Der Ingenieur
Einer der mächtigsten Manager der letzten Jahrzehnte in Südtirol ist ins Zwielicht geraten: Konrad Bergmeister. Die TAGESZEITUNG rekonstruiert die brisanten Ermittlungen gegen den Ex-BBT-Vorstand und Autobahn-Chef auf der Grundlage von geheimen Dokumenten und Sitzungsprotokollen.
von Artur Oberhofer
Es ist kurz vor 14.00 Uhr am Freitag, 28. Februar 2020, als der Präsident der Brennerautobahn AG, Hartmann Reichhalter, die Sitzung des Verwaltungsrates auflöst und die Sitzungsteilnehmer noch einmal mit Nachdruck darum bittet, „die Causa Bergmeister“ vertraulich zu behandeln. Brennerautobahn-Geschäftsführer Diego Cattoni hatte zuvor erklärt, die Mitglieder des Verwaltungsrates könnten das sieben Seiten umfassende Gutachten der Mailänder Rechtskanzlei Nctm jederzeit einsehen.
„Es dürfen aber keine Kopien angefertigt werden“, so Cattoni.
Wie gespannt die Stimmung in der Sitzung war, geht aus dem Sitzungsprotokoll hervor, in dem es wörtlich heißt:
„Il Presidente auspica (…) che tutti i presenti abbiano la sensibilità di trattare le informazioni aquisite con il dovuto rispetto e riserbo, nell’interesse dell’immagine della Società (…). Interviene l’Amministratore Delegato per esortare nuovamente i presenti alle massima riservatezza – già raccomandata dal Presidente – ribadendo che tutta la documentazione potrà essere visionata nella sede societaria, ma delle stessa non sará effettuata copia alcuna, stante la delicatezza delle informarzioni.“
Die Geheimniskrämerei und die Appelle zur absoluten Verschwiegenheit werden verständlich, wenn man den Inhalt des Nctm-Gutachtens kennt. Die Expertise, die der TAGESZEITUNG vorliegt, ist hochexplosiv und könnte zu einem politischen Erdbeben in der Region Trentino-Südtirol führen. In diesem Rechtsgutachten werden schwerwiegende Vorwürfe gegen einen der wichtigsten und mächtigsten Manager der letzten Jahrzehnte in Südtirol erhoben: Konrad Bergmeister.
Sollten die in dem Rechtsgutachten aufgelisteten Beschuldigungen durch die gerichtlichen Ermittlungen, die bereits laufen, eine Bestätigung finden, so dürfte Konrad Bergmeister weder als Präsident der Stiftung Sparkasse zu halten sein (die Neuwahlen stehen in den nächsten Wochen an). Und auch eine von Insidern immer wieder kolportierte Rückkehr von Konrad Bergmeister in die BBT-Machtzentrale wäre damit wohl definitiv vom Tisch.
Während die in dem Nctm-Rechtsgutachten aufgelisteten „Anomalien“, zu denen es innerhalb der Brennerautobahn AG gekommen sein soll, wo Konrad Bergmeister bis 2007 als Chefingenieur und Technischer Direktor tätig war, zum Teil juridisch verjährt sein dürften, liegen die im BBT-Ermittlungsstrang untersuchten Vorfälle und Vorgänge nicht lange zurück.
Der Fall Bergmeister beginnt im Frühjahr 2019, als der italienische BBT-Vorstand Raffaele Zurlo schwere Vorwürfe gegen den „österreichischen“ BBT-Vorstand Bergmeister erhebt und zuerst intern und dann öffentlich dessen angebliche „Doppelrolle“ als BBT-Verwalter und -Entscheidungsträger und als Projektant einer mit BBT-Aufträgen ausgestatteten Firma (Emaprice) anprangert.
Auf politischer Ebene ist es der Trentiner Landtagsabgeordnete Filippo Degasperi, der den Fall Bergmeister ins Rollen bringt.
In mehreren Anfragen prangert Degasperi nicht nur die Kostenexplosion beim Bau des BBT an, sondern er verweist darauf dass die Firma Emaprice AG den Zuschlag für den Bau des sogenannten „Svincolo Trento Nord“ – ein 31-Millionen-Euro-Projekt – erhalten habe. Und dass der Projektant dieser Firma Konrad Bergmeister heiße. Mehr noch: Die Firma Emaprice habe ihren Sitz im Haus der Stiftung Sparkasse, deren Präsident Bergmeister ist, am Waltherplatz in Bozen. Außerdem habe die Firma Emaprice, für die (der damals noch amtierende BBT-Vorstand) Bergmeister arbeitete, Aufträge der BBT-Gesellschaft bekommen.
