung, die im Lockdown in Venedig ihren Ausgang nimmt und auf eine ungewöhnliche Reise begleitet. Zu sehen gibt’s also genug.
Nur, wo bleibe ich bei so viel Kino? Wie immer wäre weniger mehr im. Aber das geht einfach nicht, sagt die Wirtschaft.
Kinotipps
„Molecole“ (IT 2020), 71 Min., Regie Andrea Segre
„Das geheime Leben der Bäume“ (D 2019), 96 Min., Regie Jörg Adolph (nur SA, SO)
„Selfie“ (IT/FR 2019), 78 Min., Regie Agostino Ferrente (MI)
„I Vitelloni“ (IT 1953), 100 Min., Regie Federico Fellini (DO)
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