Das „Fehlende“ ist Teil des Prinzips
Inspirieren das Coronavirus und die Quarantäne die Künstler*innen zu neuen Werken? Wenn ja, zu welchen? Die Corona-Galerie der Tageszeitung sucht Bilder und fragt mit Marcel Proust und Max Frisch nach. Heute der Tiroler Maler Thomas Riess.
Wie geht´s?
Selten mittelmäßig, meist gut und immer wieder mal sehr gut.
Wie ist Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Sehr gut.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Zärtlichkeit – Eine Philosophie der sanften Macht von Isabella Guanzini
Was ist Ihre erste Erinnerung?
Eine Situation als ca. Dreijähriger vor meinem Elternhaus, als ich mit einem Kinderspazierstock spielte. Eines meiner ältesten Kinderfotos belegt dies und ließ die Erinnerung daran oder viel mehr die Emotion, die ich dabei hatte, wieder auffrischen.
Was wollten Sie als Kind werden?
Instrumentenbauer.
Warum sind Sie Künstler geworden?
Ich konnte mir nie vorstellen, ein Leben lang zig Stunden täglich etwas zu tun, für das ich nicht brenne. Für die Musik und die Kunst tat ich das immer. Nachdem ich einige Versuche mit nicht erfüllenden Tätigkeiten hatte, kamen für mich nur die beiden in Betracht. Nach langem Ringen endschied ich mich dann für die Kunst.
Bereuen Sie diese Entscheidung manchmal?
Nur dann, wenn ich daran denke, dass ich durch die Kunst die Musik vernachlässigt habe.
Wenn Sie nicht Künstler wären, wer oder was möchten Sie sein?
Musiker, Komponist, Modedesigner
Welche/r Künstler/in hat Sie am stärksten beeinflusst?
Da gibt es von alten Meistern bis Künstlern der Gegenwart einige und sie wechseln mit meiner künstlerischen Weiterentwicklung. Immer sind es jedoch diejenigen, die in ihren Arbeiten Inhalt, Form und künstlerischen Intellekt perfekt paaren und es schaffen, einen magischen Moment zu erzeugen, eine Metaebene, die Kunstwerke zu etwas Besonderem, etwas Zeitlosem werden lassen. Velasques und Basquiat sind nur zwei davon.
Welches künstlerische Werk hätten Sie gern selbst gemacht?
Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht, ich würde es wahrscheinlich sowieso ganz anders machen.
Welchem/r Künstler/in möchten Sie gerne begegnen?
Wenn sie noch leben würden, dann Don Carlo Gesualdo und Caravaggio
Was würden Sie ihn/sie fragen?
Ich hätte mich über Musik, Malerei und die damalige Zeit unterhalten und sie gefragt, wie man zum einen so bahnbrechende göttliche Madrigale, so beseelte Gemälde schaffen und zum anderen morden kann.
Zweifeln Sie manchmal an der Kunst?
Immer! Am Prinzip der Kunst und an meiner. Aber gleichzeitig ist der Zweifel Antrieb zu Veränderung und Wachstum.
Was nervt Sie an der Kunstwelt?
Dass es oft gar nicht wirklich um die Kunst geht.
Was vermissen Sie in der Quarantäne am meisten?
Mittlerweile ist ja das Gröbste vorbei, aber schlimm war für mich nicht die Einschränkung selbst, sondern dass sie nicht mein eigener Entscheid war.
Verändert die Quarantäne Ihre Kunst oder machen Sie einfach weiter wie bisher?
Bewusst verändert sie nicht, unterbewusst wahrscheinlich schon.
Ist die Corona-Pandemie ein Thema Ihrer Kunst oder halten Sie sie davon frei?
Es dreht sich momentan alles nur mehr um Corona, obwohl wir alle kein wirkliches faktisches Wissen zur Verfügung gestellt bekommen. Aber die Wahrheit ist ein Kind der Zeit. In der Zwischenzeit beschäftige ich mich daher nicht bewusst künstlerisch mit dem Thema.
Wovor fürchten Sie sich?
Dass wir es verschlafen, für Demokratie und Freiheit einzutreten.
Was fehlt Ihnen zum Glück?
Nichts, das „Fehlende“ ist Teil des Prinzips.
Was ist für Sie das größte Unglück?
Das Leben nicht voll auskosten zu können.
Möchten Sie gerne reich sein?
Ich fühle mich so reich an vielem, das setze ich jedoch nicht mit monetärem Reichtum in Verbindung.
Welche Hoffnung haben Sie schon aufgegeben?
Das der Großteil der Menschheit selbstbestimmt lebt und denkt.
Welches ist Ihr liebstes Vorurteil?
Keines, ich versuche sie eher los zu werden.
Lieben Sie jemand?
Sehr viele und einige wenige ganz besonders. Die Liebe ist mannigfaltig.
Sind Sie sich selbst ein/e gute/r Freund/in?
Eigentlich schon, ich mag mich auch, wenn ich mich mal nicht mag.
Was würden Sie an Ihrem Äußeren am liebsten ändern?
Einiges, wie wahrscheinlich jede/r wenn sie/er ehrlich ist, aber wahrscheinlich käme ich im Nachhinein darauf, dass es doch gut so war wie es vorher war.
Was ist Ihr größter Fehler?
Das sag ich natürlich nicht.
Was verabscheuen Sie am meisten?
Wie unverfroren die Politik mit den Menschen umgeht.
Wie alt möchten Sie werden?
Egal, muss nicht so alt sein, dafür komme ich lieber zweimal.
Wie möchten Sie sterben?
Glücklich und zufrieden, mit dem Gefühl, nichts versäumt zu haben.
Glauben Sie an die Wiedergeburt?
Ja, ein Leben ist mir eindeutig zu wenig!
Zur Person
Thomas Riess, 1970 in Zams geboren, lebt und arbeitet in Wien. Von 1995 – 2001 studierte er an der Universität Mozarteum Salzburg, Klasse für Grafik und visuelle Medien. Diplom 2001. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland unter anderem: Kunsthalle Zürich, Museum der Moderne Salzburg, Kunsthalle Krems, Essl Museum Klosterneuburg, Frohner Forum Krems, 55. Biennale di Venezia Palazzo Bembo Venedig, Künstlerhaus Wien, Palais Liechtenstein Feldkirch, Dep. of Fine Arts, University of New Orleans
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