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Tritt in den zeitgenössischen Hintern

Peter Paul Kainrath

Kulturcheck unter Coronabedingungen: Die 20. Ausgabe des Transart-Festivals lässt sich von der Pandemie nicht die Lust an der Zukunft verderben.  Mit Konzerten, Performances, Filmen, Ausstellungen und einem futurologischen Kongress für künstliche Intelligenz geht es zur Sache.

 

(sh) Nicht alle jubilierten damals vor 20 Jahren, als Peter Paul Kainrath mit der unerhörten Idee eines Festivals für zeitgenössische Kultur in den Stuben der Politik vorstellig wurde. Zu ungewohnt war für die an bieder getrennte Kunstgattungen gewohnten Politfunktionäre die Mischung sämtlicher Genres, wie es für die zeitgenössische Kunst programmatischer Alltag ist. Mittlerweile sind auch Bürgermeister Renzo Caramaschi und sein Vize Luis Walcher stolz, ein international angesehenes Avantgardefestival in Südtirol zu beheimaten.

Daran ändert auch die zu erwartende Covid-Schutzmaskenperformance der 20. Ausgabe nichts. Ganz im Gegenteil, sagt der Gründer Peter Paul Kainrath: „Covid hat uns einen Tritt in den zeitgenössischen Hintern versetzt, um den Blick noch entschlossener in die Zukunft zu richten.“ Subtiler verknüpft als alles, was die Pandemie auseinanderdividiert hat, ist der kommende Woche beginnende Reigen an Konzerten, Performances, Filmen, Ausstellungen und Diskussionen. Grundtenor: Alles andere als  apokalyptisch, aber umso kritischer auf die Gegenwart und Zukunft schauend.

Musik

TRANSART20 eröffnet am 10.9. in drei Teilen an drei verschiedenen Orten im Park Edison, einer neuen Halle aus Stahl und Glas am Rande von Bozen. Zehn Jahre nach der Weltpremiere von In Vain von Georg Friedrich Haas verleiht das Klangforum Wien dem Werk eine neue, räumliche Dimension. Choreografin Doris Uhlich untersucht radikaler, performativer Weise die technologischen Versprechen des Glücks. Der Komponist und Keyboarder Dorian Concept überschreitet die Grenzen zwischen Elektronik, Jazz, Funk, Hip-Hop und Ambient und interagiert dabei mit dem Klangforum Wien bei der Aufführung von Hyperopia, einer Auftragskomposition für das Klangforum Wien, das an diesem Abend zur Uraufführung kommt.

Die Choreografin Doris Uhlich untersucht in radikaler, performativer Weise die technologischen Versprechen des Glücks. (Foto: Axel Lambrette)

Am 16.9. betritt die Wiener Band mit dem ungewöhnlichen Namen 5K HD die Bühne des Musikpavillons in Eppan. Die norwegische Performerin und Komponistin Maja Solveig Ratkje wird am 17.9. im Museion vor dem Hintergrund der dort gezeigten Kunstsammlung des ebenfalls in Norwegen geborenen Entdeckers und Abenteurers Erling Kagge gemeinsam mit dem mdi ensemble von Eis, Fjorden und Nordlichtern ihrer Heimat erzählen. Am 18.9. ist im UFO in Bruneck als neuer Akzent im Programm das Pop-Duo ANGER mit Julian Angerer und Nora Pider zu hören.

Die vierte Ausgabe von INAUDITO am 19.9. lädt ein zu einer fünfstündigen Konzertinstallation in die Antonio Dalle Nogare Stiftung, in deren Mittelpunkt der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas, einer der tiefgründigsten Pioniere der Zeitgenössischen Musik, steht. Thema ist dabei auch seine schillernde Beziehung zu seiner Muse und Ehefrau, der Autorin und BDSM Pädagogin Mollena Williams. Das Publikum ist eingeladen, sich auf das mikrotonale, ästhetische Universum von Haas einzulassen, interpretiert vom mdi ensemble und ensemble chromoson, aber im Dokumentarfilm The Artist & the Pervert auch Einblicke in beider Privatleben zu nehmen.

Der Künstler, Dichter und Choreograf Alex Cecchetti bringt am 20.9. seinen Astronomic Weather Choir auf das Vigiljoch, im Anschluss sind mit Die Knödel, wahre Pioniere der neuen österreichischen Volksmusik, auf der Terrasse des Vigilius Mountain Resort zu hören.

Theater und Performance

In Filomena – Boccaccio Reloaded, einer Kooperation mit den VBB aktualisieren acht Südtiroler Autor*innen das zeitlose Werk Decamerone und stiften heutige Perspektiven in Form einer inszenierten Show auf den Hebebühnen zweier Baumaschinen, zu sehen in Bozen, Meran und Brixen.
Ebenfalls unterwegs im Land ist Transart mit dem ART TRUCK. Eine mobile Schaubude bespielt an drei Tagen drei öffentliche Plätze.  Der legendäre Schweizer Konzeptkünstler Roman Signer hat dem Festival bereits zwei seiner legendär kurzen Zeitskulpturen und seinen Südtiroler Fans damit unvergessliche Momente beschert. Er kehrt zurück, diesmal zu einem Streifzug in vier Teile auf dem Ritten am 13.9., wo ab 16:30 Uhr ein Quartett an Aktionen des 82jährigen Konzept- und Aktionskünstlers aus St. Gallen bei Transart zu erleben sein wird.

Filme und Ausstellungen

Traditionsgemäß enthält das Festival auch zwei Filmvorführungen im Rahmen der Movie Mondays, gezeigt wird in diesem Jahr anlässlich des 10. Todestages von Christoph Schlingensief der Film In das Schweigen hineinschreien von Bettina Böhler sowie Varda by Agnès, Agnès Vardas letztes Werk. Am 12.9. wird im Kulturzentrum Trevi Cultural Center die Ausstellung Scavengers von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau, Medienkünstler, Forscher und Pioniere der interaktiven Kunst, eröffnet. Ebenfalls am 12.9. wird die Skulptur VESTER DLACIA des Grödner Künstlers Aaron Demetz beim Kreisverkehr bei der Autobahnausfahrt Bozen Süd eingeweiht.

Futurologischer Kongress

Im zweiten Projekt nach MUTEK DIGITAL im NOI beginnt am 21.9. der nach einer Idee von Eurac Research konzipierte erste Futurologische Kongress für künstliche Intelligenz. In seinem Verlauf werden sechs Tage lang Philosophen, Zukunftsforscher, Performancekünstler, Medienwissenschaftler, Informatiker, Musiker und Autoren die Potentiale der Digitalisierung und die Auswirkungen der Robotik auf unsere künftige Lebenswelt diskutieren.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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