„Besser vorbereitet“
Aufgestockte Intensivbetten, neue Geräte und viel Erfahrung: Was der Sanitätsbetrieb aus der Corona-Krise gelernt hat und wie man sich in Südtirol auf eine eventuelle zweite Welle vorbereitet.
von Lisi Lang
Momentan ist die Situation in Südtirol recht ruhig: Gestern wurde auf knapp 500 Abstriche nur eine Neuinfektion gemeldet und auch in den Intensivstationen wird derzeit nur noch ein Covid-Patient betreut.
In den letzten Monaten standen Ärzte, Pfleger und Mitarbeiter in den Südtiroler Krankenhäusern aber vor einer enormen Herausforderung. Mit 35 Intensivbetten in ganz Südtirol hatten man laut Marc Kaufmann, dem medizinischen Einsatzleiter in der Corona-Krise, aber auch keine wahnsinnig gute Ausgangslage – schon gar nicht für ein Ereignis wie die Corona-Krise. „Wir wollten erst die Bilder in der Lombardei nicht so recht glauben“, erinnert sich der Primar der Notfallmedizin. Dann hat sich die Situation aber immer weiter zugespitzt und zeitweise sind pro Tag auch fünf neue Intensiv-Patienten dazugekommen. Die befürchtete scharfe Grenze hat man allerdings nicht erreicht, sagt Primar Marc Kaufmann.
Tageszeitung: Herr Primar, was hat man aus der Corona-Krise gelernt?
Marc Kaufmann: Die Intensivbetten in Südtirol waren für ein Tourismusland durchaus knapp bemessen, haben in den letzten Jahren aber für den Normalbedarf ausgereicht. Jetzt haben die Betten nicht mehr gereicht, aber trotzdem hat man diese Covid-Krise aufgrund einer wirklich großartigen Leistung der vielen Mitarbeiter auf den Stationen gemeistert – man hat bewiesen, dass man anpacken kann, wenn es brennt.
Die Intensivbetten wurden in den letzten Monaten stark aufgestockt, dennoch hat man befürchtet, dass es nicht reichen könnte…
Man hat alle Intensivstationen in Südtirol dem Covid gewidmet und man hat es geschafft, diese Situation zu managen, auch weil man einige Patienten ins Ausland transportieren konnte. Dadurch haben wir diese kritische Grenze eigentlich nie erreicht. Jetzt haben wir aber aus dieser Krise gelernt und daher kommt zu den ursprünglichen Intensivstationen auch eine neue dauerhafte Intensivstation in Schlanders dazu.
In Schlanders soll jetzt nach der Corona-Krise dauerhaft eine Intensivstation etabliert werden?
Genau. In Bozen hat man zudem eine weitere Intensivstation im neuen Krankenhaus mit bis zu 30 Betten aufgebaut. Dieses Projekt war aber nur mit vereinten Kräften und der Unterstützung aus dem ganzen Land möglich.
Mit dem Abflachen der Krise wurden in den letzten Wochen nach und nach wieder Intensivstationen frei gemacht. Wie und vor allem wo werden neue Covid-Intensivpatienten behandelt?
Alle Intensivpatienten, egal ob mit Haupt- oder Nebendiagnose Coronavirus, werden – solange die Situation überschaubar bleibt – in die neue Covid-Intensivstation nach Bozen verlegt. Sollte eine neue Welle kommen, wird man aber auch die anderen Intensivstationen des Landes dazuschalten müssen.
Bleiben nach der Krise alle Intensivbetten erhalten?
Wir möchten deutlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen und daher 50 bis 60 Intensivbetten weiterhin behalten – mit einer Erweiterungsmöglichkeit auf 80 bis 90 Betten.
Im Zuge der Corona-Krise haben wir uns zudem ein ECMO-Gerät, also eine kleine mobile Herz-Lungenmaschine, zugelegt. Nachdem kurze Zeit nicht klar war, wie wir Patienten, die nicht mehr mit klassischen intensivmedizinischen Geräten betreut werden können, behandeln, sie aber trotzdem nicht nach Innsbruck oder ein anderes Zentrum transferieren konnten, haben wir uns für dieses Gerät interessiert und dann zwei Schenkungen bekommen. So sind wir auch für diese Fälle besser vorbereitet.
