„Unzureichend geschützt“
Laut dem Arbeitsförderungsinstitut AFI gibt es zahlreiche Kategorien von Arbeitnehmern, die in der Corona-Krise wenig oder gar nicht geschützt sind.
Die italienische Regierung und die Südtiroler Landesregierung haben Tausenden von Südtiroler Arbeitnehmern in der Notstandsphase Sozialleistungen garantiert mit dem Ziel, ihr Einkommen zu sichern. Nichtsdestotrotz gebe es zahlreiche Kategorien von Arbeitnehmern, die wenig oder gar nicht geschützt sind, sagt das Arbeitsförderungsinstitut AFI.
Im Rahmen der letzten Pressekonferenz des Instituts betreffend das AFI-Barometer warnte Direktor Stefan Perini: „Schon jetzt zeichnet sich ab, wer zu den Leidtragenden der Krise zählen wird: die gesamte Palette der sogenannten prekär Beschäftigten, sprich Saisonarbeiter und befristet Beschäftigte, Leih- und Heimarbeiter, Geringverdiener, unfreiwillige Teilzeitkräfte, Frauen. Das konkrete Risiko ist, dass Corona die soziale Spaltung der Gesellschaft vorantreibt.“
AFI-Vizedirektorin Silvia Vogliotti hat es sich zur Aufgabe gemacht, die am stärksten betroffenen Kategorien zu identifizieren und betont: „Viele tausende Arbeitnehmer konnten durch die sozialen Abfederungsmaßnahmen der italienischen Regierung im vergangenen Frühjahr geschützt werden – zurecht. Leider gibt Arbeitnehmer, die es nach wie vor wenig (oder keinen) Schutz genießen.“
Mit der Corona-Krise seien alle Probleme der prekären Beschäftigung deutlich ans Licht getreten. „Diese hatten bereits vor Corona sowohl den lokalen Arbeitsmarkt als auch das italienische Wohlfahrtssystem mit seinem sehr komplexen, heterogenen und fragmentierten System sozialer Leistungen belastet. Tatsächlich gibt es durchaus Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die vom gegenwärtigen Netz der sozialen Sicherung entweder gar nicht oder nur in unzureichendem Maß aufgefangen werden“, so Vogliotti.
Zwei Risikogruppen: Nicht-Beschäftigte und Arbeitslose
Zur ersten Risikogruppe gehören laut dem AFI all jene, die bei Ausbruch des sanitären Notstandes nicht beschäftigt waren: Personen auf Arbeitssuche oder in Erwartung, von früheren Arbeitgebern wieder zur Saisonarbeit bestellt zu werden, Personen mit sehr fragmentierten beruflichen Laufbahnen und meist kurzen Arbeitsverhältnissen.
„Diese Personen hatten bereits vor der Krise einen prekären Stand am Arbeitsmarkt und deren Lage hat sich durch den Notstand noch weiter verschärft.“
Die zweite Risikogruppe sei jene der Arbeitslosen. Vogliotti: „Einerseits ist es sicher positiv, dass die Maßnahme des Neustart-Dekretes die Dauer der Auszahlung der Arbeitslosengelder NASPI und DIS-COLL verlängert. Arbeitslose mit prekären Berufslaufbahnen sind besonders gefährdet, da sie nur auf geringe Beträge für wenige Monate Anspruch haben. Menschen, die zurzeit arbeitslos sind, werden nach Ablauf des Arbeitslosengeldes kaum die Möglichkeit haben, eine neue Beschäftigung zu finden.“
Diskontinuierlicher Schutz für Leiharbeiter und Beschäftigte auf Zeit
Vom AFI heißt es weiters:
„Auch die Leiharbeiter fallen unter die gefährdeten Kategorien. Sie haben nur Zugang zu den Abfederungsmaßnahmen, wenn sie vor der Aussetzung oder Reduzierung der Arbeitstätigkeit eine Arbeit angetreten hatten. War der Leiharbeiter hingegen bei Ausbruch des Notstandes noch nicht gerufen worden und somit nicht tätig, hatte er keinen Anspruch auf Lohnergänzungsmaßnahmen, da kein Lohnverlust vorlag.
Für Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen hat das Neustart-Dekret offensichtlich versucht, die Unternehmen im Einsatz von qualitativ angemessenen Flexibilitätsformen zu unterstützen. Dazu wird vorübergehend bis zum 30. August 2020 die Erneuerung oder Verlängerung von befristeten Verträgen, die am 23. Februar bestanden, ohne Sachgrund ermöglicht.