Während die Finanzpolizei von Trient umgehend mit Vorerhebungen begann und sich auch die Staatsanwälte des Antimafia-Distrikts Trient einschalteten, läuteen auch innerhalb der Brennerautobahn-Gesellschaft die Alarmglocken.
Am 19. April 2019 erteilte die Brennerautobahn AG der renommierten Mailänder Anwalts- und Wirtschaftsprüfungskanzlei Nctm den Auftrag, einen Audit Report zum Fall Bergmeister zu erstellen.
Der Auftrag an die Nctm lautete: Die Prüfer sollten die Rolle und die Geschäftsaktivitäten von Ingenieur Konrad Bergmeister analysieren, der von 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 innerhalb der Brennerautobahn AG das Amt des Generaldirektors und von 1. September 1998 bis 28. Februar 2007 das Amt des Technischen Direktors bekleidet hat.
Mit anderen Worten: Die Brennerautobahn AG ließ im April 2019 von einer Rechtskanzlei prüfen, ob sich der ehemalige Spitzenfunktionär Konrad Bergmeister illegaler Machenschaften schuldig gemacht habe.
Das sieben Seiten starke „Memorandum (executive summary)“, das die Mailänder Kanzlei am 26. Februar 2020 an die Brennerautobahn AG übermittelt hat, enthält schwerwiegenden Vorwürfe gegen Konrad Bergmeister. In dem Dokument ist die Rede von Falscherklärungen (Bergmeisters) und von „signifikativen Anomalien“ bei Ausschreibungen, die – so Nctm – den Tatbestand der Störung der freien Durchführung von Versteigerungen (nach Artikel 353 des Strafgesetzbuches) erfüllen könnten. In mehreren Fällen hat Nctm geschäftliche Naheverhältnisse zwischen dem „Ing. Bergmeister“ und Auftragsnehmern festgestellt, die im Nachhinein zivilrechtlich angefochten werden könnten.
In dem Dokument wird außerdem auf ein Verfahren vor dem Rechnungshof aus dem Jahr 2008 Bezug genommen. Damals waren Konrad Bergmeister, der damalige Autobahn-Chef Ferdinand Willeit und der damalige Anwalt der Brennerautobahn AG wegen der Verursachung von Schäden zu Ungunsten der Staatskassezu Geldstrafen von 62.500 Euro pro Kopf verurteilt worden.
Anfangs, so schreibt Nctm, habe sich die Versicherung D &O geweigert, für die Verurteilten zu zahlen. Am Ende habe die Versicherung doch 150.000 Euro bezahlt – gleichzeitig sei allerdings die Polizze zwischen der Brennautobahn AG und der Versicherung D&O verlängert worden – mit einer Anhebung der Prämien um über 720.000 Euro.
Im Dossier werden auch die „Anomalien“ (so Nctm) in Bezug auf die Ausschreibung zum den Bau einer Autobahn-Überführung in Pfatten abgehandelt. Den Auftrag zur Sanierung der Überführung habe ein Planer aus dem Ingenieurteam Bergmeister ITB GmbH erhalten. Aus der Dokumentation gehe allerdings hervor, dass im Curriculum des ITB-Planers Aufträge aufgelistet wurden, die dieser gar nicht ausgeführt haben soll.
Dass der Planer nur der Strohmann für Konrad Bergmeister gewesen sein könnte, leitet die Kanzlei Nctm davon ab, dass im Curriculum, das vorgelegt wurde, die Initialen „KB“ angegeben wurden – diese sollen für Konrad Bergmeister stehen.
Konrad Bergmeister soll also seinem Mitarbeiter Arbeiten bescheinigt haben, die in Wirklichkeit er, Bergmeister, selbst ausgeführt haben soll.
Haarig sind auch die Erkenntnisse der Rechtskanzlei Nctm zu den von Konrad Bergmeister genehmigten und liquidierten Mehrkosten in seiner Zeit als Brennerautobahn-Direktor. Laut Nctm soll Bergmeister im Laufe der Jahre Mehrkosten von 33,5 Millionen Euro genehmigt und liquidiert haben, obwohl die zuständige Kontrollkommission nur Mehrkosten in Höhe von 9,4 Millionen Euro anerkannt hat.