Und wie sieht es mit positiv getesteten Patienten aus, die zwar nicht intensivmedizinisch, aber in einem Krankenhaus behandelt werden müssen?
Für die nicht intensivpflichtigen Covid-Patienten, die allerdings im Krankenhaus behandelt werden müssen, gibt es wie bereits während der Krise einen Stufenplan: Jeder Bezirk garantiert derzeit eine bestimmte Anzahl an Isolations- bzw. Verdachtsbetten und Betten für Covid-positive Patienten. Sollte sich die Situation dann wieder zuspitzen, wird man diese Bettenanzahl nach oben schrauben.
Im Zuge der Corona-Krise wurden vor einigen Krankenhäusern in Südtirol auch eigene Pre-Triage Zelte aufgebaut. In Bozen wurde dieses Zelt mittlerweile wieder abgebaut – weil kein Bedarf mehr besteht?
Jedes Krankenhaus muss eine Pre-Triage aufrecht erhalten. Diese muss aber nicht mehr in einem Zelt, sondern kann auch in Räumlichkeiten des Krankenhauses erfolgen. Dieser erste vorgeschobene Filter ist nämlich nach wie vor wichtig, damit alle Patienten, welche die Erste Hilfe-Stationen betreten, begutachtet und potentiell positive Fälle herausgefiltert werden, damit sie keine Gefahr für andere Patienten oder das Personal darstellen.
Sensible Strukturen wie Krankenhäuser muss man gut schützen und es ist mittlerweile auch so, dass wegen der gesteigerten Testkapazitäten alle stationär aufgenommenen Patienten getestet werden können – es liegt also kein Patient im Krankenhaus, wo wir nicht wissen, ob er infektiös ist. Und alle Notaufnahmen werden, bis das Testergebnis vorliegt, so behandelt, als wären sie potentiell positiv.
Und wie sieht es mit der Struktur in Gossensaß aus?
Die Struktur in Gossensaß soll voraussichtlich bis Jahresende in einem Standby-Betrieb bleiben. Momentan sind zwar wenige Gäste dort, aber da man nicht weiß, wie sich die Situation im Sommer und dann im Herbst entwickelt, will man diese Struktur vorerst nicht auflassen.
Herr Primar, die erste Krise ist überstanden. Hat man jetzt auch genauer analysiert, was man besser machen kann bzw. was gut war?
Eine Schwäche war in gewisser Weise sicher die Ausgangssituation: Einerseits die im Vergleich zum deutschsprachigen Raum deutlich geringere Anzahl an Intensivbetten, aber es geht nicht nur um Betten und Räume sondern auch um das entsprechend geschulte Personal. Eine zweite Schwäche waren zu Beginn auch unsere Testkapazitäten: Jetzt zielen wir auf bis zu 5.000 Tests pro Tag ab, zu Beginn der Krise haben wir uns über 10 bis 15 PCR-Tests pro Tag gefreut. Das waren neben einer gewissen medizinischen Unwissenheit bei Medikamenten und Therapiestrategien am Anfang sicher die großen Schwächen.
Eine Stärke hingegen war, dass es uns in Südtirol gelungen ist innerhalb kürzester Zeit eine Vernetzung zwischen allen sieben Krankenhäusern zu erreichen, da man eine übergeordnete medizinische Einsatzleitung eingesetzt hat. Alle Häuser sind zu einer Einheit geworden und man konnte die Situation so genauestens beobachten. So konnte man die verschieden Schritte, die Ausgabe der Schutzausrüstung, verschiedene Therapieprogramme usw. optimal managen. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter und Ärzte in den Krankenhäusern zu 150 Prozent da waren und sich extrem eingesetzt haben.
Wir haben in den letzten Wochen viel dazugelernt und können jetzt ganz anders, vor allem viel schneller und effektiver reagieren: Ich denke, diese verschiedenen Elemente von mehr Intensivbetten, über eine eigene Expertenkommission, bis hin zu den gesteigerten Testkapazitäten, aber vor allem die Erfahrungen auf medizinischer Ebene, werden uns helfen, eine eventuelle zweite Welle schneller zu erkennen und vielleicht auch abzufangen. Wir sind jetzt sicher viel besser vorbereitet.
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