Kino ist kein Wunschkonzert
Raimund Obkircher erzählt vom knallharten Kinogeschäft und vom Spezialfall Südtirol.
von Renate Mumelter
Es ist wie mit einer Torte: die Gastgeber denken darüber nach, besorgen die Zutaten, rühren Teig, backen, verzieren und servieren. In wenigen Minuten ist die Torte verzehrt und wird als gut oder schlecht befunden. Ende.
Wäre das Kino eine Torte, wäre der Vorgang ähnlich. Die Esser (das Publikum) kennen die Zutaten (Regie, Kamera, Ton, Schnitt, Geld), den Backvorgang auch. Nur den Weg von der Küche auf den Esstisch kennen viele nicht. Der kann steinig sein, vor allem in Südtirol. Tortenlieferanten sind die Verleihfirmen. Sie schneiden die Stücke ab und verteilen sie.
Um zu einem Tortenstück zu kommen, muss man sich anstellen. Das tut auch der Programmgestalter des Filmclubs, Raimund Obkircher. Er kennt alle Hürden, die ein Film nehmen muss, bis er auf der Leinwand ist.
Verleihfirmen
Der Filmclub stellt sich beim Verleiher in die Warteschlange und kommt dran, wenn die Verleihfirma es will und wenn es die Gesetze erlauben,.
Die großen Verleihfirmen wie Warner, Universal oder Walt Disney arbeiten global und haben nationale Vertretungen. In Italien sitzt die Vertretung in Rom und bedient in den regionalen Verleihbezirken spezialisierte Agenturen. Südtirol zählt in dem Fall zum Triveneto.
Wenn Raimund Obkircher einen Film ins Programm nehmen möchte, muss er sich an eine der Agenturen in Padua wenden. Die muss sich an das Marketing ihrer Auftraggeber in Rom halten. Dort wird entschieden, ob ein Film im Plexx oder im Programmkino gezeigt wird. Vom Rom kommt die Vorgabe, wie lange ein Film gespielt werden muss und wie viele Vorstellungen pro Tag eingeplant werden müssen. Die Pläne des Kinos sind egal.
In Rom wird auch bestimmt, ob ein Film im Paket erworben werden muss. Das kann bedeuten, dass für einen interessanten Film auch drei weitere ins Programm kommen müssen, die gar nicht passen.
Geld
Die Verleiher bekommen von den Kinos einen Fixbetrag für jeden Film und Prozente auf die verkauften Eintrittskarten. Davon leben Verleiher, regionale Agenturen, indirekt auch Produktionsfirmen und die Filmwirtschaft insgesamt. Es macht also durchaus Sinn, Eintritt zu bezahlen.
Südtiroler Versäumnis
Ab und zu wird Raimund Obkircher gefragt, warum er einen Film nicht zeigt, obwohl ORF, ARD, ZDF, Standard, Süddeutsche gerade dafür werben. Das hat mit einem Südtiroler Versäumnis zu tun. Die Südtiroler Politik hat sich nie ernsthaft mit Filmrechten befasst.
Nach internationalem Filmrecht ist Südtirol Italien, Alto Adige. Das hat zur Folge, dass ein neuer Film von Margarethe von Trotta im deutschen Sprachraum starten könnte, in Südtirol aber nicht gezeigt werden darf, weil der Film in Italien später anläuft. Das kann Monate dauern und ist schwer nachvollziehbar. Lösungen gäbe es. Aufmerksame Produktionsfirmen und Verleihe kaufen jetzt schon die Rechte für Österreich und explizit Alto Adige. Sie müssen das aber auch wissen und wollen.
Zu kaufen gibt es die Filmrechte auf den großen Marketplaces in Cannes und Berlin zum Beispiel. Wenn es ein Film dort schafft, eine Option für Italien zu verkaufen, heißt es warten, bis der Film in Italien herauskommt, auch wenn er schon in Österreich, Deutschland und der Schweiz läuft. Leichter geht’s bei Filmen, die keine Italienoption verkaufen, weil kein Interesse besteht. Das war beispielsweise bei „Deutschstunde“ der Fall, der bei #Filmclub Restart lief.
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