Schwuler Neger
Der Gewaltakt in Bruneck zeigt, dass in breiten Schichten der Bevölkerung eine diffuse Ausländerfeindlichkeit herrscht. Ein Leitartikel von TAGESZEITUNG-Herausgeber Arnold Tribus.
von Arnold Tribus
„Black lives matter“, schwarze Leben zählen. So nennt sich eine internationale Bewegung, die innerhalb der afroamerikanischen Gemeinschaft in den USA entstanden ist und sich gegen Gewalt gegen Schwarze einsetzt. Die gewaltsame Festnahme und der Tod von George Floyd lösten Trauer, Entsetzen und Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in Amerika und weltweit aus, auch in Bozen und Meran fanden zwar kleine, aber dennoch wichtige Flashmobs statt, eine wichtige Stimme im großen Chor gegen Rassismus und Hass.
Und dann mussten wir erleben, dass in Bruneck, die moderne Wirtschaftsmetropole des Ostens, ein offensichtlich psychisch gestörter Schwarzer aus Nigeria, der in Gais lebt und der, wie alle anderen auch, gesoffen, Leute belästigt und Blumentöpfe beschädigt hatte, von strammen, jungen Brunecker Burschen aus gutem Hause arg verprügelt und gestoßen wurde, dass er im Krankenhaus landete und heute noch in Lebensgefahr schwebt. Er wurde natürlich als „Scheiß-Nega“ beschimpft, und sie sagten Neger in böser und diskriminierender Absicht, nicht so nett und naiv, wie wir als Kinder die „Zehn kleine Negerlein sangen“. Und weil ein Schimpfwort nicht ausreicht, wurde er gleich schwul. „Schwula Scheiß-Nega“, das war die geballte Ladung an Bosheit, die man dem am Boden liegenden Mann entgegenschleuderte, zu den Prügeln kamen die verbalen Beleidigungen, die ja viel aussagen wes Geistes Kinder die Jungmänner und die Frau aus St. Lorenzen und Bruneck sind.
Sie sind angezeigt worden wegen rassistischer Gewalt und unterlassener Hilfeleistung, aber keine Angst, das Internetvolk steht hinter ihnen, sie haben die Ehre der ordnungsliebenden Brunecker verteidigt, gegen den Neger, den Bösewicht, den Kriminellen. Wer nicht hören will, muss eben fühlen. Was tut denn der überhaupt da? Abschieben, das Gesindel, weg mit dem Pack, das ist die landläufige Meinung. Und so wurden aus Tätern Opfer, die man nun finanziell unterstützt mit einer Geldsammlung zur Bezahlung der Gerichtsspesen. Dass der Schwarze an den Folgen des Übergriffs fast draufgegangen wäre, das tut natürlich nichts zur Sache, um den kümmert sich niemand. Er hat sich ja schlecht verhalten, die Burschen haben nur verteidigt, was ihnen viele Sympathien eingebracht hat, wohl nicht wissend, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem es keine Selbstjustiz geben darf und dass das Gewaltmonopol immer noch und ausschließlich bei den Ordnungskräften liegt.
Wir brüsten uns doch immer, dass wir keine Rassisten sind, Südtirol ist doch ein modernes, offenes Land, in dem es eigentlich keinen Platz mehr für Rassismus geben sollte, aber trotzdem müssen wir tagtäglich feststellen, dass in breiten Schichten der Bevölkerung eine diffuse Ausländerfeindlichkeit herrscht. Wenn jemand seine Aussage mit der Behauptung einleitet, „ich habe nichts gegen Neger, ich bin kein Rassist, ich habe nichts gegen Schwule, aber… „ dann weiß man, dass man es mit versteckten Rassisten zu tun hat. Dass wir auf die vielen Ausländer angewiesen sind, das vergisst man ja gerne. Als es jetzt Corona-bedingt Einreiseverbote gab, waren die Hoteliers und Gastwirte und die Bauern desperat, weil ihnen ja das nötige Personal fehlt. Ohne Ausländer könnte heute ja kein Gastbetrieb öffnen und die Apfelernte könnte auch nicht eingebracht werden.
Und schwulenfeindlich will im modernen Südtirol natürlich auch niemand sein, die Schwulen beherrschen doch die Mode, sind elegant und cool. Von wegen. Schwuler Neger sagt ganz klar aus, dass die Schwulen zur untersten Kategorie Mensch gezählt werden, zum Abschaum, den man beschimpfen, auslachen und auch verprügeln kann. „Schwule Sau“ ist immer noch ein beliebtes Schimpfwort, alles was unangenehm ist, ist „schwul“. Das Umfeld bleibt nach wie vor feindlich, auch in vielen Familien. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem Rassismus und Homophobie heute noch kriechen.
Kommentare (136)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.