Dabei handelt es sich um eine sicher nützliche Maßnahme, jedoch werden die auf Zeit beschäftigten Arbeitnehmer nach diesem Stichtag kaum die Möglichkeit haben, einen weiteren befristeten oder sogar unbefristeten Vertrag zu erhalten. In diesem Fall werden sie das Arbeitslosengeld NASPI beantragen müssen, das für kurze Zeiträume Leistungen für Arbeitslose mit unregelmäßigen Laufbahnen gewährleistet.“
Schwierige Lage für junge Menschen, Frauen und Familien mit nur einem Einkommen
Silvia Vogliotti:
„Junge Menschen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, da sie genau in jenen Branchen stark vertreten sind, die mehrere Wochen lang ihre Tätigkeit einstellen mussten. Außerdem beziehen sie aufgrund des geringen Dienstalters und der fragmentierten Laufbahnen niedrigere Löhne – noch dazu verfügen sie über geringe Ersparnisse.
Für viele Frauen, die Arbeit und Kinderbetreuung während der monatelangen Schließung der Schulen nicht vereinbaren können, besteht die Gefahr, aus den Arbeitsmarkt auszuscheiden. Vor allem laufen die nicht qualifizierten Arbeitnehmerinnen oder solche, die in Krisensektoren tätig oder mit prekären Vertragsformen angestellt sind Gefahr, den größten Preis zu zahlen.
Auch Familien mit nur einem Einkommen sind in einer kritischen Lage. Diese kann sich auch sehr schnell zuspitzen, wenn Kinder zu versorgen sind bzw. wenn die gesamte Last auf eine einzelne alleinerziehende Person fällt. Diese Krise hat klar gezeigt (falls dies noch nicht eindeutig gewesen sein sollte), dass zwei Einkommen in einem Haushalt ein regelrechter Rettungsschirm in jeder Krise sind (sei es in privaten Beziehungskrisen als auch in wirtschaftlichen Krisen).“
Zweigeteilter Arbeitsmarkt
Das AFI schildert zudem:
„Wie aufgezeigt sind viele derjenigen, die bereits vor der Coronakrise am Rande des Arbeitsmarktes standen, aufgrund ihrer fragmentierten Berufsbiografien und kurzfristigen Verträge nun gefährdet, von einem System sozialer Abfederungsmaßnahmen ausgeschlossen zu werden, das von der Präexistenz eines Arbeitsverhältnisses und der Kontinuität von Arbeit und Einkommen ausgeht, die sie oft nie hatten.
Die Coronakrise wirkt sich also auf die Beschäftigung insofern aus, dass sie die Kluft vergrößert, nämlich zwischen stärkeren, stabilen und geschützten Arbeitnehmern auf der einen Seite und Arbeitnehmern, die sich bereits vorher in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen befanden auf der anderen. Es zeichnet sich ab, dass wir eine Verschärfung der Ungleichheiten, der Armut und eine Zunahme der Arbeitsplatzinstabilität erleben werden.“
Jetzt handeln, um den „Spalt“ zu „kitten“
Vor dem Hintergrund dieses zweigeteilten Arbeitsmarkts werde eine echte Wiederbelebung der Wirtschaft erforderlich sein, verbunden mit der Bereitschaft, Maßnahmen und Investitionen so auszurichten, um diesen Spalt zu kitten. Dementsprechend werde es nicht ausreichen zu versuchen, die jüngste Vergangenheit wiederherzustellen oder am alten System flickzuschustern.
Im Prinzip gehe es darum, die Arbeitsmarktflexibilität von prekärer Flexibilität in gute Flexibilität umzuwandeln. Nur so erreiche man einen Wandel zum Besseren.
AFI-Präsident Dieter Mayr sagt:
„Unsere Sorge ist, dass die Corona-Krise die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben könnte. Als AFI wollen wir die ,Blinden Flecken’ im Abfederungsnetz sichtbar machen um zusammen mit Landespolitik und Sozialpartnern für die Zukunft ein universelles und faires System der Krisenabfederung zu entwickeln. Wir müssen die Lücken im System schließen!“
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Kommentare (2)
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bernhart
Wenn ein Arbeitnehmer die Vorschriften einhält, dann ist er geschützt.
AFI was soll das?? habt ihr nichts besseres zutun als die Arbeitnehmer zu belehren.
So einen Blödsinn könnt nur Ihr verbreiten, habt Ihr nichts besseres zutun.
bernhart
Nicht Beschäftigte, die Landwirtschaft sucht dringend Arbeiter.
oder sind sich diese Personen zuschade Obst zu pflücken???
AFI vermittelt diese Arbeitslose, die Bauern werden euch dankbar sein.
Und hört endlich auf Faule Personen zu unterstützen. wenn einer in Südtirol arbeiten will kriegt er Arbeit.