Laut den Rechtexperten der Mailänder Kanzlei Nctm sollen die liquidierten Mehrkosten nach dem Ausscheiden von Konrad Bergmeister bei der Brennerautobahn AG um 75 Prozent zurückgegangen sein.
Aus dem Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates der Brennerautobahn AG vom 28. Februar 2020, das der TAGESZEITUNG exklusiv vorliegt, geht hervor, dass die Rechtskanzlei Nctm der Brennerautobahn-Gesellschaft dringlich empfohlen hat, das Gutachten an die Gerichtsbehörden weiterzuleiten.
In dem Gutachten, so heißt es, seien „schwerwiegende Unregelmäßigkeiten“ zutage getreten, die „strafrechtliche Relevanz haben“ könnten. Folglich bestehe für die Brennerautobahn-Gesellschaft die Pflicht, Anzeige zu erstatten.
Genau das ist in der Folge auch geschehen.
Nachdem die Brennerautobahn-Gesellschaft bereits am 27. August 2019 aus freien Stücken und „ohne Hausdurchsuchungsbefehl“ Dokumente an die Finanzpolizei herausgegeben hat, haben Autobahn-Chef Hartmann Reichhalter und Autobahn-Geschäftsführer Diego Cattoni das Nctm-Gutachten in der erste März-Woche dieses Jahres an die Finanzpolizei übermittelt.
Zwar wurde die spektakuläre Ermittlung in der Folge durch die Corona-Krise etwas gebremst. Doch jetzt ist die von den Trentiner Staatsanwälten Davide Ognibene und Carmine Russo koordinierte Ermittlung in die vermutlich entscheidende Phase getreten. Am 26. Mai dieses Jahres haben die Ermittler zwölf Hausdurchsuchungen durchgeführt und acht Personen – darunter Konrad Bergmeister – einen formellen Ermittlungsbescheid zugestellt. Auch gegen den Direktor der Abteilung Tiefbau des Landes, Valentino Pagani, wird ermittelt.
Die Palette der Ermittlungshypothesen is breit: Urkundenfälschung, Betrug, illegale Beeinflussung bzw. Störung von öffentlichen Ausschreibungen, Amtsunterschlagung und Verrat von Amtsgeheimnissen.
Bei den Hausdurchsuchungen beim Land, bei der BBT-Gesellschaft, im Studio des inzwischen 61-jährigen Konrad Bergmeister und am Sitz der Firma Emaprice AG in Bozen haben die Ermittler Beweismaterial gesichert, das nun ausgewertet wird. Das Herzstück dieser Ermittlung ist – wie die TAGESZEITUNG aus Ermittlerkreisen erfuhr – das Naheverhältnis zwischen Konrad Bergmeister und der Firma Emaprice, die zwischen 2012 und 2019 auch lukrative Aufträge von der BBT-Gesellschaft bekommen hat.
Die Firma Emaprice teilt jetzt mit: Für die beiden BBT-Aufträge habe Konrad Bergmeister von der Firma keine Planungsaufträge erhalten.
Auf eine angebliche Kostenexplosion bei BBT-Projekten und auf den angeblichen Interessenskonflikt von Konrad Bergmeister hatte im August vergangenen Jahres auch der BBT-Vorstand Raffaele Zurlo hingewiesen.
Auch wenn die politisch Verantwortlichen in Österreich und in Südtirol die schwerwiegenden Vorwürfe Zurlos als Ressentiments und als persönliche Querelen zwischen den beiden BBT-Vorständen abtaten, musste Konrad Bergmeister im September vergangenen Jahres seinen Posten als österreichischer BBT-Vorstand räumen. Heute weiß man: Bereits damals waren den politischen Amtsträgern in Bozen, Innsbruck, und Wien die Indiskretionen über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Brennerautobahn AG und über das Naheverhältnis von Konrad Bergmeister zur Firma Emaprice zu Ohren gekommen.
Die TAGESZEITUNG hat Konrad Bergmeister um eine Stellungnahme gebeten. Er hat auf eine Whats-App nicht reagiert.
Aus Konrad Bergmeisters engstem Umfeld heißt es: Der Ex-BBT-Vorstand habe auch zuletzt immer beteuert, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen.
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Kommentare (6)
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besserwisser
santo subito!
bettina75
Für mich bleibt Bergmeister ein Mann mit Handschlagqualität.
Die Staatsanwaltschaft sollte nicht vergessen die amtierenden Herren bei der A22 zu überprüfen!!!