„Ruhe bewahren“
Der deutsche Allergologe Eberhard Paul erklärt warum es heuer so viele Wespen gibt, wie man sich davor schützen kann und woran man eine allergische Reaktion erkennt.
TAGESZEITUNG: Herr Professor Paul, warum plagen uns diesen Sommer so viele Wespen?
Professor Eberhard Paul: Die Wespenkönigin überlebt als einzige ihres Volkes den Winter und im Frühjahr baut sie ihr neues Nest und Volk auf, das über den Sommer dann immer größer wird. Wenn Frühling und Sommer besonders warm und trocken sind, können sich die Wespen ungestört von Kälte und Regen vermehren. Im Spätsommer, wenn Obstbäume Früchte abwerfen, die besonders reif und süß sind, werden die Wespen davon angelockt und kommen dann öfters in Konflikt mit den Menschen.
Wie können wir in dieser Zeit vermeiden, von einer Wespe gestochen zu werden?
Wespen sind sehr intelligent, aus diesem Grund sollte man ruhig bleiben und keine hektischen Bewegungen machen oder nach ihnen schlagen, was die Aggressivität erhöht. Da sich Wespen auch für die Speisen und Getränke interessieren, die wir auf dem Teller oder im Glas haben, gilt grundsätzlich, das Essen und Trinken im Freien abzudecken, keine Süßigkeiten und reife Früchte im Freien essen und nicht zu viel Parfüm, Haarspray oder parfümierte Cremen verwenden, denn der Geruch lockt die Wespen an. Außerdem hilft es, weiße Kleidung der bunten vorzuziehen, denn auch von bunten Farben und großen Mustern werden Wespen angezogen. Ein ganz wichtiger Tipp: Nicht aus der Flasche trinken, denn Wespen könnten in die Flasche hineinkrabbeln und könnten beim Trinken verschluckt werden, dann wird es gefährlich.
Die Wespe könnte dann im Hals oder Rachenbereich zustechen?
Ja, richtig. Das ist sehr gefährlich, denn dort ist das Gewebe sehr dünn und es kann sehr stark anschwellen. Wenn die Atemwege zuschwellen gerät man in Atemnot und kann daran auch sterben.
Dies ist aber keine allergische Reaktion?
Nein, das ist noch reine Giftwirkung. Wenn man von einer Wespe gestochen wird, dann injiziert diese ihr Gift mit dem Stachel in unser Gewebe. Die Haut rötet sich dann, schmerzt und schwillt an. Wurde man an einer Körperstelle gestochen, die sehr dünnes Gewebe aufweist, wie etwa das Gesicht, dann schwillt die Stelle rund um den Stich sehr stark an. Dabei handelt es sich um eine lokale Reaktion auf das Wespengift und keine allergische. Auch wenn etwa das Auge nach einem Wespenstich in der Augengegend vollkommen zuschwillt, ist dies noch normal. Meist klingen der Schmerz und die Schwellung nach einigen Stunden wieder ab.
Eine Schwellung ist also kein Grund, zum Arzt zu gehen?
Um eine dicke Schwellung zu vermeiden, sollte man direkt nach dem Stich Eis auflegen und Druck auf die Stelle ausüben. Falls man jedoch weiß, dass man eine Allergie hat oder von sehr vielen Wespen gestochen wird, sollte man direkt zum Arzt gehen.
Was passiert bei einer allergischen Reaktion auf das Wespengift?
Der Verdacht auf eine Allergie sollte aufkommen, wenn nach einem Stich die Schwellung vielleicht tagelang bestehen bleibt oder sich auf ganze Körperteile ausbreitet. Das Vollbild einer Allergie zeigt sich mit Kreislaufproblemen, Luftnot und Nesselsucht bis hin zum allergischen Schock. Man muss sich vorstellen, dass beim Schock im ganzen Körper Gefäße erweitert und für das Blutwasser durchlässig werden. Für den Kreislauf steht dann nicht mehr genügend Blut zur Verfügung und es können Symptome wie Benommenheit, Übelkeit und Ohnmacht auftreten. Im schlimmsten Fall kann man daran sterben. Doch Allergiker wissen meist, wie sie handeln müssen und haben ihre Notfallmedikamente im besten Fall dabei. Trotzdem sollte man sicherheitshalber sofort den Arzt rufen.
Viele Menschen haben besonders große Angst vor einem Wespenstich, weil sie noch nie gestochen wurden und Panik haben, allergisch auf das Wespengift zu reagieren. Ist diese Angst berechtigt?
Im Normalfall gilt: Man wird nicht mit Allergien geboren. Beim ersten Kontakt mit dem Allergen reagiert der Körper meist ganz normal. Damit sich eine Allergie entwickelt, müssen erst Antikörper gebildet werden, die beim nächsten Kontakt mit dem Allergen eine allergische Reaktion hervorrufen. Es ist also hochunwahrscheinlich, dass man beim ersten Kontakt mit einem Allergen, bereits eine allergische Reaktion darauf hat.
Leiden viele Menschen an dieser Allergie?
Es ist keine Seltenheit. Sie tritt besonders oft bei jungen Erwachsenen auf und klingt in manchen Fällen im Alter etwas ab. Man kann auch eine Hypersensibilisierung vornehmen, dafür werden vom Arzt dem Körper verdünnte Mengen an Gift zugeführt, damit der Organismus sich langsam an das Gift gewöhnen kann. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich allerdings, wenn man den Menschen sagt, dass die erste Regel rund um die Wespen „Ruhe bewahren“ heißt, dann werden sie auch viel seltener gestochen.
Interview: Mathilde Galli
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