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„Billige Anbiederung“

oDie Umweltschützer schlagen Alarm: Der einzigartige Reiz unserer Bergwelt gehe immer öfter in Inszenierungen und Installationen unter.

von Artur Oberhofer

„Unsere Berge brauchen keine Geschmacksverstärker“. Mit diesem markanten Ausspruch auf einem Banner, das er – in einem Biwak an der Aussichtsplattform AlpspiX hängend – in die Kameras zeigte, brachte es der deutsche Extremkletterer Stefan Glowacz vor zwölf Jahren auf den Punkt: Das Erlebnis ist der Berg, das Erlebnis ist die Natur, das Erlebnis ist die Ausgesetztheit, das Erlebnis ist die Anstrengung, um das Ziel zu erreichen.

Der einzigartige Reiz unserer Bergwelt: Immer öfter gehe er in Inszenierungen und Installationen unter, die die alpine Landschaft zur Kulisse verkommen lassen. Einheitsbrei und Austauschbarkeit seien die Folge. In einer Pressekonferenz kritisierten die Landesobfrau des Heimatpflegeverbandes Claudia Plaikner, der Präsident des AVS Georg Simeoni und der Vorsitzende des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz Klauspeter Dissinger diese „rückwärtsgewandte Vermarktung“ und fordern zukunftsfähige Strategien und einen respektvolleren Umgang mit dem Erbe unserer Kultur- und Naturlandschaft.

Skywalks, Aussichtsplattformen, Themenwege, Panoramaterrassen, Flying-Foxes, Fun-Klettersteige usw. mögen zwar kurzfristig mehr Profit bringen. „Langfristig aber schädigen diese überholten Konzepte die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus in Südtirol“, so die Umweltschutzverbände.

„Alles, was wir lieben“: So lautet der Slogan der aktuellen IDM-Kampagne zur Präsentation Südtirols auf den touristischen Hauptmärkten. Getragen wird diese Botschaft von einzigartigen Bergpanoramen, scheinbar unberührter Natur und großartiger, ursprünglicher Landschaft. Damit trifft man genau jene Alleinstellungsmerkmale Südtirols, die auch die Eurac-Studie „Zukunft Tourismus Südtirol 2030“ bestätigt: Die allermeisten Internet-Suchanfragen von Touristen in Zusammenhang mit Südtirol haben attraktive und unberührte Landschaft zum Thema.

Schöne Landschaft und Authentizität seien mit die wichtigsten Gründe für einen Südtirol-Urlaub.
„Die immer brachialeren und exponierteren Eingriffe für Erlebnisinstallationen zugunsten kurzfristiger Gewinnmaximierung mindern nicht nur die Lebensqualität aller Südtiroler, sondern nehmen auch auf lange Sicht dem Tourismus selbst die wichtigste Grundlage. Und zerstören damit alles, was wir lieben“, so die Umweltschützer.

Mit Installationen wie der Aussichtsplattform auf dem Gipfel der Grawand inklusive breiter „Forstautobahnen“ für den Zustieg mache man all diese Reize, die die alpine Landschaft zu bieten hat, mit einem Schlag zunichte. „Noch eins drauf setzt die Schnalstaler Gletscherbahn AG, wenn sie den eigentlichen Namen des Gipfels Grawand mit ,Iceman Ötzi Peak‘ ersetzt und damit einen völlig unzeitgemäßen Weg einschlägt – weg von der Authentizität, die laut IDM Touristen hier in Südtirol suchen, hin zu billiger Anbiederung an den internationalen Seilbahntouristen“, kritisieren die Umweltschützer.

Ähnlich steht es mit dem geplanten Fun-Klettersteig im Zieltal im Naturpark Texelgruppe. Im Unterschied zu einem Klettersteig, der zwei alpine Standorte auf einem gesicherten Weg verbindet, gehe es beim Fun-Klettersteig einzig und allein um einfach konsumierbare, häppchenweise vorgegebene Adrenalinschübe in Form von Drahtseilbrücken und dergleichen. „Das große Abenteuer in einer wilden und ursprünglichen Landschaft wie der Texelgruppe wird ersetzt durch ein vorkonstruiertes Erlebnis, ein Produkt, das man ohne großen Aufwand konsumieren kann“, so die Kritik. Dass dabei der Grundgedanke eines Naturparkes mit Füßen getreten und gleichzeitig ein Naturdenkmal verunstaltet werde, spiele für die Projektwerber und genehmigenden Behörden scheinbar keine Rolle.

Das seien nur zwei Beispiele der Inszenierung und Eventisierung der Berge. Die Spannweite reicht von Megaprojekten wie dem Glasturm am Rosengarten, zur Planierung von altbekannten beliebten Wurzelwegen und zum überhandnehmenden Ausbau abwechslungsreicher Wandersteige zu eintönigen „Forstautobahnen“.

Vor diesem Hintergrundappellieren die Umweltverbände: „Erhalten wir die einzigartige alpine Landschaft, indem wir der Inszenierung der Alpen einen Riegel vorschieben.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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