Es wird gespielt
Die sommerlichen Freilichttheater in Lana, Neumarkt und am Ritten lassen sich vom Corona-Lockdown nicht in Tragödienstimmung versetzen. Es wird gespielt.
Theater ist kein Desinfektionsmittel, es ist das Gegenteil davon, hoch ansteckend und von einer Körperlichkeit, die jeden Virologen freiwillig in lebenslange Quarantäne treiben würde. Wenn die Hengste der exaltierten Baronin Ada Freifrau von Stetten in Ödon von Horvaths Stück „Zur schönen Aussicht“ zum Liebesdienst antreten müssen, muss der Regisseur sich halt was einfallen lassen. Anfassen geht gar nicht, auch wenn sie sich auf der Bühne eigentlich an die Wäsche gehen müssten. Kein Problem für den Regisseur der Freilichtspiele Unterland Roland Selva: „Massive Liebesszenen verschiebt man halt hinter die Kulisse.“
Überhaupt geht es bei den sommerlichen Freilichtspielen nicht um das „wie“, sondern um das „überhaupt“. Das Überhaupt haben sich die drei ältesten Freilichttheater in Lana, Neumarkt und am Ritten nicht nehmen lassen. „Theater ist Engagement für das Leben, es gibt Hoffnung, es schaut weiter nach vorn“ sagt Selva und spricht allen anderen aus der Seele.
Die Coronakrise ist eine enorme Herausforderung für die Freilichttheater, denn Theater ist nun mal geteilter Raum und geteilte Zeit. Alle drei hatten ihre Pläne schon seit langem in der Schublade, nur Selva kann schlussendlich sein Horvath-Stück auch umsetzen. Stefanie Nagler wollte mit den Freilichtspielen Lana Peter Turrinis Stück „Der tollste Tag“ auf die Bühne bringen. Unmöglich unter infektionsbedingten Abstandsregeln, also hat man sich auf einen Audiorundgang geeinigt, der das Theater selbst zum Inhalt hat. Nagler: „Was passiert mit dem Theater, wenn es nicht spielen darf? Es wird zum Museum.“ Im Kapuzinergarten Lana werden 8 Installationen zum Thema FREI – LICHT – SPIEL aufgebaut. Das Theater wird als Stillleben mit Installationen von Sara Burchia und Ursula Tavella
gezeigt. Visuell sieht man Stationen des Theaters wie Einlass, Tribüne, Bühne, Garderobe usw. Über einen QR-Code erhalten die Besucher*innen Zugang zum Audioguide. Zu jeder Installation werden Texte, Szenen, Gedichte, Briefe an das Publikum … von den Schauspieler*innen gesprochen und somit hörbar. Sollten Besucher*innen kein Smartphone besitzen, kann der Rundgang auch mit einer gedruckten Broschüre begangen werden. (Termin: 8.-24. Juli, 6 – 23 Uhr, Kapuzinergarten Lana, www.freilichtspielelana.eu)
Auch die Rittner Sommerspiele und das Kleinkunsttheater Carambolage in Bozen wurden vom Lockdown auf kaltem Fuß erwischt. Erstere hatten das Stück Rhinocéros (Die Nashörner) des rumänisch-französischen Dramatikers Eugène Ionesco auf dem Programmzettel, die Carambolage in Bozen musste ihr Projekt „Die Niere“ von Stefan Vögel bereits auf Eis legen. Statt das Handtuch zu werfen, hat man sich auf die Möglichkeit einer Co-Produktion besonnen. Das Stück wird in der Regie von Helga Walcher als Freilichttheater an einem neuen Spielort, im Wieser Stoanbruch in Oberbozen aufgeführt, auf einer großen Fläche, in bestechendem Ambiente von Felsen umgeben. Die Zuschauer können bequem mit der Rittner Umlaufbahn anreisen und anschließend mit der letzten Bahn ins Tal fahren. Im Stück geht es um eine Nierenspende und um die Frage: Liebling, was bist Du bereit für mich zu tun? (Termin: Premiere ist am 14. August. www.rittnersommerspiele.com)
Die Freilichtspiele Unterland ziehen nach den Aufführungen im Klösterle mit Ödön von Horváths Komödie „Zur schönen Aussicht“ heuer in die Grundschule Neumarkt um. Krise, Bankrott, Geldnot und Menschen, die mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen haben – Horváth hätte sein Stück über eine von Verlustängsten geprägte Gesellschaft problemlos auch zur aktuellen Coronakrise schreiben können. Regisseur Roland Selva hat einmal mehr einen Riecher bewiesen. (Termin: Premiere ist am 3. August um 21.00 Uhr in der Grundschule Neumarkt.)
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