„Erleichterung für Frauen“
Der italienische Gesundheitsminister kündigt weitreichende Neuerungen der Richtlinien für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch an. Warum das ein wichtiger Schritt für Frauen ist.
von Martina Soini
Samstag letzter Woche kündigte der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza in einem Twitter-Post an, dass es nun, nach zehn Jahren, Neuerungen in Bezug auf die nationalen Regelungen zu Abtreibungen geben wird.
Herbert Heidegger, Primar der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in Meran, erklärt: „Bislang standen die Frauen in Italien vor der Wahl, eine ungewollte Schwangerschaft entweder durch einen chirurgischen Eingriff oder medikamentös mittels Einnahme eines Präparats (Mifegyne) abzubrechen.“
Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch stand bisher nur bis zur siebten Schwangerschaftswoche offen und war grundsätzlich an einen verpflichtenden Krankenhausaufenthalt von drei Tagen geknüpft, während ein chirurgischer Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen zulässig ist und die Frau in diesem Fall meist noch am selben Tag nach Hause kann.
Der Plan des Gesundheitsministers sieht vor, die Zeitspanne, in der die Einnahme des Präparats erfolgen muss, nun auf neun Wochen auszudehnen. Außerdem soll der dreitägige stationäre Aufenthalt nicht mehr verpflichtend sein.
„Die Frauen könnten das Medikament dann im Rahmen eines Day-Hospital oder auch in entsprechenden Beratungszentren einnehmen“, weiß Heidegger.
Grundsätzlich befürwortet der Primar die von Speranza angekündigten Neuerungen gerade auch mit Blick auf die Situation in Südtirol: „2019 wurden nur 1,4 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche in Südtirol auf medikamentösen Weg durchgeführt, und das obwohl diese Methode eigentlich mit wenig Komplikationen verbunden ist. Unser Ziel ist, den Frauen die schonendste Methode anzubieten. Viele Frauen sind bisher allerdings vor dem dreitägigen Krankenhausaufenthalt zurückgeschreckt.“
In diesem Sinne könnten die neuen Richtlinien also für die betroffenen Frauen eine Erleichterung bedeuten, die in Zukunft außerdem etwas mehr Zeit als zuvor haben, um sich für die eine oder die andere Methode zu entscheiden.
Bei der Umsetzung der neuen Regelungen müsse man allerdings ein besonderes Augenmerk darauf legen, die Betreuung der Frauen auf keinen Fall zu vernachlässigen, betont Heidegger: „Wenn eine Frau nach der Einnahme des Medikaments nach Hause möchte, muss der diensthabende Arzt für den Bedarfsfall natürlich nach wie vor rund um die Uhr für sie erreichbar sein.“
Eine hohe Qualität der Begleitung sei vor allem in den Tagen nach der Verabreichung des Präparates wichtig. Denn gerade in dieser Zeit seien die Frauen oft sehr unsicher und mit vielen Zweifeln konfrontiert, so der Primar. „In einer derart schwierigen Situation wollen wir die Frauen auf keinen Fall alleine lassen, sondern bestmöglich unterstützen. Außerdem: Wenn sich eine Frau nicht gut fühlt, können wir sie jederzeit stationär aufnehmen und durch entsprechende Kontrollen stellen wir sicher, dass alles verläuft wie es soll.“
Italienweit hat Speranzas Ankündigung hohe Wellen geschlagen und stößt einerseits auf Befürwortung und andererseits, gerade in konservativ-kirchlich geprägten Lagern, auf Ablehnung und Empörung. Vorwürfe, die von mangelnder Verantwortung oder gar einem „Alleine-Lassen“ der Frauen sprechen, weist Heidegger entschieden zurück. „Wir dürfen hier, wo es um die Frage nach verschiedenen Methoden geht, nicht wieder auf die Grundsatzdiskussion zurückfallen, ob Schwangerschaftsabbrüche zu befürworten sind oder nicht. Die Frauen, die diese Entscheidung getroffen haben, haben ein Beratungsgespräch und oft ein langes Hin- und Herüberlegen hinter sich.“
Skepsis gegenüber der in Aussicht stehenden Neuerungen begegnet der Primar mit Erfahrungswerten: „Ein Vergleich mit anderen Ländern Europas zeigt, dass sowohl mit der geplanten Behandlung auch andernorts schon gute Erfahrungen gemacht wurden. Das heißt: eine aktuelle medizinische Bestandsaufnahme weist grundsätzlich genau in die Richtung einer solchen Reform“.
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