Du befindest dich hier: Home » News » Der Steinwurf

Der Steinwurf

Warum die Staatsanwaltschaft die Archivierung der Ermittlungen gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs in der Bus-Affäre beantragen wird.

von Artur Oberhofer

Als der Leiter der Fahndungsabteilung der Staatspolizei und Vizequästor Giuseppe Tricarico Ende Jänner dieses Jahres den 156 Seiten starken Abschlussbericht zur Bus-Affäre unterzeichnet und an die Staatsanwälte Igor Secco und Andrea Sacchetti weitergegeben hat, herrschte im Polizeipalast in Bozen große Erleichterung. Ein Ermittlerteam, dem ein halbes Dutzend Kriminalbeamte angehörten, hatte eineinhalb Jahre lang in einer politisch überaus delikaten Causa ermittelt.

Im Zuge dieser streng geheimen Ermittlungen waren die Kripo-Beamten über die verschiedenen Vorhöfe der Macht bis ins Machtzentrum im Palais Widmann vorgedrungen: Im Abschlussbericht der gerichtspolizeilichen Ermittlungen (mit dem Aktenzeichen 4741/18) empfehlen die Ermittler den Staatsanwälten die Anklageerhebung gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher wegen Amtsmissbrauchs und Störung eines Wettbewerbs.

Eine Anklageerhebung gegen einen amtierenden LH wäre die größte politische Bombe seit Jahrzehnten – vielleicht seit der Schwimmbad-Affäre von Luis Durnwalder. SAD-Chef Ingomar Gatterer sprach bereits von „bulgarischen Zuständen“, die Opposition von einem SEL-Skandal zum Quadrat.

Seit der Hinterlegung der explosiven Akten im Gerichtspalast sind vier Monate und die Coronakrise vergangen. Die Euphorie im Polizeipalast über den scheinbar spektakulären Ermittlungserfolg hat sich in der Zwischenzeit gelegt. Der Grund: Aus den Büros der Staatsanwaltschaft im dritten und im vierten Stock des Justizpalastes ist nämlich durchgesickert, dass die Staatsanwälte Secco und Sacchetti die Position des Landeshauptmannes archivieren wollen, weil sie nach dem Studium der Akten zu dem Schluss gekommen seien, dass die gegen Arno Kompatscher gesammelten Beweiselemente nicht für eine Anklageerhebung ausreichten. „Wir haben unsere Arbeit gemacht“, sagt eines der Mitglieder aus dem Ermittlungsteam, „jetzt liegt der Ball bei der Gerichtsbarkeit.“

Über einen Archivierungsantrag im Fall von LH Arno Kompatscher müsste dann ein Voruntersuchungsrichter entscheiden.

In der Quästur geht man davon aus, dass die Staatsanwaltschaft nur im Fall des LH eine Archivierung beantragt, gegen die vier weiteren Tatverdächtigen, also gegen den ehemaligen Direktor der Abteilung Mobilität beim Land, Günther Burger, gegen die Beamtin im Motorisierungsamt Carmen Larcher, gegen den Kastelruther Busunternehmer Markus Silbernagl sowie gegen die Funktionärin der römischen Markaufsichtsbehörde Claudia Degosus aber Anklage erhebt.

Zwar sind auch die Staatsanwälte Igor Secco und Andrea Sacchetti – so wie die Beamten der Fahndungsabteilung – überzeugt, dass es Versuche gegeben hat, das Vergabeverfahren für die außerstädtischen Linienbusdienst zu beeinflussen – was im Fall einer 880-Millionen-Euro-Geschichte auch nachvollziehbar ist.

Allerdings: Wie die Staatsanwälte den Ermittlerin in den vergangenen Wochen in informellen Gesprächen signalisiert haben sollen, könne die Freunderlwirtschaft-These, der LH habe die Ausschreibung annullieren lassen, um das von seinem Landsmann und „Freund“ Markus Silbernagl geleitete Bus-Konsortium LiBus und den Mietwagen-Verbund KSM vor dem Ausschluss zu bewahren, nicht aufrechterhalten werden, weil Arno Kompatscher keine steuernden Schritte gesetzt habe.

Im Gegenteil: Kompatscher habe all seine Entscheidungen und Verwaltungsschritte auf Beamtenebene abgestimmt, er habe außerdem in allen Entscheidungsphasen den Rat und die Gutachten seiner Spitzenbeamten eingeholt, wie letztere auch bei ihren gerichtspolizeilichen Einvernahmen bestätigt haben. Mit anderen Worten: Das von SAD-Chef Ingomar Gatterer stets kolportierte Amigo-Szenario zwischen Arno Kompatscher , dem „schlechtesten Landeshauptmann aller Zeiten“ (O-Ton Gatterer) und dem Busunternehmer Markus Silbernagl lasse sich auf der Grundlage des gesammelten Ermittlungsmaterials nicht aufrechterhalten.

