„Krise auch eine Rückbesinnung“
Der Raiffeisenverband blickt auf ein ereignisreiches Geschäftsjahr 2019 zurück und hat aktuell einige Herausforderungen zu meistern.
Die Coronakrise hat vieles verändert. Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2019 haben sich die Raiffeisen-Genossenschaften aber erneut stabil und leistungsfähig gezeigt. Das wurde bei der Jahresvollversammlung des Raiffeisenverbandes am Freitag betont. Die Versammlung wurde aufgrund der gegebenen Umstände per Videokonferenz abgehalten.
„Die Raiffeisen-Genossenschaften haben sich im Geschäftsjahr 2019 insgesamt gut entwickelt“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon.
So weisen die Raiffeisenkassen zusammen mit der Raiffeisen Landesbank einen Rechnungsüberschuss von 145 Millionen Euro auf, der deutlich über den Ergebnissen der vergangenen Jahre lag. Unterschiedliche Entwicklungen verzeichneten hingegen die landwirtschaftlichen Genossenschaften.
Während die Weinwirtschaft auf ein durchwegs positives Geschäftsjahr 2018/19 zurückblickt und die Molkereigenossenschaften von einem zufriedenstellenden Milchjahr 2019 sprechen, verbucht die Obstwirtschaft aufgrund von Überangebot und niedrigen Preisen eine relativ schwierige Vermarktungssaison 2018/19.
Dem genossenschaftlichen Auftrag nachgekommen sind 2019 auch die übrigen Genossenschaftssparten des Raiffeisenverbandes: die Energie-, Wasser- und Viehwirtschaftsgenossenschaften, die Einkaufs- und Konsumgenossenschaften, die Sozial-, Wohnbau-, Parkplatz-, Kindergarten- und Kulturheimgenossenschaften sowie die sonstigen Genossenschaften.
Insgesamt zählte der Raiffeisenverband Ende 2019 366 Mitglieder, davon 334 Genossenschaften (mit 160.661 Einzelmitgliedern) und 32 Körperschaften ohne Revisionspflicht. Damit sind rund 35 Prozent aller Südtiroler Genossenschaften dem Raiffeisenverband angeschlossen.
Die 366 Raiffeisen-Genossenschaften weisen zusammen ein Eigenkapital von 3,3 Milliarden Euro, eine aggregierte Bilanzsumme von knapp 21,9 Milliarden Euro und eine erweiterte Wertschöpfung von 1,3 Milliarden Euro auf.
„Die Raiffeisen-Genossenschaften tragen zu einer ausgewogenen Verteilung von Wohlstand und zum Erhalt des ländlichen Raumes bei“, sagte Generaldirektor Paul Gasser.
Er betonte, dass mit der aktuellen Krise auch eine Rückbesinnung auf den Wert der lokalen Wirtschaftskreisläufe einhergehe und dass das genossenschaftliche Geschäftsmodell eine bewährte Form des lokalen Handelns sei. „Ein Geschäftsmodell, das gerade in einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität steigt, mehr als zeitgemäß ist“, so Gasser.
Ereignisreiches Geschäftsjahr
„Für den Raiffeisenverband war das Geschäftsjahr 2019 ein ereignisreiches und wegweisendes Jahr. Wir konnten den begonnenen strategischen Erneuerungs- und Veränderungsprozess erfolgreich fortsetzen“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon, der in seinem Bericht die wichtigsten Ereignisse skizzierte.
So wurde an der Verwirklichung des institutsbezogenen Sicherungssystems (IPS) für die Raiffeisenkassen gearbeitet. Mit der Gründung der neuen Raiffeisen Südtirol IPS Genossenschaft als Trägerorganisation und der Einreichung des offiziellen Antrages bei der Bankenaufsicht um Anerkennung als IPS, konnten zwei wichtige Schritte gesetzt werden, um die genossenschaftlichen Prinzipien sicherzustellen und die unternehmerische Autonomie der Raiffeisenkassen zu bewahren. Die Ermächtigung der Banca d’Italia wird für kommenden Herbst erwartet.
2019 konnte der Raiffeisenverband ein neues Organisationsmodell umsetzen. „Das neue Organigramm des Verbandes zielt auf eine verstärkte Mitglieder- und Kundenorientierung ab“, sagt Generaldirektor Paul Gasser.
Unter anderem wurde der neue Bereich „Mitgliederbetreuung“ als erste Anlaufstelle für die Anliegen der Mitglieder eingerichtet. Neu ist auch der Bereich „Schutz und Förderung des Genossenschaftswesens“. Damit soll die Interessenvertretung für die Mitgliedsgenossenschaften professionell unterstützt und die Verbreitung des Genossenschaftsgedankens gefördert werden. Ein sichtbares Beispiel sei die Gründung der ersten Schülergenossenschaft Südtirols im vergangenen November.
Im vergangenen Jahr wurde an der neuen IT-Strategie des Raiffeisenverbandes weitergearbeitet. So wurde die Auslagerung des Rechenzentrums in eine eigene Konsortialgesellschaft in die Wege geleitet. Die neue Raiffeisen Information Konsortialgesellschaft m.b.H. wird die bisherige Hauptabteilung Raiffeisen Informationssystem (RIS) künftig in Form einer Betriebspacht führen. Die Auslagerung bedeute für die Raiffeisenkassen künftig mehr Einfluss auf die Entwicklung ihrer Informationstechnik.
Definitiv abgeschlossen wurde 2019 das seit einigen Jahren anhängende Verfahren der Wettbewerbsbehörde gegen Raiffeisen mit dem Vorwurf der verbotenen Kartellbildung. Der Staatsrat hat in letzter Instanz bestätigt, dass die Raiffeisenkassen wettbewerbsrechtlich nicht in Konkurrenz zueinanderstehen und kein Kartell bilden.
Ein Urteil von großer Tragweite, weil es auch die genossenschaftliche Ausrichtung und den Lokalbezug der Raiffeisenkassen in ihrer Gesamtheit anerkenne.
Kurzinterviews zu den aktuellen Herausforderungen für die Genossenschaften durch die Coronakrise rundeten die Vollversammlung ab. Generaldirektor Paul Gasser erläuterte dabei die Situation für den Raiffeisenverband, der neue RLB-Präsident Hanspeter Felder beleuchtete die Herausforderungen für die Raiffeisenkassen, Mila/Bergmilch-Geschäftsführer Robert Zampieri skizzierte unter anderem die Lage in den landwirtschaftlichen Genossenschaften und die geschäftsführende Obfrau von Humanitas24, Ursula Thaler, informierte über die aktuell durchaus schwierige Situation für die Sozialgenossenschaften.
Mit Statements zugeschaltet waren Extrembergsteiger Reinhold Messner, VOG-Obmann Georg Kössler, VOG-Products-Geschäftsführer Christoph Tappeiner und Maximilian Niedermayr, Präsident des Konsortium Südtirol Wein.
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