Die gerichtspolizeilichen Ermittlungen, die tausende Aktenseiten füllen, waren deswegen aber keineswegs für die Katz. Es bleibt, einerseits, abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft die Position des ehemaligen Mobilitäts-Chefs Günther Burger bewertet. Nach derzeitigem Stand der Dinge wird sowohl gegen Burger als auch gegen die Beamtin Carmen Larcher Anklage erhoben, wobei bei dem Spitzenbeamten und nunmehrigen Direktor im Ressort Gesundheit eine Rückstufung der von der Polizei empfohlenen Anklage denkbar ist.

Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante

Außerdem, und dies ist die brisanteste Nachricht, laufen die Ermittlungen weiter.

Nach Informationen der TAGESZEITUNG finden sich in den Ermittlungsakten nicht nur unzählige politische Bomben und brisante gesellschaftspolitische Hintergrundgeschichten, sondern auch konkrete Hinweise auf weitere mögliche Straftaten, denen jetzt auf mehreren Ebenen nachgegangen wird.

Die Ironie dieser Geschichte, die in Südtirol noch für viel Aufsehen sorgen wird: Einige dieser Hinweise sollen genau jene betreffen, die in der Bus-Affäre den ersten Stein geworfen haben, heißt es aus dem Polizeipalast.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (27)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • steve

    Alles Probleme die im Grunde von einem verrückten assozialen Narzisten ausgehen…
    „Entweder ihr macht was ich will oder ich zeig euch alle an…“

  • andreas

    Hat die Tageszeitung eigentlich die Ermittlungsakte oder schickt da einer jeden Tag 2 Seiten, damit die TZ etwas zu schreiben hat und Spekulationen in die Welt setzen kann?

    Darüber zu spekulieren, ob gegen den LH Anklage erhoben wird und was das für eine große Sache wäre, um 2 Absätze weiter zu schreiben, dass er sich korrekt verhalten hat, ist etwas eigenartig.

    Aber mal schauen ob ein Medium Roß und Reiter nennt oder alle nur Andeutungen machen, in der Art wie kleine Kinder, ich weiß etwas, sag es dir aber nicht.

  • adobei

    Na ja, da werden sich einige wohl zu früh gefreut haben. So leicht bringt man einen LH nicht zu Fall. Seien wir froh, dass eine so integre Person unser Landeshauptmann ist!

    • leser

      Adobei
      So ist es
      Diesmal hast du recht
      Offensichtluch übersieht ein grosser teil sehr gerne dass gatterer ein imperium in due hand gelegt bekommen hat, dass sein vater jahrzehntelang gut geplant und wohl vernetzt aus dem volkseigentum an such gerussen hat
      Volkswirtschaftlich sind diese machenschaften ein riesenschaden aber nichts destotrotz kann such gatterer junior als neomillionär aufspielen und hat sogar noch einen grossen teil von fans hinter sich
      Eine ähnluche geschuchte ist ja auch unsere einzige milliardär in südtirol aus dem weinbergweg, der diese puzzlespiel am besten beherrscht

  • prof

    Bin auch überzeugt,daß LH Kompatscher eine integre Person ist,zudem kann ich mir zur Zeit keinen besseren und glaubwürdigeren LH vorstellen, natürlich auch mit kleinerern Fehlern,aber wer ist schon Fehlerlos.
    Zudem glaube ich auch, daß Paul Köllensperger bez. Masken -Vermittlung alles korrekt gemacht hat.
    Bezüglich Herrn Gatterer, da habe ich meine Bedenken.

  • prof

    @wollpertinger
    Hoffe daß LH Kompatscher diesen Kommentar liest, oder die TZ müsste den LH auf diese Beleidigung aufmerksam machen.

  • george

    Ja SUMMERLE, Sie sind wirklich der OBERTSCHEGGL“, dessen Aussage „TSCHEGGL“ u. a. m. völlig bei sich selber haften bleibt, weil Sie als OBERTSCHEGGL gar nicht erkennen, wann bei jemand anderem etwas Tschegghaftes durchbricht. Das Gegenteil von Ihnen ist für Sie dann plötzlich „tschegglhaft“.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen